David Chipperfield / MUDEC – Museum der Kulturen
Jeder weiß es, doch erwähnt wird es offiziell nirgends: das MUDEC, Museum der Kulturen, ist ein Entwurf von David Chipperfield. Der englische Architekt, der 2001 den von der Stadt ausgelobten Museums-Wettbewerb gewann, weigert sich heute, für den Entwurf verantwortlich zu zeichnen.
Die Stadt hätte den Bau, insbesondere den Steinfußboden, mangelhaft ausgeführt. Der Lavastein sei ohne Rücksicht auf Maserung und Farbgebung verlegt worden, hinzu kämen weitere Mängel.
Was genau abgelaufen ist und warum die Probleme nicht während der Bauphase von den Projektverantwortlichen der Stadt oder denen des Architekturbüros geklärt werden konnten, ist unklar. Mit Sicherheit lässt sich nur sagen, dass es bei der Stadt an fachlicher Kompetenz gefehlt hat wie sie dem Architekten beispielsweise beim Neuen Museum in Berlin zuteil wurde. Boden hin oder her, unserer Meinung nach hat der Bau durchaus Qualitäten.
Das Museum versteckt sich in einem Innenhof im Süden der Stadt. Sein Zugang erfolgt von der Via Tortona: ein unauffälliger Durchgang zwischen den Straßenfronten des Ansaldo Areals mit seinen ehemaligen Fabriken. Chipperfield spielt mit den Elementen dieser Industriearchitektur und bereitet dem Besucher unerwartete Entdeckungsfreuden.
Denn: die zinkverkleidete Fassade und die geometrisch klaren Volumina stehen in der zweiten Reihe und sind von der Straße nicht wirklich sichtbar.
Überraschende Elemente auch im Gebäudeinneren: Auf der großzügigen Eingangsebene mit Ticketcounter, Shop, Garderobe, Imbiss und Depot fällt der Blick wie von selbst auf eine Chipperfield-typisch monumentale (Stein)-Treppe.
Zwischen dunklen hohen Mauern, ebenfalls aus Stein, zieht sie den Besucher magisch nach oben, wo ein geschwungener Glaskörper verblüfft und bezaubert: eine Art offene, 24 Stunden beleuchtete Piazza, um die sich von außen die Ausstellungsräume und das Auditorium gruppieren. Fließende Formen und Raumgefüge, Leichtigkeit und massive Schwere wechseln sich ab, Glas und Stein, Hell und Dunkel kontrastieren.
Die Mailänder finden Gefallen an ihrem ethnografischen Museum. Ob Chipperfield und die Stadt nicht doch noch zu einem Agreement kommen?
OMA / Fondazione Prada
Wie viel Mailand für die Mode getan hat und wie wenig die Stilisten für die Stadt, das wird in der Metropole leidenschaftlich diskutiert. Auf Prada allerdings lässt niemand etwas kommen. Die 1913 mit einem Laden in der Galleria Vittorio Emanuele gegründete Firma präsentiert über ihre Stiftung Fondazione Prada zeitgenössische Kunst: seit 1993 in Mailand und seit 2011 auch in Venedig am Canal Grande.
Schon lange war für Mailand ein neues Ausstellungsgebäude geplant, und mit Rem Koolhaas/Studio OMA Office of Metropolitan Architecture der richtige Architekt für den Umbau einer aufgelassenen Schnapsfabrik aus dem frühen 20. Jahrhundert im Süden der Stadt gefunden. Kohlhaas fügte dem Areal mit seinen sieben Bestandsgebäuden drei Neubauten hinzu (‘Podium’ auf zwei Ebenen, ‘Cinema’ und ein mehrgeschossiger ‘Torre’) und kam so auf 19 000 m² Fläche.
Der neue Sitz der Fondazione spiegelt zugleich die interdisziplinäre Aufgabenstellung der Stiftung: Kunst, Film, Bibliothek, Architektur, Kultur.
“Wir arbeiten seit 15 Jahre mit Prada”, erklärte Rem Koolhaas, der schon im Bereich Retail und für das Projekt Transformer mit der Modebrand zu tun hatte. “Wir sind an dem Dialog zwischen Italien und der Mode interessiert.” In der Tat geht es bei OMA um Prozesse und Entwicklungen.
Abgesehen von effektvollen Lösungen wie der goldenen Fassade des ‘Haunted House’ überzeugt die Materialrecherche – für die Neubauten vorwiegend Industriematerialien, wobei der ‘Torre’ noch nicht fertiggestellt ist – sowie die unterschiedlichen Raumgefüge der Neu- und Altbauten. “Normalerweise bietet ein Museum nur ein Repertoire an Ausstellungsräumen; wir haben hier Potenzial für unterschiedliche Raumerlebnisse entdeckt”, meint Rem Koolhaas weiter. Auch dies ein bemerkenswerter Aspekt.
Selbst die Bar ‘Luce’ von Filmregisseur Wes Anderson (Grand Budapest Hotel) und das Foyer im ‘Cinema’ mit einem Werk von Lucio Fontana (1948 für das Mailänder Stadtkino ‘Arlecchino’) fallen aus dem Rahmen und zeugen von den interkulturellen Möglichkeiten der Stiftung. Die Eröffnungsausstellung, mit den klassischen Skulpturen überzeugte leider weniger. Die Stiftung sollte beim Zeitgenössischen bleiben und sich nicht mit den Alten zu adeln versuchen.
Michele De Lucchi / Museo della Pietà Rondanini
Die ‘Pietà-Rondanini’, das letzte Werk von Michelangelo (1475 bis 1564), wurde erst posthum in seiner römischen Werkstatt entdeckt: unvollendet. Sie zeigt eine Maria, die den verstorbenen Sohn aufrecht stehend umarmt – eine ungewöhnliche Darstellung, deren kunsthistorische Bedeutung erst sehr viel später erkannt wurde.
Die Erfolgsgeschichte der “Unvollendeten” sollte nämlich erst mit ihrer Inszenierung durch die Architekten BBPR im Museum des Castello 1956 einsetzen, deren beispielhaftes Ausstellungskonzept bis heute unumstritten ist.
Allerdings waren die Räumlichkeiten den heutigen Besucherströmen nicht mehr gewachsen und auch für Behinderte nur eingeschränkt zugänglich. So entschied die Stadt sich für ein radikal neues Konzept: ein separates Museum innerhalb des Castello.
Die Entscheidung war umstritten. “Ich habe lange überlegt, bevor ich zugesagt habe”, erklärt Michele De Lucchi, der, wie viele Bürger Mailands, keine Notwendigkeit für eine Neukonzeption sah. “Geldverschwendung” und “Zerstörung einer vorbildlichen Innenarchitektur”, das monierten die Kritiker.
Seit diesem Sommer kann man die “stehende” Pietà nun an ihrem neuen Standort bewundern: als Solitär, in einem ausschließlich ihr gewidmeten Saal im Ospedale Spagnolo. Das ehemalige Spital war für die Soldaten während der großen Pest im 16 Jh. innerhalb des Castellos eingerichtet worden. Darauf nimmt De Lucchi Bezug. Er gestaltete den mit Fresken ausgemalten Raum, in dem Menschen gelitten und gebetet haben, karg und sakral: So wird der Besucher zunächst diskret mit der Rückansicht der Pietà konfrontiert.
Eindrucksvoll ausgeleuchtet (Artemide) bildet die Skulptur den räumlichen Mittelpunkt, scheint über dem Boden zu schweben: Sie blickt herab von einem erdbebensicheren Metallsockel (Politecnico der TU Mailand mit der japanischen Firma Miyamoto).
Holzdielen aus heller Eiche bedecken den Boden; ebenfalls aus Eiche: drei leicht ansteigende Sitzbänke, von denen die Skulptur in Ruhe von vorne betrachtet werden kann. Bis auf ein paar Vitrinen im hinteren Teil des Saals mit Münzen und einer Totenmaske Michelangelos ist der Saal leer. Ein überzeugender meditativer Entwurf.