Die Architektur des Neubaus der Neuapostolischen Kirche in Böblingen integriert sich mit ihrer charaktervollen Klinkerfassade harmonisch in das bauliche Umfeld und stellt Bezüge zu den umliegenden Gebäuden her.
Die Arbeitsweise von a+r Architekten basierte dabei auf dem genauen Zuhören. Was wünscht sich der Bauherr? Was macht den gelebten Glauben an diesem Ort aus? Wie kann man dies in der Architektur umsetzen?
Arbeitsweise von a+r Architekten
Ob Energiestandard, Barrierefreiheit oder das Platzangebot für die Kirchenmitglieder – die Bestandskirche konnte den heutigen Anforderungen in vielerlei Hinsicht nicht mehr gerecht werden.
So wurde an ihrer Stelle in der Zeppelinstraße 48 die neue Kirche errichtet. Das Gebäude bietet nun ausreichend Raum für den Gottesdienst und integriert das neue gemeinsame Gemeindezentrum der früheren Gemeinden Böblingen und Holzgerlingen.
Ein Ort der Ruhe und der Aktivität
Der Bauherr – die Neuapostolische Kirche Süddeutschland – wünschte sich unter anderem ein Kirchengebäude, das als Sakralbau erkennbar ist. Einen Ort der Sammlung und Ruhe sowie einen hellen und würdevollen Sakralraum für die Gottesdienste.
Darüber hinaus sollten Mehrzweckräume geplant und multifunktional für verschiedenen Aktivitäten ausgelegt werden: vom kirchlichen Unterricht bis hin zu Kinder-, Jugend- und Seniorenaktivitäten.
Differenzierter Übergang
a+r Architekten folgen prinzipiell dem Ansatz, dass sich ein Gebäude mit dem umgebenden Raum „verwebt und vernetzt“. Der abgestufte Baukörper nimmt räumliche Bezüge zur Umgebung auf. Die in die eingeschossigen Gebäudeteile integrierten Mehrzweckräume werden mit Pergola, Mauerscheiben und Hecken so erweitert, dass der gesamte Garten Teil des Hauses wird.
Innen und Außen
„Es ist eine Raumstruktur entstanden, die einen differenzierten Übergang zwischen öffentlichem und sakralem Raum entwickelt“, erläutert Johannes Weiß, Projektleiter und leitender Architekt bei a+r Architekten, diese charakteristische Herangehensweise.
Das Entrée wurde als ein großzügiger, überdachter Vorraum konzipiert, der zwischen Innen und Außen vermittelt. Den Besuchern, die sich hier vor oder nach den Veranstaltungen treffen, bietet er einen wettergeschützten Aufenthaltsbereich.
Tragende Rolle: Beleuchtung
Im Inneren ist es den Architekten gelungen, mit weiß lasiertem Holz, weiß verputzten Wände sowie einem sandfarbenem Sichtestrich Helligkeit und Leichtigkeit in die Räume einziehen zu lassen. In dieser maßvollen Inszenierung bekommt auch der Umgang mit der Beleuchtung eine tragende Rolle.
So fasziniert das gekonnte Spiel des natürlichen Lichts mit dem wirkungsvoll inszenierten Kunstlicht. Unter anderem setzten a+r Architekten im Sakralraum Lichtbänder ein, die Teile des Innenraums akzentuieren.
Das „Miteinander“ ist spürbar
Besonders feinsinnig sind weitere, von a+r Architekten entwickelte Detaillösungen: das Gestaltungskonzept des Altars nimmt durch seine geschichteten Holzbalken Bezug zum Tragwerk auf. Das Tragwerk selbst steht mit sich gegenseitig haltenden Holzträgern symbolisch für den Zusammenhalt innerhalb der Gemeinde.
Dieses „Miteinander“ ist in jeder Hinsicht spürbar. So ist im baulichen Konzept die Raumsituation auf eine flexible, gemeinsame Nutzung angelegt: Foyer, Mehrzweckräume und sakraler Kirchenraum können einzeln oder gemeinsam genutzt werden.
Flexible Nutzung
Die Architekten achteten auf Flexibilität, um schnell auf neue räumliche Anforderungen eingehen zu können.
„Flexible Nutzungsmöglichkeiten ergeben sich durch die Zuschaltbarkeit der Mehrzweckräume untereinander, zum Foyer und zum Kirchensaal. Außerdem haben wir die Sakristei mit Sichtverbindung zum Kirchensaal geplant, so dass diese während der Gottesdienste ebenfalls genutzt werden kann“, erläutert Johannes Weiß.
Ein nachhaltiges und maßvolles Gebäude
Dem Wunsch des Bauherren, ein nachhaltiges Gebäude zu planen, sind a+r Architekten nachgekommen: Sie entschieden sich für eine langlebige, wartungsarme Klinkerfassade und setzten für das Tragwerk, die Decke und den Innenausbau Holz als ressourcenschonenden Baustoff ein.
Außerdem war es ihnen wichtig, die versiegelten Flächen zu verringern. So wurden ein versickerungsfähiges Pflaster, große Rasenflächen und begrünte Beete zwischen den Parkplätzen geplant.
Auch in wirtschaftlicher Hinsicht entsprach die umsichtige Planung von a+r Architekten den Vorstellungen des Bauherren. Das Budget wurde im Bauablauf nach Aussage des Büros eingehalten beziehungsweise sogar unterschritten.
Über a+r Architekten
a+r Architekten stehen für eine solide, umweltverträgliche und zukunftsorientierte Architektur mit einer überzeugenden Expertise im Bereich des nachhaltigen Bauens – auch im Bestand. Das 1985 von Prof. Gerd Ackermann und Prof. Hellmut Raff gegründete Büro mit Standorten in Stuttgart und Tübingen zählt rund 100 Mitarbeiter und steht seit 2010 unter der Leitung von Partner Prof. Hellmut Raff, Oliver Braun, Alexander Lange und Walter Fritz.
Vorwiegend bauen a+r Architekten für öffentliche Auftraggeber, Industrie und Gewerbe, für kommunale Wohnbauunternehmen sowie für soziale Einrichtungen. Das Büro konzentriert sich auf eine angemessene, ökologische, funktionale und daraus resultierend innovative Bauweise.
Fakten
Projekt: Neubau der Neuapostolischen Kirche in Böblingen
Bauherr: Neuapostolische Kirche Süddeutschland
Standort: Böblingen
Architekten: a+r Architekten, www.ackermann-raff.de
Wettbewerb: 1. Preis 2017
Ausführung: 2018 – 2020
Fotos: Marcus Ebener, www.marcus-ebener.de