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Suche nach neuen Grenzen

London Design Festival
Suche nach neuen Grenzen

Design und Eventkultur stecken in einer unglücklichen Liaison. Statt Inspiration gibt es Getümmel, da macht das London Design Festival keine Ausnahme. Nur mit Geduld lassen sich jenseits des lauten Mainstreams vielversprechende Experimente entdecken.

Text: Jörg Zimmermann

Wenn die Anzahl der weltweit veranstalteten Designfestivals als Maßstab für die Bedeutung des Fachs gelten könnte, wäre es um das Design wohl bestens bestellt. Von Tokyo bis Istanbul, von Kapstadt bis Helsinki, von Seattle bis Belgrad – die Liste der Events ist ellenlang und wächst doch weiter Jahr um Jahr. Kaum ein Land mit industriellen Ressourcen und gestalterischem Anspruch scheint auf ein paar Tage im Namen des Designs verzichten zu wollen. “Me too” ist das Konzept der Wahl, Dabeisein im internationalen Designzirkus reicht als treibende Kraft. Direktoren, Kuratoren, Openings, alles am laufenden Band. Quantität scheint den Kampf mit der Qualität auch hier zu gewinnen. Mehr Aussteller, mehr Fläche, mehr Programm. In den Veranstaltungen mit dem Label Design ist oft vor allem Event drin. Und da hört der Spaß dann alsbald auf. Jenseits des Community-Feelings lassen sich bei den einzelnen Veranstaltungen nur schwerlich wirklich bemerkenswerte programmatische Unterschiede ausmachen. Gerade die großen Veranstaltungen tun sich offensichtlich besonders schwer. Am ehesten mit der Power für ein starkes Statement ausgestattet, bleiben die Events in den internationalen Großstädten doch hinter ihren Möglichkeiten zurück. Vielleicht muss man beispielsweise das London Design Festival (LDF) aber auch nur anders lesen. Als Spiegel für den Zustand dieser Metropole, als Seismograf für das Design und die Szene darüber hinaus. Und dann die vollmundigen Versprechen ignorieren, sich ins unüberschaubare Ausstellungsgetümmel stürzen und mit Neugier und Geduld analysieren, was dort ist.
Die Beschäftigung mit handwerklicher Qualität beispielsweise. Der Trend zu handgefertigten Produkten scheint ungebrochen. “Hand-crafted” steht “manufactured” gegenüber, das gilt für Möbel und Leuchten, wie auch für Tableware und Accessoires. Eine Spur, der auch ‚The New Craftsmen‘ folgt. Das britische Unternehmen sieht sich als Vermittler zwischen hochqualifizierten Handwerkern, Designern und qualitätsbewussten Kunden und dabei gleichzeitig als Bewahrer und Förderer alter Handwerkstechniken und -traditionen. Landestypische Verarbeitungsmethoden treffen auf zeitgenössisches Design und frische Ideen, die neue Formen und Produkte generieren. Die ‚Brodgar Bench‘ (Gareth Neal, Kevin Gauld) bleibt auch mit einem Rücken aus Haferstroh eine Bank, doch wirkt sie erfrischend natürlich und unverbraucht. Eine einfach wirkende Konstruktion aus Eichenholz und Leder macht den ‚Dram Chair‘ (Gareth Neal) zu einem klaren Statement. Dieser Sessel versucht nicht wohnlich oder multifunktional zu sein, sondern gibt sich wie ein individuelles Lieblingsstück, in dem sich das Schlückchen Whiskey Tag für Tag entspannter genießen lässt.
Handwerk und Technologie
Gedanklich schließt hier das Projekt ‚The Wish List‘ an. Paul Smith, Norman Foster, John Pawson, Zaha Hadid, Alison Brooks und noch ein paar Freunde mehr hat Initiator Terence Coran für dieses Projekt versammelt. Die Eingeladenen haben mit hoch qualifizierten Spezialisten, Handwerkern, an unerfüllten Produktwünschen für das eigene Heim gearbeitet. Einzige Vorgabe: Alle Ergebnisse mussten aus amerikanischen Harthölzern gefertigt sein. Nathalie de Leval entwickelte für Modedesigner Paul Smith ein Gartenhaus mit einer Giebelwand vollständig aus Glas. Ein Rotationslager unter dem Haus ermöglicht per Hand die Ausrichtung nach dem Sonnenstand. Für Zaha Hadid konstruierte Gareth Neal skulpturale Holzvasen, die aufwendig per CNC-Fräsung gefertigt mit der Wahrnehmung und Einordnung von Handwerk und handgemacht spielen.
Extraordinäres Design in limitierter Version – ein anderes Prinzip, das sich in London dank der Kaufkraft der internationalen Klientel besonders zuhause fühlt. In außergewöhnlicher Dichte zeigt eine erstaunliche Anzahl von Galerien zeitgenössisches Design in kleinen Editionen, Sammlerstücke. Galerien wie Libby Sellers, Kreo und Carpenters Workshop Gallery treiben die Entwicklung voran. Sie ermöglichen Designern, persönlichen Fragestellungen und gestalterischen Experimenten nachzugehen. Wie Peter Marigold, der bei Libby Sellers seine Serie ‚Wooden Tables‘ präsentierte. Bereits seit 2011 arbeitet der Londoner an einer Abformtechnik, die Oberfläche und Struktur von Holz auf eine flexible Form überträgt. Von dieser Form werden dann aus unterschiedlichen Materialien Abgüsse für die eigentlichen Objekte erstellt. Entscheidend ist für Marigold der Umgang mit dem Material. Die Objekte sind nicht aus Holz gefertigt, sondern entstehen unter der Nutzung von Holz im Prozess, dessen Spuren in den Stücken lediglich sichtbar bleiben. Die Materialität spielt auch bei Lee Broom eine Rolle. ‚Nouveau Rebel‘ hat der Brite seine zum LDF präsentierte Kollektion mit Objekten aus Carrara-Marmor getauft. Für die Leuchte ‚Tube‘ wird ein dünnwandiger Zylinder aus Marmor gefräst. Der im Inneren platzierte LED-Streifen lässt die Form sanft schimmern. Die wechselnde Maserung des Marmors macht jede Leuchte zum Einzelstück. Unter Verwendung modernster Verarbeitungstechnologie entsteht aus einem traditionellen Material eine außergewöhnliche Re-Interpretation einer herkömmlichen Leuchtstoffröhrenleuchte. Es sind die Präsentationen solch unerwarteter Experimente aus Technologie, Handwerk und Material, die das Interesse an Festivals wie das LDF wach halten. Sie fragen nach den Grenzen von Design, ganz selbstverständlich selbstbewusst. Doch ein Eventprogramm braucht es für diese Versuche wahrlich nicht.
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