Florian Voigt verwandelt eine Bauruine in ein Haus für seine Eltern. Diese wünschen sich einen Rückzugsort für die ganze Familie mit einem starken Bezug zur Region und zum Dorf, das sie schon viele Jahre kennen.
Autor Alexander Kuckuk
Die Bauherrschaft besitzt ein baufälliges Gebäude in der sächsischen Ortschaft Tellerhäuser, dem höchstgelegenen Dorf im Erzgebirge. Der einfache Bau wurde ursprünglich als Wohnhaus mit Stall unter einem Dach genutzt. Da es im Ort weitere, sehr ähnlich gestaltete Gebäude gibt, kann man es als eine Art Typenhaus charakterisieren
Unter einem Dach
Nach ersten Gesprächen entstand die Idee eines Umbaus als Holzkonstruktion, denn der Bauherr ist Sachverständiger für Holzschutz, seine Frau Geschäftsführerin des Architekturbüros Voigt in Leipzig. Verantwortlich für die Baumaßnahmen zeichnet der gemeinsame Sohn Florian.
Die Herausforderung bestand in einer angemessenen Transformation des Bestands zu einem neuen Ganzen, was gleichzeitig als Annäherung an die lokale Bautradition des Erzgebirges zu verstehen ist. Das zukünftige Haus sollte Bescheidenheit und Ruhe ausstrahlen und vielseitig zu nutzen sein.
Es muss als Wohnhaus für ein Ehepaar und gleichzeitig als Urlaubs- und Aufenthaltsort für viele Menschen funktionieren. Der Eingriff von Florian Voigt wird in erster Linie bestimmt von der Neukonstruktion des Dachstuhls, denn das Dach erhält jeweils einen zusätzlichen Giebel zur Tal- und zur Hangseite mit entsprechender Aussicht in die Landschaft.
Florian Voigt setzt auf lokale Handwerker
Man machte sich bereits früh auf die Suche nach potenten Handwerksbetrieben in der Region, denn die noch vorhandene Bausubstanz erforderte gute Sachkenntnisse und Fingerspitzengefühl. Vor allem sollte die ehemalige Scheunennutzung auch bildhaft in den Umbau übertragen werden.
Voigt führte die gesamte Neukonstruktion des Daches sowie der Fassade und auch den Innenausbau in Holz aus. Einen zentralen Wohnraum mit Blick ins Tal und Zugang zum Waldgarten machte er zur neuen Mitte des Hauses. Beim Betreten des Hauses entsteht zunächst der Eindruck einer urigen Hütte. Vom ursprünglichen Bauwerk ließ sich nur das rohe und robuste Bruchsteinmauerwerk im Erdgeschoss retten. Dieses wurde mit einer Betondecke verfestigt und gesichert.
Holz dominiert
Außenseitig hat man eine Holzfaser-Dämmung angebracht und mit einer dunkel gestrichenen Holzverschalung verkleidet. Innenseitig wurde die Konstruktion lediglich geschlämmt, um die Struktur sichtbar zu belassen. Im Erdgeschoss befinden sich zwei Schlafzimmer, das Bad sowie ein Hauswirtschafts- und Skiraum.
Eine Besonderheit ist ein weiterer separater Raum im Hang, der traditionell als „Abdichtungskeller“ funktioniert. Hier sammelt sich gegebenenfalls Regenwasser und fließt in eine Zisterne ab. Alle Wohnräume sind, angelehnt an die Holzkonstruktion, mit Sperrholz ausgekleidet.
Nadelholz an Wand und Boden
Die Formate der Platten ermöglichen es, den darunterliegenden Dachstuhl abzulesen, ähnlich der Schalung eines Sichtbetons. Das verwendete Nadelholz an Wand und Boden, Kiefer und Lärche, sowie der Ausblick in den Wald machen die Erzgebirgslandschaft im ganzen Haus spürbar.
Eine positive Überraschung bei der Umsetzung des Entwurfs war für Florian Voigt die Arbeit der Tischler, die das aufwendig entworfene Fugenbild der Holzverkleidung beeindruckend umsetzten. In den kalten Monaten verstärkt der Kamin im zentralen Zimmer des Obergeschosses, das die Anmutung einer Tenne hat, diesen Eindruck mit Gerüchen und Geräuschen.
Bezug zur Landschaft
Das Schlafzimmer der Bauherren, Bad, Küche und ein Wohnzimmer komplettieren die 120 m² Geschossfläche. Zwei Dachspitzräume bieten weitere Schlafplätze, wenn die ganze Familie Voigt mit bis zu zwölf Personen vor Ort ist.
Die Fassade ist in ihrer Einfachheit an das lokale raue Klima angepasst: Auf Regenrinnen und Schneefang wurde verzichtet, um Schäden durch Schneelast und Vereisung zu vermeiden. Die senkrechte Holzschalung aus Brettern und halbrunden Leisten ist tiefschwarz gestrichen. Energetisch wurde das Haus mit einer Geothermieanlage auf dem aktuellen Stand der Technik gebracht – die innere Betondecke zur Gebäudesicherung dient als Wärmespeicher.
Fakten
Projekt: Waldhaus
Standort: Tellerhäuser, Erzgebirge, Sachsen
Bauaufgabe: Wohn- und Ferienhaus für eine Familie
Fertigstellung: 2020
Geschossfläche: EG 90 m², OG 120 m²
Bauherr: Privat
Architektur: Büro Voigt, Leipzig
Produkte (Hersteller): Innenausbau, Türen und Küche sind Schreinerarbeiten. Wandbekleidung in Kiefer, Schälfurnier. Ausbauten und Möbel in Lärche, astlos. Zimmerleuchten als gedrechselte Holzfassungen „Tellerleuchten“. Möbel als Schreinerarbeit nach Architektenentwurf und Vintage DDR & CSSR. Werkstätten Hellerau ‚Serie 602‘ (Selman Selmanagić, Jan Vanek, Kozelka Kropacek). Küchenarbeitsplatte und Armaturen: Franke Puresteel. Badarmaturen: ‚Domo‘ von KWC
Materialien (Decke/Wand/Boden): Betondecke: geschliffen und farblos imprägniert; Beton mit kleiner Siebkurve Zuschlag an lokalem Bruchstein. In Decke vergossene Heizstränge als thermische Bauteilaktivierung mittel Erdwärmeheizung. Wand: Bruchsteinwand in situ, ausgebessert und geschlämmt; Holzwände im Obergeschoss aus Kiefernsperrholz, Dämmstoff innenseitig Holzwolle. Boden im Erdgeschoss und Dachspitz: Lärchenholz
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