Die Automobilbranche präsentiert ihre Ideen gern mittels Showcars, Innenausstatter bauen sich Showrooms. Die Sparte Oberflächen von Continental, ehemals Hornschuch, hat sich nun beides gegönnt, quasi einen rollenden Showroom. Besser gesagt, ein Minihaus auf einem dreiachsigen Trailer, das mal hier, mal dort stehen kann.
Multifunktionalität im Inneren
Theoretisch jedenfalls, denn so einfach ist das mit der Mobilität dann doch nicht. Dafür hat das Team um Ralf Imbery und Andreas Grüb auf 32 m² Nutzfläche so gut wie alles verbaut, was das Portfolio an Oberflächenlösungen hergibt. „Ein Tiny House hat Charme, ist trendy und bietet uns die Chance, unsere Materialien komprimiert zu zeigen“, erläutert Imbery die Grundidee. „Wir entwickelten zusammen mit unseren internationalen Designstudios zunächst drei Gestaltungsthemen, fassten sie in Moodboards zusammen und entschieden uns dann für den Industrial Look für das mobile Minihaus.“
Ein halbes Jahr dauerte die Konzeption inklusive der eigens entwickelten Architektur. Das ‚Conti Home‘ visualisiert seine Besonderheit schon von außen: Während die meisten Tiny Houses lediglich die Quaderform variieren, wirkt die Continental-Variante mit ihren schräg auskragenden Fronten und dem aufstrebenden Dach formal eigenständig. Und inspirierend – auch was die klug durchdachte Multifunktionalität im Inneren des Minihauses betrifft. „Es ist alles drin, von der Küchenzeile über ein komplettes Bad, ein Schlafbereich darüber, eine Sitzecke und ein zum Büro- oder Esstisch wandelbares Sideboard“, sagt Imbery.
Tiny House mit ausgereizten Dimensionen
Insgesamt misst das Minihaus 11,5 m in der Länge, ist über alles 2,55 m breit und 3,99 m hoch. „Das ist das machbare Maximum, um straßentauglich zu sein“, sagt Grüb, der die Umsetzung steuerte. Wobei: Mit einem Gesamtgewicht von 5,8 t landet das Tiny House auf Rollen bereits in der Kategorie der LKW-Anhänger, wegen der Länge braucht es eine kurze Zugmaschine zur Bewegung. Doch das ist eine sekundäre Frage, denn solche Häuser sind ja eigentlich stationär verortet, brauchen sie doch in der Regel einen Energie-, Wasser- und Abwasseranschluss.
Dass das ‚Conti Home‘ auf einem eigens gefertigten Anhänger steht, ist eher der Idee geschuldet, Roadshows durchführen zu können. So reiste das Minihaus für eine offizielle Vorstellung kürzlich zur Konzernmutter nach Hannover.
Kunden wirkten mit am Minihaus
So rasch das Konzept erstellt war, so sehr dehnte sich die Umsetzung: „Zwölf Monate wurden es, weil wir mitten in die Corona-Zeit gerieten und viele Partner nicht richtig arbeiten konnten“, schaut Grüb zurück. Doch: „Wir hatten frühzeitig die Kooperation mit unseren Kunden gesucht, die dann ihre Expertise einbrachten.“
Das betrifft zum Beispiel Fußböden, Möbel, Fenster oder die Hüllkonstruktion. Diese setzt sich aus einem sichtbaren Holzständerwerk zusammen, aus verkleidenden Verbundplatten und Oberflächenfolien – innen in weißer Anmutung, außen teils in ‚Mattex‘ Dunkelgrau, teils in ‚Woodec‘-Holzoptik verarbeitet. Das Besondere an diesen Folien: Sie sind matt und dank einer speziell entwickelten Prägung mit einer Struktur im Mikrometerbereich kratzfest und wartungsfrei. „Die Optik ähnelt der einer pulverbeschichteten Fläche, ist aber dank des Toplayers aus Polyvinylidenfluorid extrem strapazierfähig“, sagt Grüb.
Oberflächenoptik
Die individuell geformten Fenster bestehen aus PVC-Profilen, die Oberflächenoptik bestimmen wiederum Folien. Übrigens lassen sich diese, weil stofflich gleich aufgebaut, zusammen mit den Profilen recyceln und erneut in die Produktion einspeisen. „Momentan schaffen es die Profilhersteller, 85 Prozent der Fenster aus Altmaterial zu produzieren“, erläutert Grüb. „Das wandert in den Profilkern. Für die äußere Schicht wird dann noch Neumaterial gebraucht.“
Idealerweise haben solche Fenster – auch dank der Folierung – eine Standzeit von 30 Jahren. Sie sind also ausgesprochen langlebig. Ein durchaus sinnvoller Aspekt für Produkte, Materialien oder Konstruktionen. „Außerdem sind die U-Werte solcher Fenster meist besser als die von Alu-Holz-Fenstern“.
Zukunftsweisende Merkmale
Aus den vielen im Minihaus verwendeten Materialien seien nur drei weitere wegen ihres innovativen Potenzials erwähnt. Da wäre zum einen ‚Skai Purelux‘, eine extrem matte Folie aus PET mit Recycling-Anteil, die nicht aufpoliert, Fingerabdrücke vermeidet und kratzfest ist. In ihrer tiefschwarzen Variante bedeckt sie die Wände des Bads.
‚Acella Hylite‘ hat das Designteam wegen seiner transluzenten Eigenschaften von den Automotive-Kollegen entliehen und effektvoll mit einer hinterleuchtenden Zeitanzeige eingesetzt. „Das Material birgt viel Potenzial, weil es ganz besondere Gestaltungen erlaubt“, betont Imbery.
Transluzente Effekte
Polsterelemente der Sitzecke wiederum weisen ‚Skai VyP Nappa‘ auf, ein mikroporöses Kunstleder, das nicht nur eine komfortable Haptik bietet, sondern auch Wasserdampf passieren lässt. Es kann sozusagen transpirieren. Das auf Polyurethan und Vinyl basierende, auch optisch langlebige Material erlaubt sogar die Zugabe von Kaffeesatz als Füllstoff.
Wie begehrt ist das ‚Conti Home‘ eigentlich? „Wir haben schon Kaufanfragen“, schmunzelt Imbery, „aber wir haben nicht vor, eine Produktion zu starten. Es bleibt ein Prototyp“. Er sieht das Minihaus als Unikat, das intern gerne genutzt wird – zum Beispiel als Eventort, als Ausstellungsraum im Rahmen von Kundenbesuchen oder schlichtweg als Proof-of-Concept, um zu zeigen, was geht.
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