Eine IBA bietet für viele Denker und Forschende eine gute Grundlage, das Bauen als Prozess voranzubringen. So will etwa die 2019 eröffnete Internationale Bauausstellung Thüringen bis 2023 ressourcenbewusste Projekte mit gemeinwohlorientierten Werten in und für Thüringen entwickeln, die innovativ und experimentell sind und zum Nachahmen anregen sollen.
Kostengünstige Blockbauweise
In diesem Zuge hat das Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (ICD) der Universität Stuttgart unter der Leitung von
Prof. AA Dipl. (Hons) Achim Menges zusammen mit der Jade Hochschule Oldenburg und der IBA Thüringen ein Konstruktionskonzept entwickelt, das die Vorteile traditioneller, kostengünstiger Blockbauweisen mit den Möglichkeiten digitaler Planungs- und Fertigungsverfahren zu kombinieren sucht.
Forschungsprojekt ‚Timber Prototype House‘
Mit dem Forschungsprojekt ‚Timber Prototype House‘ sollte ein neuartiges Bausystem für zugleich umweltfreundliche, wirtschaftliche und architektonisch ausdrucksstarke, mono-materielle Gebäudehüllen gefunden und untersucht werden.
Geringer Energie- und Ressourcenaufwand
Das Ausgangsmaterial Holz bietet dabei einige wichtige Vorteile des umweltfreundlichen Bauens: Es ist meist als regionaler Rohstoff verfügbar und besitzt eine sehr gute ökologische Bilanz. Holz bindet im Wachstum zudem CO2 aus der Atmosphäre und erfordert bei der Bearbeitung einen geringen Energie- und Ressourcenaufwand.
So beruhen die strukturellen Füge- und Verbindungslösungen sowie die luftdichte Hülle des Mikrohauses ausschließlich auf der Materialität des Holzes. Nach Ende der Nutzungsdauer kann es demontiert und sortenrein wiederverwertet werden.
Forschungsprojekt des ICD
Die Verwendung von ausschließlich regionalen Rohstoffen hielt die Energiekosten für den Materialtransport niedrig, weswegen das Vorhaben mit dem Öko- und Umweltlabel „Holz von Hier“ ausgezeichnet wurde.
Entwickelt, gestaltet und gebaut wurde der Hausprototyp – wie man es bei einem Forschungsprojekt des ICD erwarten würde – komplett computerbasiert. Der gestalterische wie konstruktive Ausgangspunkt des Mikrohauses ist das klassische Blockhaus mit horizontal übereinandergestapelten Kantvollhölzern.
Holz in Hauptrichtung belastet
Die Grundidee: Dieses Blockhausprinzip haben die Forscher sozusagen auf die Seite gelegt und so eine rechtwinklige Struktur erhalten, bei der das Holz nun in seiner Haupttragrichtung belastet wird.
Wände und Decken können in der Planung gegeneinander verdreht werden, sodass das Verhältnis von Raum und Hüllfläche maximiert und der architektonische Ausdruck intensiviert werden.
Luftkammern verbessern die Dämmwirkung
Die Bearbeitung des Holzes erfolgte mit einer präzise arbeitenden, fünfachsigen CNC-Fräse. Feine, parallel angeordnete Schlitze, die die Tragfähigkeit nicht beeinträchtigen, dienen als Entlastungsschnitte, um ein Reißen des Vollholzes zu vermeiden. Die dadurch entstandenen Luftkammern verbessern außerdem die Dämmwirkung.
Nachhaltiges Monomaterial-Bausystem
Die digitale Fertigung ermöglicht die Ausbildung luftdichter und sortenreiner Verbindungen der einzelnen Elemente, ohne zusätzliche Metallbau- teile oder gar Klebstoffe. Das so entstandene, nachhaltige Monomaterial-Bausystem ist Tragwerk, Hülle und Dämmung in einem und entspricht mit einem U-Wert von 0,2 W/m²K den deutschen Energiestandards.
Digitaler Planungs- und Fertigungsverfahren
Mit dem ‚IBA Timber Prototype House‘ haben die Forscher vom ICD das Modell eines Mikrohauses geschaffen, bei dem der Arbeitsablauf vom Entwurf bis zur Ausführung computergestützt erfolgt. Der Vorteil bei diesem Vorgehen ist, dass bereits im Forschungsprozess verschiedene geometrische Formen entworfen und Entscheidungen, die die Konstruktion betreffen, unmittelbar simuliert werden konnten, um so die Auswirkung auf die Ermittlung der Massen, die Fertigungszeit und den Materialverbrauch zu sehen.
Durch die Integration von Konzeption, technischer Planung, Konstruktion und Herstellung soll so ein wichtiger Beitrag zur Weiterentwicklung gängiger Vorgehensweisen in der Architektur geleistet werden.
Computergestützte Modifizierbarkeit
Tatsächlich bietet das Projekt einige interessante Gedanken. Vor allem die computergestützte Modifizierbarkeit der Elemente und Verbindungen innerhalb der Monomaterialität zeigt, zu welchen architektonisch wie konstruktiv spannenden Lösungen man im Massivholzbau kommen kann, wenn man nur will.
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Architekt Prof. Achim Menges, Gründungsdirektor des Instituts für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (ICD) an der Universität Stuttgart.
Factsheet
Projekt: Timber Prototype House
Temporärer Standort: IBA Thüringen
Fertigstellung: 2019
Forschung, Planung und Ausführung: ICD – Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung, Universität Stuttgart: Prof. A. Menges (PI), Oliver Bucklin, Oliver David Krieg, Victor Rodriguez, www.icd.uni-stuttgart.de
Jade Hochschule Oldenburg: Hans Drexler, Marie Deilmann, Geronimo Bujny, Anna Bulavintseva, www.jade-hs.de
Internationale Bauausstellung, Thüringen: Dr. Marta Doehler-Behzadi, Tobias Haag, www.iba-thueringen.de
Fördermittelgeber: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Forschungsinitiative Zukunft Bau
Hauptsponsoren: ThüringenForst, Rettenmeier Holding AG
Kooperations- und Industriepartner: Klima- und Umweltlabel Holz von Hier, Georg Ackermann GmbH, Universal Holzbau GmbH, Glaskontor Erfurt GmbH, Bauhaus-Universität Weimar, Ingenieurbüro Matthias Münz, Nils Holger Moormann GmbH, Hofmann+Löffler, Creativeinrichtungen GmbH, Stadt Apolda
Abmessungen: 6 x 5.5 x 3.8 m in L x B x H auf 16.7 m² Grundfläche, berechneter U-Wert: 0.221 W/m²K, gemessener U-Wert: 0.224 W/m²K
Konstruktion: Massivholz-Fichtenbalken mit CNC-gefrästen Details, einschließlich eingesägter Luftkammer zur Isolierung und Materialstabilität.Tragwerk, Hülle, Dämmung und architektonische Artikulation werden mit einem einzigen, natürlichen Monomaterial-Bausystem erreicht.