Über die Jahre hat sich die Cersaie als italienische Vorzeigemesse in Sachen Keramik einen guten Ruf erarbeitet. Der September-Termin in Bologna gehört zum Messekalender all der Architekten und Innenarchitekten, die sich einen Eindruck von der Leistungsfähigkeit insbesondere der italienischen Fliesenindustrie machen wollen. Ein anspruchsvolles Rahmenprogramm mit Lesungen und hochkarätigen Keynotes – dieses Jahr mit Richard Rogers – spricht Architekten aus ganz Europa an.
Cersaie gehört zum Messekalender
Die Fliesenproduktion in der norditalienischen Emilia-Romagna beschert der Provinz die höchste Beschäftigtenzahl in Italien. Zwei Mio. Arbeitnehmener, weniger als sechs Prozent Arbeitslosigkeit und technische Innovationskraft, Internationalisierung, Infrastruktur, Investitionen in Standort, Personal, digitale Revolution und Umstellung der Unternehmen auf Industrie 4.0 lassen Michele Scannavini, Präsident der italienischen Handelskammer ICE, von einer Wettbewerbsfähigkeit sprechen, die vergleichbar mit der deutschen sei.
Like a piece of Art
Information und Inspiration liefert die Cersaie satt. Einflüsse aus Mode und Kunst sind unverkennbar, auch schnelle Kollektionswechsel ist im Zeitalter des Digitaldrucks kein Thema mehr. Es darf geschwelgt werden – in Dekor und Struktur, Farbe und Formatvielfalt. Gern demonstriert die keramische Fliesenindustrie ihr Knowhow in übergroßen Formaten, bei denen man sich fragt, wie diese überhaupt transportiert geschweige denn verlegt werden können.
Handwerklicher Touch steht nach wie vor hoch im Kurs. Bereits eine ausgeprägte Reliefierung verleiht dem Industrieprodukt Keramikfliese eine gewisse Natürlichkeit (Tonalite). Auch das Denken in Systemen und die Kombinierbarkeit unterschiedlicher Formate eröffnet außergewöhnliche Gestaltungsmöglichkeiten. Wer einen guten Fliesenleger an der Hand hat, wird über die unterschiedlichen Verlegetechniken staunen, die Boden und Wand im Wortsinn in Bewegung versetzen können.
Natur als Vorbild
Wie im Textildruck, so wird bei den Fliesen das Thema Natur großgeschrieben: Rosen wie aus dem Poesiealbum (Bisazza), fotorealistische Urwaldmotive mit viel Grün (Casalgrande Padana), mediterranes Blau (Granitfiandre). Auf Naturvorkommen spielen auch die abstrakten oxidierten Oberflächen im Look von Cortenstahlplatten an – Richard Sierras Plattenskulpturen lassen grüßen, ein einfaches, „rohes Ambiente“, das ins Bad ebenso passt wie in einen Weinkeller (Fincibec).
Perfektes Mimikry
Längst sind die digital nachempfundenen Maserungen von Marmor und allen nur erdenklichen Quarzoptiken heute perfekter als das Naturmaterial selbst. Mimikry, das im Zeitalter des Barock als kostbares Gut galt, wird zwar heute von Hardlinern immer wieder angefeindet, aber man darf die Frage der Nachhaltigkeit beispielsweise für den schnellebigen Laden- und Küchenbau durchaus stellen. Zum Raubbau an den natürlichen Vorkommen bieten sich die „Kunststeindekore“ als echte Alternativen an.
Neben den Fliesen spielen in Bologna auch Holzböden eine Rolle: Im Trend sind dunkle Farbtöne – Tabak geölt – und Eichenoptik, elegant oder rauh, polierte Oberflächen fallen auf. Raffinierte Gebrauchsspuren bis hin zum Schwarz verkohlter Bohlen wie man sie aus Japan kennt, haben mit dem unsensiblen Schabby-Chick der vergangenen Jahre nichts mehr gemein.
Rauh und glatt, poliert und matt
Eher assoziieren die Italiener lederartige Oberflächen und robuste Optiken, bei denen Stein mit Metall verschmilzt (Matteo Brioni) beziehungsweise Beton, der sich an Verschalungsspuren orientiert, mit Arbeiten von Anselm Kiefer.
Auffallend ist, dass jeder Trend signifikant gespiegelt ist. Den kräftigen Farben stehen die zarten Töne gegenüber, den Kontrasten Nuancen Ton-in-Ton, den matten Oberflächen die glänzenden, dem echten Stein das perfekte Mimikry. Keramik präsentiert sich auf der Cersaie als künstlerischer Werkstoff, der Identität schafft. Auf hohem Niveau.
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Atlas Concorde
Ausgeprägtes Relief
Die Kollektion ‚3D Wall Design‘, deren Besonderheit die dreidimensionale Oberfläche ist, wurde um die Textur ‚Flake‘ ergänzt. Stilprägend sind geometrische, an Schneeflocken inspirierte Formen ohne vorgegebenen Rhythmus. Die Form der Reliefs wird durch die seidenmatte Oberfläche betont, wobei einfallendes Licht deren Optik stets ein wenig verändert.
Bisazza
Flower Power
Mit seinem Entwurf ‚Malmaison‘ wird Carlo Dal Bianco polarisieren. Man liebt die ins riesenhafte gezoomten Rosendekore, oder man findet sie schlicht kitschig. Dazu trägt sicherlich bei, dass die Glasmosaiksteine Svarovski-Kristallsplitter enthalten. Nichts desto trotz ein starkes Statement, dass die Renaissance des Ornaments im Interior belegt.
Casalgrande Padana
Grüne Wand
Die Optik der ‚Greentech spirit‘-Fliesen erinnert nicht von ungefähr an mit lebenden Pflanzen begrünte Wände für Innenräume. Die Fliesen im Format 240 x 120 cm wurden mittels photokatalytischer Technologie so behandelt, dass sie die in der Luft vorhandenen Schadstoffe vermindern und so für ein besseres Raumklima sorgen sollen.
Fiandre
Blau in Nuancen
Mit ‚Azul Macaubas‘ wird die Ästhetik einer Steinart aus der brasilianischen Provinz Bahia, die zur Familie der Quarzite gehört, in hochwertigen Feinsteinzeugplatten reproduziert. Charakteristisch: die Textur der Äderungen und ineinanderlaufende Blau- und Weißtöne.
Fincibec
Rough Touch
Mit der Marke Over hat sich der Hersteller auf die Herstellung von Feinsteinzeug im Großformat spezialisiert. So wird die Kollektion ‚Titan‘, deren Stilmerkmal oxidierte Oberflächen ist, ausschließlich im Format 120 x 260 cm gefertigt. Dies unterstreicht die Anmutung, wie man sie von massiven Cortenstahlplatten in der Architektur kennt.
Matteo Brioni
Materialmix
Für seine Einfärbungen verwendet der Hersteller gefärbten Ton, dem mineralische Bindemittel und Polymerharz zugesetzt wird. Für die besonderen Effekte der Kollektion ‚Fuga‘, entworfen von Studio Irvine, holte man mit De Castelli einen weiteren Materialexperten ins Boot, um Kupfer als dekoratives Element zu implementieren.
Sant‘ Agostino
Da Venezia
‚New Deco‘ ist die Neuinterpretation einer Terrazzotechnik, die sich im Venedig des siebzehnten Jahrunderts besonderer Beliebtheit erfreute. Dabei werden große, unregelmäßig geformte Zuschlagstoffe aus Marmor verwendet. Fugenlos verlegt, erzielen die 120 x 120 cm großen Fliesen eine verblüffend homogene Wirkung.
Tonalite
Mix ‘n‘ match
Bei der Kollektion ‚Kraklé Tissue‘ wird mit dem Thema „Craquelé auf einer strukturierten Oberfläche“ gespielt. Die Intensität und die Sättigung der Trendfarbe Azur wird durch die Reliefstruktur variiert, was der Oberfläche einen dreidimensionalen Effekt verleiht. Bei Lieferung sind jeweils sieben verschiedene Dekore in einer Box gemischt.
Villeroy & Boch
Frei interpretiert
‚Gateway‘ ist inspiriert von Buntschiefer. Ein Gestein, das zahllose Muster, Strukturen, Maserungen und Farbspiele besitzt. Jedoch wurde die charakteristische, raue Struktur in ein dezentes Relief übertragen. Dabei sind die typischen Schichtungen sanfter ausgebildet, als dies bei einem Naturstein der Fall ist.
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