Ménilmontant ist das 20. Pariser Stadtviertel am westlichen Rand der Innenstadt. Wenige Blocks vom berühmten Friedhof Père-Lachaise entfernt hat der französische Immobilienkonzern RATP Habitat, Teil des Pariser ÖPNV-Betreibers RATP, kürzlich seine neue Hauptverwaltung bezogen. Das dreigeschossige Bauwerk namens Bienvenüe wurde vom ebenfalls in Paris ansässigen Architekturbüro Atelier du Pont errichtet, für das bereits der Ort eine Herausforderung war.
Natürliche Atmosphäre
Auf dem für das Gebäude vorgesehenen Bauplatz im Hinterhof der Rue Bagnolet 158 befand sich bereits eine Tiefgarage, auf der das neue Gebäude entstehen sollte. Zum zentralen Teil der Planung von Atelier du Pont gehörte es, die Tragkonstruktion des Neubaus am bestehenden Betonbauwerk als Gebäudefundament zu orientieren. Deshalb entschieden sich die Planer für ein dreigeschossiges Bauwerk in leichter Holzrahmenbauweise mit Decken aus Betonplatten.
Ebenfalls aus Beton besteht der rückwärtige Gebäudebereich, in dem sich Technik- und Serviceräume befinden. Dadurch erhält das Gesamtbauwerk einen aussteifenden Kern. Um die Belastung für die Bewohner vor Ort durch die Baustellenarbeiten möglichst gering zu halten, wurden nahezu alle Teile des Hochhauses – auch die Betonwände – vorgefertigt.
Es ist vor allem das Material Holz, das die Innenraumatmosphäre prägt: Das Pfosten-Riegel-Tragwerk aus Brettschichtholz ist größtenteils naturbelassen und bildet somit als immer wiederkehrendes Element den gestalterischen Rahmen. Das gilt auch für das Eiche-Stäbchenparkett in den Bürobereichen. Die Wände sind teils mit naturbelassenen, teils mit weiß lackierten Holzlamellen verkleidet. Sie entfalten gleichzeitig eine akustische Wirksamkeit.
Zwangloses Treffen
Spielerisch sind sie mal vertikal, mal diagonal angeordnet. Auch einige Möbel zeigen ihre Holzbeschaffenheit. Elemente, die ohne Holz auskommen, sind vornehmlich unifarben, etwa die hellgrauen Wände, die schwarzen Bistrotische oder die Gruppentische mit schwarz lackierten Oberflächen. Mehr Mut zu dezenten Farben weisen die Poufs und die Loungesessel auf, oder als Applikation die gefassten Fliesenwände der Teeküchen.
Die Skulptur „Bois Debout“ (französisch für stehendes Holz) von Atelier Yokyok stellt eine geometrische Abstraktion des Themas „Baum“ dar und füllt das 13 m hohe Atrium. Darunter entsteht eine Art Agora, auf der sich die Mitarbeiter zwanglos treffen und Ideen austauschen können.
Büromodell neu gedacht
Der helle, lichtdurchflutete Charakter des Innenraums entsteht zum einen durch die offenen Grundrisse mit nur wenigen Wänden. Durch die größtenteils raumhoch verglasten Fassaden sowie durch zwei Innenhöfe und das Atrium fällt viel natürliches Licht hinein. Mit der Innenausstattung möchte Atelier du Pont – das nicht nur für den Bau an sich, sondern auch für die Planung der Büros zuständig war – das „traditionelle Büromodell grundlegend auf den Kopf stellen, um den Anforderungen der heutigen Arbeitswelt gerecht zu werden“, erläutern Anne-Cécile Comar und Philippe Croisier.
Ihnen geht es dabei vorrangig darum, den „Nutzer in den Mittelpunkt“ zu stellen und „Flexibilität, Erweiterbarkeit, Mehrfachnutzung und Kreativität“ zu erzeugen, indem „ein gutes Gleichgewicht zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft“ geboten wird.
Die beiden Büroetagen weisen deshalb mobile Trennwände auf. Dadurch entstehen Räume und Bereiche, die sich an die unterschiedlichen Arbeitsbedürfnisse von der Makro- bis zur Mikrozonierung anpassen lassen. Das Spektrum reicht von geschlossenen und Nomadenbüros über informelle Arbeits- und Besprechungsräume bis hin zu Großraumbüros und Bereichen für die kreative Zusammenarbeit.
Außenraum einbezogen
Die Beschäftigten finden unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten vor, zum Beispiel für konzentriertes Arbeiten, Teambesprechungen, Videokonferenzen, kommunikative Kaffeepausen oder zum Entspannen. Der Schwerpunkt, so die beiden Planer von Atelier du Pont weiter, „lag auf der Geselligkeit, der Anpassungsfähigkeit und der Wohnlichkeit der verschiedenen Arbeitsbereiche. Wir konzipierten das Projekt so, dass es die Interaktion und den Austausch zwischen allen, die hier arbeiten, fördert – drinnen wie draußen.“
Terrassen als erweiterte, flexible Arbeitsplatzkonfiguration
Über einen direkten Zugang von der Straße verfügt das Gebäude nicht. Man gelangt durch einen Portikus in einem 11-geschossigen Wohnkomplex, durch den auch die Zufahrt zur Tiefgarage erfolgt, zum unscheinbaren Haupteingang. Im Erdgeschoss nimmt der Neubau die maximal bebaubare Parzelle ein, ein Teil der Fläche wird vermietet.
Vom Foyer des RATP-Habitat-Gebäudes von Atelier du Pont folgt ein sogenannter Entspannungsbereich mit Bistro, dahinter das Atrium. Die drei Bürogeschosse darüber öffnen sich jeweils zu großen, nach Süden ausgerichteten Terrassen, die durch Zurückspringen des Gebäudevolumens in jedem Stockwerk entstehen. Verbunden durch breite Treppen gelangt man auf die einzelnen Ebenen, ohne dazu ins Innere zurückkehren zu müssen. Außerdem entsteht ein Flanierweg durch üppige Blumenbeete und Gemüsegärten.
Ebenso fungieren die großzügigen Terrassen als erweiterte, flexible Arbeitsplatzkonfiguration. Die beiden vollverglasten Gewächshäuser dienen für Besprechungen, Brainstormings oder zum konzentrierten Arbeiten in einem geschützten Außenraum. Sie eignen sich auch für sportliche Aktivitäten wie Yoga oder Tischtennis.
Wohlfühlfaktor Arbeit
Auf die Frage an Comar und Croisier nach den zwei wichtigsten Anforderungen des Projekts antworten sie: „In einer relativ wohnlichen Umgebung arbeiten und sich zur Natur öffnen.“ Damit legten die beiden Gestalter von Atelier du Pont einen Schwerpunkt auf das, was im Ballungsraum einer Metropole wie Paris mit insgesamt über 12 Millionen Einwohnern mitunter nur eingeschränkt zur Verfügung steht: Natur und eine gewisse Wohnlichkeit. Für die Mitarbeiter errichteten sie ein Fundament dafür, gerne an den Arbeitsplatz zu kommen. Und dieses Wohlgefühl werden sie anschließend wieder hinaustragen.
Atelier du Pont
wurde 1997 von Anne-Cécile Comar und Philippe Croisier gegründet. Das Innenarchitektur- und Architekturbüro beschäftigt 40 Mitarbeiter.
Fakten
Projekt: Hauptsitz von RATP Habitat, genannt Bienvenüe
Standort: Point Habitat, LAC LD45, 19 place Lachambeaudie, 75570 Paris, Frankreich
Bauherr: RATP Habitat
Bauaufgabe: Bürogebäude in Holzrahmenbauweise mit Decken aus Betonplatten; Pfosten-Riegel-Tragwerk aus Brettschichtholz; errichtet auf einer bestehenden Parkgarage
(Innen)-Architekturbüro: Atelier du Pont, Paris
Fertigstellung: April 2021
Grundstücksgröße: 4 600 m²
Bruttogeschossfläche: 2 872 m²
Ausstattung (Auswahl): dreifach verglaste Vorhangfassade mit integrierten, elektromotorischen Jalousien von Schüco; Akustikabsorber von Lignotrend; Vollholz-Eichenparkett von Compagnie Française du Parquet; gegossener Mineralboden von Weber im Erdgeschoss; Fliesen von Céramiques du Beaujolais in der Cafeteria, in den Entspannungszonen und Teeküchen; Fliesen von Villeroy & Boch in Sanitär- und Garderobenbereichen; HPL-Oberflächen ‚Oberflex‘ sowie ‚Pure paper‘ von Ober Surfaces in Küchen und Cafés; Wandfarben von Farrow & Ball; Holzskulptur vom Atelier Yokyok
Interview mit Anne-Cécile Comar und Philippe Croisier von Atelier du Pont
Hier geht’s zur Webseite von Atelier du Pont
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