Das ist Coronadesign nicht. Windschiefe Kasseneinhausungen im Baumarkt, wackeliger Spuckschutz auf Theken, mit Ketten gesicherte Desinfektionsspender, am Boden Richtungspfeile aus Klebeband und hingesprühte Abstandslinien. Die Pandemie erforderte, in kürzester Zeit auf maximale Improvisationsfähigkeit umzuschalten. Dabei entstanden logischerweise fragile und ästhetisch verstörende Provisorien.
Das Virus bietet Chancen für Kreative
Da Covid-19 nicht einfach verschwinden wird und uns auch durch die kommenden Jahre ‚begleitet‘ – wissenschaftliche Modellrechnungen verweisen bis ins Jahr 2025 – ist es nun an der Zeit, die zahlreichen punktuellen Provisorien auf ein gesamtheitliches, professionelles Niveau zu heben. Und das verlangt nicht nur technische Expertise, sondern mehr noch, es verlangt gestalterisches Know-how.
Das Virus bietet mittelfristig große Chancen für kreative Designer, Interiorgestalter und Architekten, die sich schon immer darüber klar waren, dass die Zukunft keine lineare, alternativlose Fortsetzung des Gewohnten darstellt.
Viele Fragen – erste Antworten
Covid-19 ist ein globaler Disruptor, der im Kleinen wie im Großen neue Lösungen verlangt. Zum Beispiel: Wie lässt sich die Akzeptanz von Gesichtsmasken steigern? Lassen sich die Masken mit speziellen, smarten Geräten sterilisieren? Können Ausstellungen weiterhin so üppig mit Touchscreens arbeiten wie bisher? Oder spricht das Risiko der Schmierinfektion dagegen?
Wie lassen sich Zutrittsregelungen sinnvoll und selbsterklärend umsetzen? Wie realisiert man im ÖPNV den Abstand, wie sieht das pandemiefeste Retaildesign bzw. Coronadesign für Läden aus und können Aerosole überhaupt unter Kontrolle gebracht werden?
Muss der Interieur-Designer künftig seine Raumkonzepte per Finite-Elemente-Methoden strömungstechnisch überprüfen und optimieren?
Vielversprechende technologische Ideen
Viele dieser und anderer Fragen lassen sich derzeit noch nicht beantworten, zu komplex sind sie und zu volatil noch die vom Virus beeinflussten Rahmenbedingungen. Doch bereits heute wachsen vielversprechende technologische Ideen und Lösungen heran, die auf ihre soziale Einbettung durch das Coronadesign warten.
Ein zentrales Thema bleibt die Desinfektion häufig frequentierter Oberflächen. Die traditionelle Wischdesinfektion mit flüssigen Reagenzien lässt sich in vielen Bereichen nicht in der nötigen Konsequenz umsetzen.
Coronadesign als Geschäftsidee
Hier kommt der UV-basierten Desinfektion eine Schlüsselrolle zu. Lange vor Corona haben sich die beiden Gründerinnen des Kölner Start-ups Uvis dem Thema angenommen und eine kontinuierlich arbeitende Technik entwickelt, um Handläufe von Rolltreppen von Keimen und Viren zu befreien. Die UV-Module arbeiten mit Quecksilber-Niederdrucklampen bei einer Wellenlänge von 254 nm und befinden sich im verborgenen Umlaufbereich der Rolltreppe.
Kone und Thyssenkrupp nutzen die Module bereits, die durch Corona einen unerwartetes Interesse erfahren. Auch Schindler bietet mit ‚Ultra UV Pro‘ ein solches Modul an, sogar als Nachrüstsatz für vorhandene Treppen.
Wunderwaffe UV-Licht
Auch in der Aufzugskabine arbeitet UV-Licht: ‚Air Purification‘ nennt Thyssenkrupp das kleine Gerät, das die Luft in der Kabine reinigt. Bei Schindler nennt sich dieses Feature ‚UV Clean Air‘. Schindlers ‚Clean Car‘ wiederum nimmt sich der gesamten Kabine inklusive ihrer Oberflächen an – allerdings nur, wenn keine Personen in der Kabine sind.
Berührungsfreie Bedienung
Berührungsfrei zu aktivierende Armaturen werden wohl endgültig in öffentlichen Sanitärräumen zum Standard werden, während Luft-Händetrockner wegen ihrer Aersol-Produktion wohl Auslaufmodelle sein dürften. Berührungsfreie Bedienung ist auch bei Aufzügen im Kommen, sowohl was die Anforderung als auch die Eingabe des Ziels betrifft.
Die großen Aufzugshersteller arbeiten an Lösungen mit Smartphone-Apps als Schlüssel, teils noch mithilfe von QR-Codes, die den Standort des Fahrgastes an die App und schließlich an die Steuerung des Lifts weitergeben.
Luftreiniger gegen Aerosole
Da nach bisherigen Erkenntnissen mit dem Virus belastete Luft die Infektion in Form von Aerosolen forciert, steht die Reinigung der Raumluft ganz oben auf der Präventionsliste. Die Problematik ist besonders hoch an Orten, wo unterschiedliche Menschen in kurzen Abständen aufeinandertreffen und kein ausreichender Luftwechsel stattfindet – etwa in der Gastronomie, in Klassen- oder Meetingräumen, in Hotels oder Arztpraxen.
Allerdings braucht es dafür Anlagen, die Viren sowie Bakterien zuverlässig eliminieren. Der Salacher Hersteller Apodis hat mit seinem ‚AirGuard‘ ein solches, allerdings recht voluminöses Gerät im Programm. Es arbeitet eher konventionell mit antimikrobiell ausgerüsteten Filtern auf Silberionen-Basis.
Reinigung erfolgt außerhalb des Geräts
Eleganter und kompakter zeigt sich ‚Synexis‘ des US-Herstellers Synexis LLC, gestaltet von der deutschen Designagentur Defortec. Als Wand- oder Standgerät saugt es die Raumluft lautlos an und leitet sie über ein Katalysatorgewebe, auf dessen Oberfläche unter UV-Licht Sauerstoff und Wasser aus der Luft zu winzigen Mengen an Wasserstoffperoxid reagieren (fünf bis 25 Wasserstoffperoxid-Moleküle pro einer Milliarde Luftmoleküle).
Das Wasserstoffperoxid zerstört dann in der Raumluft pathogene Keime und Viren, die Reinigung erfolgt nicht im, sondern außerhalb des Gerätes.
Persönliche Schutzausrüstung
Aerosole sind letztlich der Grund für Social Distancing – doch oft gelingt es aus Gewohnheit nicht, ausreichende Abstände zu den Mitmenschen einzuhalten, ein warnendes Tool wäre also hilfreich.
‚Safe Spacer‘ übernimmt diese Erinnerung automatisch, angekündigt vom italienischen Hersteller IK Multimedia soll sich das wie eine Smartwatch aussehende Gerät immer dann visuell, akustisch oder vibrierend melden, wenn der Abstand zu einem anderen Träger unter zwei Meter beträgt.
Gedacht ist das kleine Tool vor allem für den Einsatz in Unternehmen im Sinne einer persönlichen Schutzausrüstung. Auch das ist Coronadesign: Das Gehäuse lässt sich mit UV-Licht desinfizieren und ist auch als wasserdichte IP67-Version zu haben.
Absorbierende Raumelemente
Bieten sogenannte Alltagsmasken bekanntlich keine absolute Sicherheit vor den winzigen Viren, lässt sich das von den Masken des schweizerischen Unternehmens Livinguard nicht sagen. Von der RWTH Aachen geprüft, deaktiviert das Textilmaterial der Maske 99,9 % der Sars-CoV-2-Viren innerhalb weniger Stunden.
Die Viren werden zunächst vom positiv geladenen Gewebe absorbiert, dann zerstört die Ladung des Materials die negativ geladene Zellhülle der Erreger. Auch Handschuhe bietet der Hersteller – womöglich ließe sich das Textil auch für absorbierende Raumelemente nutzen.
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