Das Auge isst mit: Dieses Sprichwort ist heute wahrer denn je. Obwohl immer weniger Menschen selber ihr Essen zubereiten, boomen Kochbücher, -shows und -kurse. „Foodporn“ ist ein stehender Begriff, Ernährungsweisen, Essenszubereitung und die fotogerechte Darbietung ein neuer Kult.
Aus diesem bedient sich auch Trendforscherin Lidewij Edelkoort. Für den Quarzoberflächenhersteller Caesarstone erstellte sie den Report ‚Form follows Food‘, der aus aktuellen Ernährungshypes Querschlüsse auf Küchentrends und die Küchengestaltung zieht. Denn so wenig das digital zelebrierte Bild mit dem Ernährungsalltag übereinstimmt, so beeinflusst es doch Lebenswelten: „Wohnküche statt Wohnzimmer“, fasst Edelkoort zusammen.
In 60 Fotografien verschmelzen Quarzoberflächen aus dem 74 Dekore starken Portfolio mit hoch ästhetisch inszenierten Speisen. Arbeitsplattenhersteller Jetstone, der unter anderem Caesarstone auf dem deutschen Markt vertreibt, präsentierte die Trends auf der Küchenmesse Area30: ein optischer Genuss.
Küchengestaltung Trend 1: Conceptual Concrete
Laut Edelkoort darf die Küche heute ein roher Ort sein. „Man bereitet das Essen von Hand zu, man stampft, rührt und knetet“, fasst sie die romantische Vision von Kochritualen in Worte. So kommt der Trend „Conceptual Concrete“ mit industrieller Anmutung und betonartigen Arbeitsflächen daher. Seinen Ursprung hat er in restaurierten Fabrikhallen, nun rückt er in Küchen vor, wo Käse vom Laib gebrochen wird, Porridge als neue Trendspeise hervortritt und Brotaufstriche nicht in Schälchen, sondern auf Brettern oder Steintafeln gereicht werden.
Die Küche für solche Speisen ist ein robuster Werkraum. „Groben und robusten Materialien wohnt eine natürliche Schönheit inne, sie reflektiert die authentischen Texturen der Herstellung“, sagt Edelkoort.
Als Designer der Stunde benennt sie das forschungsgetriebene Studio Formafantasma, das in gleichem Maße als experimentierfreudig und kritisch gilt.
Küchengestaltung Trend 2: Marbeling Mood
„Marmorstrukturen erleben ein Revival, sei es auf Papier, bei Textilien, in Lebensmitteln oder eben in der Küche“, sagt Edelkoort. Das einstmals elitäre Material ist mit täuschend echten Nachbildungen für den Massenmarkt zugänglich geworden und findet sich öfter denn je in Küchen.
Laut Edelkoort spiegelt es zugleich die Renaissance, die marmorierte Speisen in unserer bildlastigen Gesellschaft erleben. Sei es fein gezeichnetes Gemüse wie Feuerbohnen oder Rania-Auberginen, sei es edler Schimmelkäse, oder eben mit feinen Adern akzentuierte Süßspeisen: Dieser Trend lädt zum Genuss. Die entsprechende Küche ist mit edlen Materialien eingerichtet, oder eben ihren Nachbildungen.
In der Designszene verortet Edelkoort den Trend bei den Meringue Girls: Wie der Name schon verrät, widmet sich das Londoner Team einer farbenfrohen Vielfalt des süßen Eierschaumes.
Küchengestaltung Trend 3: Dark Rituals
„Es überrascht, dass in einer Gesellschaft, die so viel Wert auf Reinheit legt, ausgerechnet Räume, die rein sein sollen, in Schwarz getaucht werden“, sagt Edelkoort, und ergänzt: „Das kann ich wirklich nur mit Foodtrends erklären.“ Denn hier boomt die Rückkehr zum Einfachen mit Paleo-Diäten oder Fleischverzicht. Essen wird zur existenziellen Moralfrage, und das Kochgeschirr von der schwarzen Gusseisenpfanne bis zum schweren Tontopf setzt bei jedem Zubereitungsschritt ein Statement.
Die entsprechende Küche ist natürlich kein glattpolierter Ort, sie ist schwer und wertig mit dunklem Stein, Schiefer, oxidiertem Metall und lackiertem Holz.
Den Trend sieht Edelkoort auch in dem Werk von Food-Designerin Marije Vogelzang verankert – nicht, weil ihre Speiseerlebnisse dunkel wären, sondern weil sie mit besonderer Sensibilität Verhaltensweisen und Rituale rund ums Essen wahrnimmt und aufzeigt.
Die Küche als Statussymbol
So unterschiedlich die formale Ausprägung, eines ist den drei Trends gemein: Sie wollen die Küche der Beiläufigkeit entheben. Sie zelebrieren sie als Lifestyle-Statement. Genau wie die teure Kamera des Laienfotografen ist die Küche heute ein weithin sichtbares Statussymbol des Hobbykochs.
Man sollte nur aufpassen, dass vor optischer Völlerei nicht am Ende ein leerer Magen bleibt: Denn so präzise die Ästhetik der dargestellten Trends dem Zeitgeist entspricht, so wenig haben die dargestellten Speisen etwas mit dem feierabendlichen Durchschnittsmahl zu tun. Das kommt dann doch aus der Mikrowelle.
Soulfood + Design – lesen Sie die Trendanalyse von René Spitz