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Wabernder Nukleus in Berlin

Axel-Springer-Campus in Berlin von OMA
Das digitale Tal

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Der  Axel-Springer-Campus des Rotterdamer Büros OMA ist Ausdruck des Erneuerungsprozesses und Keimzelle eines veränderten Arbeitsstils. Den Anspruch, in der Onlinewelt vorne dabei zu sein, wollte Axel Springer mit einem passenden Bauwerk unterstreichen.

Autor Thomas Geuder

Verlagshäuser wie Axel Springer müssen den medialen Wandel von Print zu Online mitgehen. In alten Raumstrukturen, so die Meinung der Verantwortlichen, lässt sich das kaum umsetzen. Deshalb entwarf das Office for Metropolitan Architecture (OMA) den Axel-Springer-Campus. Richtig bewähren konnte sich das Bauwerk pandemiebedingt bisher noch nicht. Die Frage nach Sinn und Unsinn von Präsenzbüros stellt sich derweil mehr denn je.

Die OMA’sche Entwurfsidee ist schnell umrissen: In dem Bau soll Raum für eine Büroarbeit geschaffen werden, die vornehmlich digital funktioniert und die die dringliche Frage aufwirft, wie Journalismus zukünftig sinnvoll gelingen kann.

Der Entwurf basiert auf der Anordnung eines monumentalen, bis zu 45 m hohen Innenraums, in dem die verschiedenen Teams und Redaktionen auf terrassenförmigen Ebenen untergebracht sind.

Treffpunkt und Marktplatz

Der lichtdurchflutete Raum des Axel-Springer-Campus – den die Ideengeber angelehnt an das Silicon Valley als „Digitales Tal“ bezeichnen – ist subtraktiv herausgearbeitet aus einer schwarzen, teils goldeloxierten, gläsern verspiegelten und 13 Etagen umfassenden Baumasse. Diese füllt die Bebauungsgrenzen des Grundstücks sauber aus und umgibt den wabernden Nukleus einer modernen Büroarbeit schützend und standhaft.

Die Botschaft: Zwar gehört der klassische, von rauchenden, laut telefonierenden und tippenden Journalisten erfüllte Newsroom der Vergangenheit an, doch sollte das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Brennen für eine gemeinsame Sache im Büro der Zukunft in eine digitale Form der Zusammenarbeit transferiert werden.

So arbeiten im Neubau multidisziplinäre Units in einem Flex-Desk-Office und können sich – ausgestattet mit Laptop, Smartphone und uneingeschränkter Konnektivität – jederzeit und überall zum Arbeiten niederlassen. Das soll maximale Flexibilität, einen intensiven, interdisziplinären Austausch und somit neue Perspektiven garantieren.

Axel-Springer-Campus
Das Gebäude beherbergt unterschiedliche Arbeitsplatzkonfigurationen. Foto: Laurian Ghinitoiu

In die Waagschale zu werfen gilt, dass der Axel-Springer-Campus im Jahr 2013 erdacht wurde, zu einer Zeit also, in der die Digitalisierung zwar vorhanden, in vielen Bereichen aber noch längst nicht angekommen war. Fertiggestellt wurde das Gebäude im Jahr 2020, mitten in der Coronapandemie, in der die Arbeitswelt einen enormen Digitalisierungsschub erlebte und viele Beschäftigte deshalb gar nicht mehr ins Büro gingen – und gehen.

Insofern muss sich die Entwurfsidee der Frage stellen, ob sie in dieser neuen Arbeitswelt bestehen kann. Sind Präsenzbüroflächen überhaupt noch nötig? Axel-Springer-Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner und OMA-Gründer Rem Koolhaas sehen darin jedenfalls keinen Widerspruch. Ganz im Gegenteil: Der Neubau mit seinem kathedralartigen Innenraum als Herzstück des „Axel Springer Kiezes“ solle ein Ort des Austauschs sein, ein Gebäude, das alle Fragen der digitalen Zukunft beantworten kann.

Axel-Springer-Campus
Das neue Gebäude des Axel-Springer-Campus bildet mit dem bestehenden Axel-Springer-Hochhaus ein prägnantes Ensemble im Berliner Stadtgefüge. Foto: Laurian Ghinițoiu

Döpfner sieht ihn gar als „kulturellen Modernisierungs- und Veränderungstreiber“. Dass ein Großteil der Beschäftigten im Axel-Springer-Campus zunächst nicht aus den Redaktionen stammt, sondern aus der zum Verlagshaus gehörenden Preisvergleichsplattform Idealo, rückt diesen Ansatz in ein besonderes Licht.

In Inseln organisiert

Wer das Einzelbüro gewöhnt ist, muss sich nun grundsätzlich umstellen. Es gibt zwar klassische Büroräume, doch sie dienen eher als buchbare Rückzugsorte für die Stillarbeit.

Ansonsten birgt die den Nukleus umgebende Gebäudemasse Studios, Gastronomiezonen, Veranstaltungsflächen und Nebenräume. Auf einer Gesamtfläche von 52 000 m² befinden sich über 3 000 Arbeitsmöglichkeiten. Der größte Teil davon ist im großen „Digitalen Tal“ angesiedelt. Auf seinen Terrassen sind die Tische erstaunlich großzügig verteilt und in Inseln organisiert. Dadurch entstehen viele Freiflächen und darüber hinaus informelle Meeting-Points.

Individuelle Lichtquellen in Form von klassischen Stehleuchten an den Arbeitsplätzen gibt es nicht. Einzig in den Blendschutz an den Schreibtischen ist ein LED-Ring integriert.

 

Axel-Springer-Campus
Die Planer gehen davon aus, dass Computerarbeit kein besonders helles Licht erfordert. Darum verzichten sie auf individuelle Tischbeleuchtung. Foto: Laurian Ghinițoiu

Licht erhalten die Mitarbeiter im Axel-Springer-Campus also vor allem durch die großzügige Glasfassade sowie von Deckenleuchten, was zumindest für eine Grundhelligkeit im Innern sorgt. Mehr benötigt man am Bildschirm allerdings auch nicht.

Interessanter wird es beim Thema Akustik. Da ging es vor allem darum, die Ausbreitung des Schalls mittels einer „Gesamtakustik-Strategie“ zu reduzieren. So existieren insgesamt rund 1 500 m² raumhohe, mikroperforierte Wandabsorber von Strähle, die durch einen mehrschichtigen Aufbau Schallabsorptionswerte αw bis 1,0 erreichen. Damit erfüllen sie die Normen und Vorschriften. Auch die vergitterten Brüstungen sind Teil des Akustikkonzepts.

Ein besonderes Detail verbirgt sich an den Deckenuntersichten. Sie bestehen aus einem thermisch aktivierten Sichtbeton mit einem markanten Streifenmuster. Die Planer begründen diese Gestaltung mit ästhetischen Anforderungen, aber auch mit der Notwendigkeit, die schallharten Betonflächen akustisch verträglich zu machen. Zu diesem Zweck nimmt die Schalung profilierte, hinsichtlich Breite und Tiefe vorberechnete Streifen auf. Der Geschäftsführer Axel Springer Services & Immobilien, Andreas Ludwigs, erinnert sich: „Im zweiten Schritt wurde der Beton gegossen. Ein echtes Kunststück, denn die Streifen müssen so gegossen werden, dass sie sich nicht verschieben.“ An den so erzeugten rauen Flächen bricht sich dann der Schall.

Akustische Gesamtstrategie

Was sonst noch übrig bleibt, verläuft sich im großen Raumvolumen. Die geschlossenen Räume im Gebäude sind mit insgesamt 8 000 m² Glastrennwänden versehen, die die Anforderungen an Schallschutz und Absturzsicherung erfüllen.

Axel-Springer-Campus
Die flexiblen Ganzglaswände von Strähle fügen sich fast unsichtbar in die Architektur des Neubaus ein. Foto: Strähle © Huber Fotodesign

Ist der Axel-Springer-Campus damit ein attraktiver Arbeitsort? Er ist zumindest ein besonderer. In dem großen „Digitalen Tal“, von dem aus man das bestehende, goldschimmernde Axel-Springer-Hochhaus aus den 1960er-Jahren, das 1994 durch einen schwarzen Flügel erweitert wurde, stets im Blick hat, herrscht eine für die meisten Beschäftigten gänzlich unbekannte Arbeitsatmosphäre. An die gelte es sich jetzt erst einmal zu gewöhnen, hört man in den auf dem hauseigenen YouTube-Channel veröffentlichten Statements.

Auch wenn es die Lebhaftigkeit eines klassischen Newsrooms heute nicht mehr gibt, wird es dennoch im neuen digitalen Büro ein gewisses Grundrauschen geben, um – so der Wunsch der Bauherren – eine Atmosphäre des „Arbeitens im Park“ zu erzeugen.

Axel-Springer-Campus
Der Neubau befindet sich gegenüber des Axel-Springer-Headquarters in der Zimmerstraße, die früher Ost- und Westberlin trennte. Foto: Laurian Ghinițoiu

Ob sich dieser Wunsch erfüllt, erkennt man erst nach der Coronapandemie. Was bei der Wahrnehmung des eigenen Arbeitsplatzes und für das Gemeinschaftsgefühl bestimmt hilft, ist die Symbolik: Der Axel-Springer-Campus steht direkt auf dem ehemaligen Grenzstreifen der Berliner Mauer, die die Stadt mehr als 28 Jahre lang trennte.

Auch die Entstehungsgeschichte des Gebäudes enthält ein Kuriosum. Es erschien als fast logische Konsequenz, dass Mathias Döpfner und OMA zusammenfanden. Schließlich wuchs der Axel-Springer-Vorstandsvorsitzende in einem architektonisch geprägten Umfeld auf. Sein Vater Dieter Döpfner arbeitete als Architekt bei Buckminster Fuller und Egon Eiermann und beeinflusste in den 60er-Jahren die Hochschule für Gestaltung in Offenbach als Direktor maßgeblich.

Common Ground

Mit seinem Rotterdamer Architekturbüro OMA prägt der Pritzker-Preisträger Rem Koolhaas die Baukultur seit Jahrzehnten. Seine Karriere begann er in den 1960er-Jahren jedoch als Journalist. Beide Männer verbindet also ein „Common Ground“ in Architektur und Journalismus.

Dieser schlug sich im Neubau des Axel-Springer-Campus in direkter Nachbarschaft zum Axel-Springer-Hochhaus nieder.

Interview mit Andreas Ludwigs, Geschäftsführer Axel Springer Services & Immobilien

Mehr zum Axel-Springer-Campus bei OMA

Über den Neubau auf der Website des Axel-Springer-Verlags

Zum LOQI Activity Office in Berlin von Studio Aisslinger auf md-mag.com

Fakten

Projekt: Axel-Springer-Campus
Standort: Zimmerstraße 50, 10117 Berlin
Bauherr: Axel Springer Verlag
Fertigstellung: 2020
Arbeitsplätze: 3 500
Architektur, Innenarchitektur und Einbauten: OMA, Rem Koolhaas, Rotterdam, NL
Bruttogeschossfläche (überirdisch): 57 828 m²; davon: Bürofläche: 43 534 m² (inklusive Coworking-one) für Newsroom „Welt“ Print und Digital, Newsroom Welt TV; zwei TV-Studios mit Support-Fläche; öffentliche Bereiche mit Lobbies, Restaurants, Veranstaltungszonen und Konferenzräumen: 8 200 m²
Akustikplanung: Kahle Acoustics
Lichtplanung: Les Éclaireurs
Wegeleitsystem: Büro Uebele
Ausstattung (Auswahl): Böden von Agglotech, Dinesen, Gerflor, Forbo, Lindner und Vebe; Decken von Max Franck (Akustikabsorber Sichtbeton) und Lindner; Trennwände von Strähle; Mobiliar von Deutsche Werkstätten Hellerau, Lensvelt und Unifor


Rem Koolhaas

gründete OMA 1975 mit Elia und Zoe Zenghelis sowie Madelon Vriesendorp. Er leitet die Arbeiten von OMA und dessen Forschungseinrichtung und ist Professor an der Harvard University. Porträt: Charlie Koolhaas


 

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