Für seine Exponate aus 30 Jahren Sammlertätigkeit suchte der Lebensmittelunternehmer Peter Augendopler einen adäquaten Ort am Unternehmenssitz in Asten, einem sehr beschaulichen Örtchen mit nur etwas mehr als 6 500 Einwohnern. Peter Augendopler stellt mit seinem Unternehmen Backgrundstoffe für Brot und Gebäck her und hat im Lauf der Jahre ein umfangreiches Konvolut an Exponaten erworben, das sich thematisch mit dem Thema Brot und seiner Kultur beschäftigt.
Paneum: Wunderkammer des Brotes
Der Unternehmer schaffte es Wolf D. Prix für seine Sammlung zu begeistern und wünschte sich von diesem einen geeigneten Bau als Präsentationsgebäude. Diese Sammlung, so hat es uns der Architekt im persönlichen Gespräch erklärt, soll zeigen, was Brot für die Kultur und die Gesellschaft bedeutet. Wolf D. Prix sieht im Prozess der Brotherstellung Analogien zur Architektur: Das Ausgangsmaterial Korn wird zu Mehl gemahlen und ist dann nicht mehr sichtbar, das Mehl wird zu Teig und verschwindet somit ebenfalls.
Nach dem Backen sieht man dem Brot nicht mehr an, dass es aus Korn gewonnen wird. In der Architektur ist es ähnlich: Aus den Ausgangsmaterialien Wasser, Sand und Zement entsteht ein Gebäude, in dem die „Ursprungszutaten“ „verschwinden“ und aufgehen.
Die Wunderkammer des Wolf D. Prix sollte nicht so aussehen wie ein normales Museum, mit „Boxen“ und Oberlichtern für die Exponate, sondern es sollte die gleiche Intensität besitzen wie das im Gebäude ausgestellte Sujet. Für den Architekten ist die Sammlung von Peter Augendopler ein Kulturgut, das verloren geht, wenn man sich nicht darum kümmert und das er in eine Art Arche Noah stecken will, um es in die Zukunft zu retten.
Der Mitbegründer der Architektenkooperative Coop Himmelb(l)au mag nach eigener Aussage Wolken und so ist das „Paneum. Wunderkammer des Brotes“ in Asten ein „Wolkenschiff“ geworden, das das Kulturgut Brot aus der Gegenwart über die Wogen der Zeit hinweg überführt. So viel poetischer Phantasie vermögen viele nicht zu folgen und so verirren sich die zeitgenössischen Vereinfacher in Vermutungen, das Wolkenschiff sei ein Teigbatzen oder eine überdimensionale Backware.
Im Betonsockel sind die Veranstaltungsräume und auch die zugeordneten Nebenräume untergebracht. Dieser Bereich kann für verschiedene Arten von Veranstaltungen wie Präsentationen, Empfänge und Seminare genutzt werden.
Die maximale Besucherzahl ist auf 120 Personen festgelegt. Die Gestaltung des Ausstellungsbereichs basiert auf der Idee der Wunderkammer, einem Sammlungskonzept aus der Spätrenaissance und dem Barock. Dieses vormuseale Konzept bietet sich aufgrund der ungewöhnlichen und kleinteiligen Objekte der Sammlung an.
Selbsttragende Konstruktion
Im Zentrum des Paneum findet sich ein kreisförmiges Atrium, in dem einzelne Sammlungsstücke – wie bei einem Kristalllüster – von oben abgehängt sind. Das Atrium des Paneum wird von einer spiralförmigen, freistehenden Treppe dominiert, von der aus Besucher die Objekte von verschiedensten Blickpunkten betrachten können. Die eigentlichen Ausstellungsebenen sind in der „Wolke“ zu finden. Hier werden die Objekte mithilfe von in die Architektur integrierten Wänden, Tischen und Vitrinen präsentiert. Das Atrium ist von oben natürlich belichtet, die Ausstellungsflächen selbst werden mit Kunstlicht versorgt.
Während der Sockel schlicht betoniert ist, handelt es sich bei der „Wolke“ um die erste stützenfreie und freigeformte Holzkonstruktion der Welt. Die selbst tragende Holzschalenkonstruktion aus Brettschichtholz wurde per CNC-Technologie gefräst und die 20 cm hohen Spanten horizontal aufeinander gelegt und miteinander verbunden. Auch hier ist die Analogie zum Bau einer hölzernen Arche spürbar. Da die präzise bearbeiteten Holzelemente nur lasiert wurden und im Inneren sichtbar blieben, war ein zusätzlicher Innenausbau nicht erforderlich. Die notwendige thermische Außenhaut wurde mit Stahlschindeln verkleidet.
Letztlich wird es wohl nicht unbedingt die Sammlung des Peter Augendopler sein, die das Museum, jetzt ist der Begriff doch gefallen, so anziehend macht. Es ist vielleicht auch nicht die großartige Architektur innerhalb einer bescheidenen Kubatur mit einer Geschossfläche von lediglich 1 850 Quadratmetern. Es ist wohl eher die stille Harmonie zweier Herren, die sich verstanden haben und die ihre Leidenschaft zusammenführte. Es ist eine Geschichte von gegenseitigem Verständnis, die das Paneum spürbar darstellt und die es besuchenswert macht.
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Architekt Wolf D. Prix,
Mitbegründer des Büros Coop Himmelb(l)au, gilt als einer der innovativsten Gegenwartsplaner. Er vertritt eine experimentelle Architektur. Das renommierte Büro hat sich durch kühne Konstruktionen international Anerkennung erworben.
Factsheet
Projekt: Paneum
Standort: Asten in Oberösterreich
Bauherr: Backaldrin International The Kornspitz Company GmbH
Bauaufgabe: Museum
Fertigstellung: 2017
Grundstücksgröße: ca. 3750 m²
Geschosse: 4
Nutz-/Wohnfläche: 1850 m²
Materialien (Decke, Wand, Boden):
Personenaufzug: Schindler Aufzüge und Fahrtreppen
Möblierung/Sanitär/Beleuchtung/Hauskommunikation:
Vitrinen: Barth Innenausbau
Hängeskulptur: Art Engineering
Empfangstresen: Idee & Design the Art Factory
Möbel: Braun Lockenhaus, Vitra
Deckensegel Bibliothek, WC Waschtische: Tischlerei Wegerer
Küche: Wf Wohn- und Fachberatung
Beschattungssystem: Silent Gliss