Wissensaustausch auf Augenhöhe, kooperatives Arbeiten und gemeinsam diskutieren und schlemmen – das war schon immer der Ansatz des Franz und Sue-Teams. Aus diesen Gewohnheiten heraus, entstand bald die Idee, einen Ort zu schaffen, der all diese Funktionen und Möglichkeiten verbindet. Ein Bürohaus für Architekten.
Architekturcluster
Mitten in einem neu entstehenden Wohnviertel auf dem Areal des ehemaligen Wiener Frachtenbahnhofs, im Sonnwendviertel, fand man einen optimalen Ort, um diesen Architekturcluster mit Nutzungsmix zu realisieren.
Mieter sind Mimi im Stadtelefant, architektur in progress, die Plattform für junge, innovative Architektur, und die Architekturstiftung im Erdgeschoß dabei. Seit Kurzem auch noch die Wiener Zweigstelle von Thinkproject sowie ANull Development. Über die Stockwerke bündelt sich somit Expertenwissen – der Austausch und die Synergien, die dadurch entstehen, machen das Haus zu einem besonderen Projekt.
Das Gründerzeithaus als Vorbild
„Je komplexer die Anforderung ist, umso simpler muss die Lösung sein.“ Das Bürogebäude mit seinen vielseitigen Nutzeranforderungen ist in der Konstruktion und räumlichen Struktur unkompliziert und flexibel gehalten. Das Haus soll durch Qualität und Langlebigkeit punkten, nicht mit aufwändigem Design.
Räumlichkeiten langfristig flexibel nutzbar
Bei vielen Aspekten des Projekts ließen sich Franz und Sue von den historischen Gründerzeithäusern Wiens inspirieren. Am stärksten zeigt sich das bei den 3,20 Meter hohen Räumen, die für Büroneubauten ungewöhnlich sind. Damit verzichteten die Bauherren zwar auf ein zusätzliches Geschoß, erhielten im Gegenzug aber die Qualität und das Flair eines Wiener Altbaus. Auch die Fassade mit großen Fenstern im strengen Betonraster hebt sich von der Glaskasten-Monotonie typischer Büroneubauten ab. Das Gebäude gibt sich ruhig, schlicht und unaufgeregt. Das voll verglaste Erdgeschoß öffnet es für den Dialog mit Quartiersbewohnern und der Öffentlichkeit.
Im Grundriss bleiben die einzelnen Etagen des Hauses offen gestaltbar – auf tragende Zwischenwände, Gänge oder Erschließungsflächen haben wir gänzlich verzichtet. Die Flächen werden lediglich durch den Stiegenhaus- und Sanitärkern strukturiert. So bleiben die Räumlichkeiten langfristig flexibel nutzbar. Je simpler die Lösung, umso nachhaltiger das Haus.
Zentrale Sitztreppe als Lieblingsplatz
Franz und Sue-Partner Michael Anhammers Lieblingsplatz im Gebäude ist die Treppe. „Die zentralen Sitztreppen verbinden unsere beiden Bürogeschoße miteinander und auch unsere Kolleginnen und Kollegen. Hier sitzen wir beim wöchentlichen Jour fixe zusammen, hier schmökern wir in Büchern, machen Pausen und treffen uns auch ab und an zu einem gemeinsamen Kinoabend. Die Treppe dient als verbindendes Element weit über die Architektur hinaus.“
„Von innen soll das Gebäude glühen und leben. Von außen soll es würdig altern können“, sagt Michael Anhammer. Die Puzzlesteine zum Altern sind die annähernd 3,3 m × 3,6 Meter großen Betonfertigteile, die präzise zusammengesetzt wurden. Das Besondere: Die Innen- und Außenseiten haben vorgefertigte, sandgestrahlte Sichtbetonoberflächen, dazwischen ist die Wärmedämmung bereits eingelegt.
Das Raster der Betonfertigteile
Durch diese Bauweise kommt das Gebäude mit minimaler Haustechnik aus — der Beton wirkt gleichzeitig aktiv als Speichermasse, Kühlung und Minimallüftung erfolgen über die Stahlbeton-Decken. Es gibt keine Zwischendecken. Nach den Stahlbetonarbeiten war das Haus somit schon fast fertig, nur noch die Fenster kamen hinzu.
Aber ist das Bauen mit Beton noch zeitgemäß? Michael Anhammer ist überzeugt: „Zeitgemäß zu bauen bedeutet für uns, nachhaltig zu bauen. Und das Bauen mit Betonfertigverbundteilen brachte uns dahingehend viele Vorteile. Zwar nahmen Entwurfsphase und statische Konzeptionierung mehr Zeit in Anspruch – diese konnten wir aber im Bau wieder einsparen. Denn die 3,3 m x 3,6 m großen, fassadenfertigen Betonteile mussten nur noch maßgenau wie ein Puzzle zusammengefügt werden. Das ist unheimlich materialeffizient und die Bauarbeiten kamen ohne unnötigen Materialverschleiß aus. Keine Vorsatzschalen, keine abgehängten Decken, eine Reduktion auf das Wesentliche.“
Verbindung aus Funktion und Ästhetik
Anhammer argumentiert weiter: „Neben der Tatsache, dass Beton ein ehrliches und selbstbewusstes Material ist, das würdig in der Stadt altert, stellt es an diesem städtischen Standort für uns die ideale Verbindung aus Funktion und Ästhetik dar. Die sandgestrahlten Sichtbetonoberflächen geben der Fassade und den Innenräumen eine besondere Qualität, der Beton wirkt gleichzeitig aktiv als Speichermaße. Die Sandwichelemente mit fertig eingelegter Wärmedämmung wirken so bereits temperaturregulierend und verringern den Anteil der benötigten Haustechnik. Die Beheizung, Kühlung und Minimallüftung des Gebäudes erfolgen über die STB-Decken, das Raumklima ist ganzjährig super behaglich. Für uns ein sehr nachhaltiges Gesamtkonzept“
Stadtelefant übernimmt soziale Verantwortung
Erwin Stättner, ebenfalls Partner bei Franz und Sue, zeigt sich begeistert, wie der Plan aufgegangen ist. Würden Sie es wieder so machen? „Der Plan, einen Architekturcluster in einem Wohnviertel zu erschaffen, in dem Experten aus unterschiedlichen Architektur-Fachrichtungen Raum haben, sich zu vernetzen und auszutauschen, ist definitiv aufgegangen. Wir arbeiten nicht nur projektbezogen miteinander, sondern treffen einander auch bei Mimi im Stadtelefant zum Mittagessen – so entstehen wiederum neue Ideen und Kooperationen. Auch für Besucher, Architekturinteressierte und Grätzelbewohner ist der Stadtelefant ein Ort für Veranstaltungen und des Miteinander geworden. Die Mischung von Wohnen und Arbeiten liefert somit einen Beitrag zu diesem lebendigen und sozial durchmischten Viertel und wir übernehmen mit dem Stadtelefant soziale Verantwortung.“
Drei Jahre nach Fertigstellung
Die Frage, was er wohl heute, drei Jahre nach Fertigstellung, anders machen würde, beantwortet Erwin Stättner so: „Wir haben lange überlegt, ob wir einen Holz- oder Teppichboden verlegen sollen – und haben uns aufgrund der Bauteilaktivierung und der damit einhergehenden Akustikproblematik für einen Teppichboden entschieden. Dieser ist zwar sympathisch und optimiert die Akustik, langfristig jedoch sehr anfällig für Verunreinigungen.“
„Auch die weißen, zeitlosen Einbauschränke vom Tischler würden wir heute vielleicht gestalterisch offensiver angehen – in unserem 2021 eröffneten zweiten Bürostandort, dem Franz und Sue-Studio, haben wir uns schon etwas mehr Farbe gegönnt. Dort benutzen die Mitarbeitenden auch höhenverstellbare Arbeitstische, mit denen sie sehr zufrieden sind. Deshalb würden wir diese auch im Stadtelefant verwenden, würden wir das Büro neu einrichten.“
Fakten
Projekt: Quartiershaus und Architekturcluster Stadtelefant, Webseite des Projekts
Standort: Sonnwendviertel, Bloch-Bauer-Promenade 23, 1100 Wien, Österreich
Fertigstellung: 2018
Auftraggeber: Bloch-Bauer-Promenade 23 Real GmbH
Bauaufgabe: Mixed-Use-Gebäude
Architektur und Innenarchitektur: Franz und Sue ZT GmbH, www.franzundsue.at mit Plov Architekten ZT GmbH, www.plov.at und Solid architecture ZT GmbH, www.solidarchitecture.at
Lichtplanung: Regent, Prolicht, www.prolicht.at
Fläche: 3 150 m²
Produkte/Hersteller: Fenster von Internorm; Beleuchtung von Regent – Solo Slim, ProLicht; Vorhangstoff von Kvadrat; Vorhangschienen von Leha; Schalter von Gira; Teppichbodenfliesen hergestellt von Desso (FPS Fields Eco); Toolboxen von Vitra; Outdoormöbel für Balkone: Pedrali – Nolita; Sonnenschirme ‚Pagoden‘ von Weishäupl; Bürodrehstühle von Wilkhahn; Stühle ‚Eames Plastic Chairs‘ von Vitra; Loungesessel ‚Pot‘ von Fritz Hansen; Beistelltische ‚Breda‘ von Punt Mobles; Glastrennwandsystem von PAN Armbruster – PANlight
Tischlerarbeiten: Tischlerei Wegerer
Baukosten: 4,5 Mio. €
Fotos: Andreas Buchberger, Franz und Sue/Louai Abdul Fattah
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