Für die aargauische Gemeinde Birrwil haben Brandenberger Kloter Architekten ein Schulhaus entworfen, das die Kinder zum Entdecken einlädt. Die Räume des zweigeschossigen, kompakten Gebäudes sind in der Höhe gestaffelt und folgen damit dem ansteigenden Gelände. Den Kern bildet das vielfältig nutzbare Forum im Split-Level.
So kompakt das Gebäude von außen erscheint, so überraschend ist der gestaffelte und außergewöhnliche Aufbau im Innern. Er animiert die Kinder vom Kindergarten bis zur Primarstufe zum Entdecken und Erkunden der vielfältig nutzbaren Innenräume. Im hohen Eingangsraum gelangt man über eine breite Treppe nach oben zur zentralen Halle im Split-Level, die durch einen tribünengleichen Aufgang in zwei Ebenen unterteilt ist. Die überhohen Stufen bieten sich auch als Sitzplätze an, sodass dieser Raum nicht nur als Erschließungsraum dient, sondern auch als Forum: hier können Veranstaltungen stattfinden, oder man trifft sich um sich auszutauschen.
Auf der unteren Ebene des Forums sind die Garderoben für die Schülerinnen und Schüler angeordnet. Auf der oberen Ebene liegt ein offener Erschließungsgang, der die vier Klassenzimmer miteinander verbindet. Zwischen den über Eck belichteten Räumen befinden sich zwei kleinere Gruppenräume. Diese können bei Bedarf zu einem fünften Unterrichtsraum zusammengelegt werden.
Low Tech statt Minergie
Da sich die Thermik als der stärkste und billigste „Lüftungsmotor“ bewährt hat, integrierten Brandenberger Kloter Architekten zwei Lüftungshöfe in das Satteldach. Von den kleinen Fensterflügeln an der Fassade strömt die frische Luft über große Lüftungsklappen in die Lüftungshöfe unter dem Dach – so kann eine optimale Querlüftung und Nachtauskühlung gewährleistet werden. Auf den Einsatz einer teuren Lüftungsanlage verzichteten die Architekten deshalb. Über das Oberlicht im Firstbereich und die Fenster an der Westfassade dringt viel natürliches Licht in den Binnenraum bis hinunter zum Erdgeschoss ein. Das gleichmäßig von oben einfallende Tageslicht erzeugt damit eine angenehme Atmosphäre und reduziert den Einsatz von Kunstlicht.
Zu den außergewöhnlichen Details im Gebäude gehören die kojenartigen Räume oberhalb der Klassenzimmer. Diese sind direkt unter dem Satteldach eingepasst. Über eine Leiter und durch eine kreisrunde Öffnung können die Kinder dort hineinklettern, sich verstecken oder diese als Lesenische nutzen. Durch einen kleinen runden Glasbausteinerhaschen sie einen geheimnisvollen Blick zurück in das Forum.
Perspektive des Kindes
Auch im Kindergarten entwickelten Brandenberger Kloter Architekten verspielte Räume. Hinter einem Vorhang, der im zugezogenen Zustand eine Schneckenform bildet, können sich die Kinder verstecken. Die Schiebewände und Wandoberflächen sind hier aus recycelten PET-Flaschen hergestellt. Sie dienen der besseren Akustik und als Pinwand. Als einzige Farben im Innern leuchten die blauen Kacheln an den Wänden der Toiletten und hinter den Waschbecken in den Unterrichtsräumen, sowie die Vorhänge in verschiedenen Blautönen.
Wie bei anderen Bauten für Kinder nahmen auch hier die beiden Basler Architekten die Perspektive des Kindes als Grundlage für den Entwurf. Zuvor realisierten sie das Schulhaus Pfeffingen (BL), dessen kubischer Baukörper ein leicht verständliches Raumkonzept bietet. Der Doppelkindergarten in Winkel (ZH), eine einfache Schottenstruktur am Hang, ist durch den Einsatz von Klinkerstein und Eiche sinnlich erfahrbar. Die Primarschule Aarwangen (BE) erweitert eine bereits bestehende Anlage mit einem großzügigen, vertikal erschlossenen Sichtbetonbau.
Ausblicke in alle Himmelsrichtungen
Um alle Schulräume in Birrwil an einem Ort zu konzentrieren, wurde 2017 ein Wettbewerb für eine stufenübergreifende Schule mit Kindergarten und Primarschule ausgeschrieben. Der Neubau bildet zusammen mit dem bestehenden Mehrzweckgebäude ein Ensemble, gemeinsam fassen sie einen Pausenhof und Sportplatz ein. Brandenberger Kloter Architekten haben das neue Schulhaus aus der Landschaft heraus entwickelt. Während sich das Erdgeschoss des kompakten Baukörpers in den Hang gräbt, entfaltet sich das Obergeschoss auf zwei Ebenen bis unters Dach. Von dort sind Ausblicke in alle Himmelsrichtungen möglich. Mit dem kompakten Äußeren orientiert sich das Gebäude einerseits an den für diesen ländlichen Raum typischen Wirtschafts- und Wohngebäuden mit weit auskragendem Satteldach, massiven Giebelwänden und filigraner Holzfüllung. Andererseits bezieht es sich mit der schlichten Rasterfassade und den Materialien wie Beton und Aluminium auf den 60er Jahre-Bau nebenan.
Brandenberger Kloter Architekten
Dabei sind – ganz pragmatisch – die durch das Dach geschützten Fenster an der Traufseite aus Holz, und die der Witterung stärker ausgesetzten Fenster an den Giebelseiten hingegen aus natureloxiertem Aluminium. In Anlehnung an die Mehrzweckhalle besteht das traditionelle Satteldach aus nicht eingefärbtem Faserzement. Der Haupteingang an der Hofseite, der auf den ersten Blick wie ein Unterstand anmutet, unterscheidet sich klar von den drei Nebeneingängen. Diese sind auf eine Stirnseite sowie auf die gegenüberliegende Hangseite verteilt, wo sich auch der erhöhte Schulgarten, Außenklassenzimmer und der Spielplatz befinden.
Fakten
Projekt: Neubau Schulhaus Birrwil
Standort: CH-5708 Birrwil, Aargau, Schweiz
Fertigstellung: März 2022
Bauherrn: Einwohnergemeinde Birrwil
Architektur: Brandenberger Kloter Architekten AG; Oliver Brandenberger und Adrian Kloter, Webseite des Büros
Fotos: Basile Bornand
Brandenberger Kloter Architekten
Die beiden Architekten Adrian Kloter und Oliver Brandenberger realisierten bereits seit 20 Jahren öffentliche Bauten. Schulen entstanden als Bürogemeinschaft, während sie für Wohnungs- oder Büroprojekte mit ihrem jeweils eigenen Büro tätig waren. Im Januar 2021 schlossen sie sich zur Brandenberger Kloter Architekten AG zusammen. Adrian Kloter und Oliver Brandenberger interessieren sich für langfristige, städtebauliche Entwicklungsprozesse ebenso wie für die Detailforschung am Material, Licht und Raum. Auf dieser Grundlage suchen sie in den jeweiligen Aufgaben nach Lösungen, die sowohl den Kontext- wie auch Nutzeranforderungen gerecht werden. Ein Großteil dieser Aufgaben stammt aus Studienaufträgen und Wettbewerbserfolgen in der Schweiz.
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