Firmen im Artikel
Aus aktuellem Anlass drängt sich die Frage auf, inwieweit die SARS-CoV-2-Pandemie nachhaltig die Art zu arbeiten und die Flächenplanung für Bürowelten verändern wird. Gerade hat sich der Trend zu den großen und vielfältigen Flächen etabliert und schon hört man erste Stimmen, die vom Ende des Großraums sprechen. Dabei werden Innovationsflächen immer wichtiger.
Das muss nicht so kommen. Aktuell werden aufgrund der Pandemie mehr Screens – vorzugsweise aus Plexiglas – und Trennwände als Infektionsschutz eingebaut. Daraus ergibt sich nicht notwendigerweise eine Gegenbewegung zum Open Space beziehungsweise Multi Space.
Infektionsschutz
In naher Zukunft wird es weiterhin in erster Linie um Infektionsschutz und Abstand gehen. Will man mit einer größeren Zahl von Büroarbeitern den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 16. April 2020 umsetzen, helfen gerade größere Flächen, bei gleichzeitig in „Schichtarbeit“ aufgeteilten Teams, die geforderten Distanzregeln einzuhalten.
Als weitere Maßnahme dient die Re-Konfiguration der bestehenden Möblierung, etwa das Rücken-an-Rücken-Anordnen von Arbeitsplätzen.
Der Einbau zusätzlicher Schutzmaterialien wie Screens, Plexiglastrennungen und Desinfektionsmittelspender ergänzen das Portfolio ebenso wie individuelle Verhaltens- und Hygienevorschriften für die Belegschaft – etwa die Maskenpflicht.
Innovationsflächen
Räumliche Trennungen sind gleichfalls Realität. Das zeigen die von vielen Firmen aktuell als Ad-hoc-Lösungen eingeführten Umzüge ins Homeoffice als erste, schnelle und womöglich auch langfristige Lösung für den Gesundheitsschutz.
Andere mieten externe Flächen an, um die Funktionsfähigkeit des Unternehmens durch räumlich getrennte, redundante Teams zu sichern. Coworking-Angebote ergänzen die bereits eingeführten „Lab-Situationen“.
Und noch aus einem anderen Grund entstehen freie Flächen, die es ermöglichen, die in naher Zukunft weiterhin notwendigen Abstandsvorgaben einzuhalten. Durch die digital bedingten Veränderungen entfällt die Notwendigkeit persönlich zugeordneter Arbeitsflächen und Stauräume. Somit entstehen auch Innovationsflächen.
Desk Sharing
Damit beschleunigt sich ein genereller Trend, der in vielen europäischen Ländern zu beobachten ist. Dort gibt es kaum noch Unternehmen, die für jeden einzelnen Mitarbeiter einen Arbeitsplatz vorhalten. Zum einen sind nicht immer alle anwesend, zum anderen werden sich die Arbeitsinhalte und Aufgaben durch die Digitalisierung künftig weiter verändern. So entfallen etwa Routineaufgaben nicht zuletzt durch den Einsatz künstlicher Intelligenz.
Durch die Digitalisierung sind immer mehr traditionelle Organisationsformen überlastet. Will man die Resilienz eines Unternehmens steigern, das heißt durch extreme Anpassungsfähigkeit und Flexibilität vor disruptiven Gefährdungen im Marktumfeld absichern, dann kommt man am Thema Agilität nicht vorbei.
Das Kernthema bei agilen Arbeitsmethoden besteht darin, den Betrieb nicht länger als steife, fixierte Organisation zu sehen, sondern als lebenden Organismus. Die schnelle Anpassungs- und Veränderungsfähigkeit erfordert eine interdisziplinäre Vernetzung der Mitarbeiter.
Erfolgreiche Meeting-Formate
Standardisierte Arbeitsweisen wie Scrum oder Design Thinking als nachweislich erfolgreiche Meeting-Formate unterstützen das. Damit verbunden ist das Ziel, die Kreativität jedes Mitarbeiters zu fördern und Innovationspotenziale abteilungsübergreifend freizusetzen.
Kreativität kann nur durch neue Denkmuster entstehen. Das erfordert die Vernetzung aller möglichen Areale unseres Gehirns. Beschäftige ich mich mit einer bestimmten Aufgabe, kreisen meine Gedanken in der Regel immer um das gleiche Problem.
Das ist der Grund, warum sich in den vergangenen Jahren der wachsenden Digitalisierung völlig neue Bürowelten inklusive Innovationsflächen entwickelt haben. Im Kern geht es um vielfältige Flächenangebote mit geringerer Anzahl persönlich zugeordneter Arbeitsplätze zugunsten inspirierender Kollaborationsflächen, auf denen die Kreativität aller Beteiligten gefördert werden kann.
Activity Based Working
In der Bürowirtschaft heißt das „Activity Based Working“ und meint, dass wir je nach Aufgabe entscheiden, wer mit wem zusammen an welchem Ort arbeitet.
Der Einsatz digitaler Tools und Arbeitsmethoden erfordert gleichfalls dafür geeignete Räumlichkeiten mit passendem, individuellem Mobiliar.
Zurück zur aktuellen Entwicklung in Corona-Zeiten. Durch die Pandemie-bedingten Veränderungen bleiben manche kreativen Entwicklungen im Ansatz stecken, befürchtet etwa Stefan Rief, Leiter des Forschungsbereichs Organisationsentwicklung und Arbeitsgestaltung am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation.
Erzwungene Homeoffice-Aufenthalte
Durch die erzwungenen Homeoffice-Aufenthalte und die Arbeit in zeitlich und örtlich gesplitteten Teams bestünden alte Inspirationsansätze fort. Es fehle das ungeplante, spontane Zusammentreffen, das zu mehr Kreativität führe.
Gleichzeitig eröffnet die Coronabedingte Situation vielerorts die Chance, Silos beziehungsweise Abteilungen aufzulösen, die früher auch noch durch Mauern verfestigt waren. In solchen traditionellen, restriktiven Räumen ist es fast unmöglich, interdisziplinäre Kreativität zu fördern und somit Innovationen zu entwickeln.
Silos durchbrechen
Rief meint dazu: „Wenn wir jetzt seltener ins Büro kommen und uns dann auch noch einen Platz suchen müssen, finden wir irgendwo einen. Dort treffen wir auf Kollegen aus anderen Teams und Abteilungen. Das durchbricht Silos und Büros können sich zu Innovationslabors entwickeln.“
Die informelle Kommunikation findet künftig vor allem in Kollaborationszonen, offenen Küchenbereichen und Lounge Areas statt. Das können ebenfalls Innovationsflächen sein.
Aktuelle Umfragen ergeben, dass die Mehrzahl der Mitarbeiter zumindest zeitweise im Homeoffice arbeiten möchte, aber auf keinen Fall den realen, direkten Kontakt zu den Kollegen verlieren will, um sich weiterhin austauschen zu können.
Gleichzeitig sind im Zuge vielfältiger Flächenangebote im Multi Space auch zunehmend strukturierte Rückzugsräume gefragt, zum Beispiel um Video- und Telefonkonferenzen zu führen. Doch auch hier gilt: Es bedarf physischer Treffen für den innovationsfördernden Austausch.
Kreativitätsprozesse
Kreativität wird inzwischen von fast allen Mitarbeitern erwartet. Denn Kreativität und innovative, schnell umsetzbare Ideen entscheiden heute über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens. Die richtige Idee zur richtigen Zeit und am richtigen Ort zu haben, hat schon so manches Start-up zum disruptiven Wirbelsturm für ganze Branchen werden lassen. Innovationsflächen tragen dazu bei.
Unter diesen veränderten Bedingungen lassen sich Kreativitätsprozesse durch diverse Techniken wie dem „Collective Notebook“ unterstützen. Damit werden die kreativen Prozesse über die Grenzen des eigentlichen Büroumfeldes auf die sogenannten Third Places wie Lounges, Cafeteria-Zonen und Homeoffices erweitert.
Demnach gibt es nicht ein Büroumfeld, sondern individuelle, auf die Firmenkultur und Beschäftigten zugeschnittene Layouts. Die Themen Homeoffice und Coworking rücken nachhaltig in den Fokus vieler Unternehmen, die vor der Pandemie noch der Meinung waren, dass diese Form der Arbeit ja nur „für die Anderen“ funktionieren könne.
Projekt für eine agile Arbeitswelt auf md-mag.com