Das Bad sei angekommen – hört man. Ja, wo denn eigentlich? Im Schlafzimmer, im Wohnzimmer, im Lebensraum? Nach Jahren der Konzeption als Wellness-Oase, als Spa, als Ort der Ruhe und Entspannung, als Rückzugsort für eine Auszeit vom Tag nun mitten hinein ins häusliche Leben? Wenn wir den aktuellen Bildwelten folgen, verschwimmen gewohnte räumliche Zuordnungen noch viel mehr. Die Motive der Hersteller zeigen großzügige Räume, wohnlich möbliert, den Blick ins Grüne gerichtet. Wunderbare Welten zum Leben, an Körperreinigung und Hygiene denkt man da erstmal nicht.
Ohne Grenzen: Das WC neben dem Bücherregal?
Mit etwas Distanz betrachtet, sehen die Angebote auf der ISH 2019 nach einer großen Suche aus. Viele Ansätze, viele Lösungen, die Entwicklung im Bad folgt der gesellschaftlichen Dynamik. Individualisierung steht im Vordergrund, Digitales wird – vermutlich – von den Kunden gewünscht. Alles ist möglich, alles ist machbar – da tut es die Bad- und Sanitärindustrie anderen Branchen gleich.
In Hotels löst die mitten im (Schlaf-)Raum plazierte Badwanne schon länger keine Überraschung mehr aus. Nun aber die Wanne im Wohnzimmer, das WC neben dem Bücherregal? Warum nicht, antworten die Messeinszenierungen der Hersteller, wenn doch die Designqualität für anspruchsvolles Ambiente taugt und die Hygienestandards immer höher geschraubt werden.
Neue Farben, neue Werkstoffe
In den Wohnräumen ist der Run auf Farbe schon länger zu beobachten, nun holt das Bad deutlich auf. „Endlich kann ich meine Farbkonzepte auch im Badzimmer realisieren. Die harten farblichen Brüche verschwinden dank neuer Farben bei Keramik und Armaturen“, sagt Gesa Hansen, Interior Designerin aus Paris.
Die Oberflächen der Armaturen erfreuen sich immer differenzierter Metallic-Nuancen und auch bunte Farbtöne wie aktuell Zartgrün, Hellrosa und Gelb sind (wieder) erlaubt. Stark im Fokus ist bei den Armaturen mattes Schwarz, gerne eingesetzt im direkten Kontrast zum Weiß. Bei den Keramiken – Waschtische und Wannen gleichermaßen – werden sanfte Naturfarben wie Braun, Beige- und Grautönen angeboten.
Deutlich wird, dass Farbe bzw. Farbwirkung immer auch mit der Materialität der Produkte verbunden sind. Beschichtungsverfahren wie PVD verändern die Anmutung von Farbigkeit und Material. Richtig punkten lässt sich mit neuen Werkstoffen wie Christalmod bei Antoniolupi. Transluzent schimmern die Farben, so lösen sich Formen im Licht auf.
Innovative Impulse für den Umweltschutz
Wünschenswert wären mehr innovative Ideen wie die Serie „rgb“ (Burgbad) von Stefan Diez, die Glas in kräftigen Grundfarben (Rot, Grün, Blau) einsetzt und als Möbelsystem universell – auch jenseits des Badezimmers – eingesetzt werden kann.
Mit „save!“, einem sogenannten Trenn-WC, hat das Wiener Designbüro EOOS mit Laufen eine innovative Produktkategorie eingeführt, die den Umgang mit menschlichen Ausscheidungen vor dem Hintergrund der damit verbundenen, höchst problematischen Umweltbelastung neu behandelt. Hier wird deutlich, dass Innovationen nur durch das Verlassen bzw. die konsequente Hinterfragung bestehender Systeme erreicht werden können.
Als andersartige (Kultur-)Technik sind die Washlets hierzulande weiterhin nicht in der Breite angekommen. Zum einen wohl, weil die Dusch-WCs immer noch technisch erklärungsbedürftige und in der Anwendung ungewohnte Produkte sind. Zum anderen, weil die Preise deutlich über denen herkömmlicher WCs liegen.
Führende Hersteller wie Toto freuen sich zwar über eine steigende Verbreitung auch in Europa, vor allem im Hotel- und Objektbereich, schweigen sich aber über konkrete Zahlen und einen Anteil am Gesamtmarkt aus.
Digitalisierung erlaubt neue Nutzungen
Kaum verwunderlich sind die digitalen Entwicklungsbemühungen der Branche. Nachvollziehbar und praktisch anwendbar bei den täglichen Routinen im Bad sind die Steuerung von Duschszenen mit unterschiedlichen Strahlarten, Beleuchtung und Duft. Auch Musik kann per App mit dem Duscherlebnis verknüpft werden.
Interessant ist der Ansatz, den Planungs-, Installations- und Wartungsprozess zu digitalisieren. Hier reichen die auf der ISH vorgestellten Lösungen von recht einfachen Apps, die den Zustand eines Installationssystems erfassen und übersichtlich darstellen, zu komplexen Lösungen, die in Richtung Smart Home und Internet of Things (IoT) zielen.
VR/AR versprechen Mehrwert für Architekten, Handwerker und Bauherren
Über Applikationen mit Virtual Reality- und Augmented Reality-Technik lassen sich Badezimmer atmosphärisch und auch im Detail planen. Hier wachsen die Darstellungsqualität und die Planungsfeatures kontinuierlich. Vornehmlich für den Objektbereich ist die Bereitstellung und Aufbereitung von BIM-Daten interessant. Beispielsweise können wie bei Kaldewei als Prototyp zu sehen Installationsdaten unterschiedlicher Gewerke per VR/AR-App direkt in den (virtuellen) Raum projiziert werden.
Von der Planung bis zur Wartung könnten die Daten so für Architekten, Planer, Handwerker verfügbar gemacht werden. Viele Fragen wie zu Formen der Speicherung, der Veränderbarkeit, der Verantwortlichkeit, der Sicherheit und einiges mehr scheinen aber noch unbeantwortet.
Fazit zur ISH 2019
– Die Farbe kehrt zurück ins Bad. Schwarz wetteifert mit bunten Farbtönen.
– Veredelte Oberflächen schaffen neue Looks.
– Neue Konzepte wie das Trenn-WC geben wichtige Impulse.
Ausblick
Der Trend setzt sich fort: Das Bad wird wohnlicher und immer mehr zum Lebensraum. Angesagt ist, was gefällt: das Spiel mit Kontrasten, der Mut zur Farbe sowie der Einsatz von neuen Materialien und hochwertige Oberflächen. Die Digitalisierung der Produkte schreitet voran, muß aber ihren Mehrwert noch beweisen.
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