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Stresstest: Nachhaltigkeit in der Innenarchitektur

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Stresstest: Nachhaltigkeit in der Innenarchitektur

Stresstest: Nachhaltigkeit in der Innenarchitektur
Die sozialästhetische Studie von 1992 ist wieder hochaktuell: Räume können Partner sein. Ein Leben lang. Buchtitel: Verlag C. J. Bucher, Quelle: Amazon
Was bedeutet Nachhaltigkeit in der Innenarchitektur? Gebäude für die Ewigkeit? Räume für ein halbes Leben? Oder ist es nicht eher ein persönliches Interior mit menschlichem Maß?

Autor Rudolf Schricker

Sinn allen Gestaltens ist sicher nicht, Stress zu verursachen oder krank zu machen. Weder Gestalter noch Profiteure oder Leidtragende von Gestaltung können mit schnellen und schrillen Effekten etwas anfangen. Räume des „Innehaltens“ wären notwendig.

Nachhalt von Gebäuden ist offensichtlich etwas anderes als Nachhalt von Innenräumen. Während Architektur sich zunehmend als naturverträglich zu rechtfertigen versucht, wird Innenarchitektur verstärkt nach Kriterien der Menschenverträglichkeit interpretiert. Menschen sind räumliche Wesen; Räume begleiten Menschen ein Leben lang. Menschen und Räume leben in Koexistenz. Wer Räume gestaltet, nimmt Einfluss auf das Leben von Menschen, dauerhaft.

Natürlich sind Architekten auch Innenarchitekten, solange Technik, Konstruktion, Ästhetik und Theorie fast ausschließlich die Sinnhaftigkeit eines Berufes definieren. Das Vokabular von Innen- und Außenarchitekten ist austauschbar, zumindest vom Selbstverständnis her.

Vordergründig scheint im „Stresstest“ Innenarchitektur eine Differenzierung zwischen außen und innen auch weiterhin nicht erstrebenswert, solange verallgemeinernde und gleichmachende Handlungsprinzipien zur Ressourcenschonung bei Wahrung physikalischer Eigenschaften, als reine „Aufrechnung Ökologie – Ökonomie“ verwendeter Materialien und Techniken verstanden wird.

Der Stress in der Innenarchitektur nimmt zu, sobald Kriterien außerhalb des Ausbildungskanons eines Architekturstudiums Raum greifen.

In die Zukunft gedacht: Welche Räume fördern frühkindliche Entwicklung? Wie können Räume in Schulen den Spaß am Lernen oder Lehren wieder zurückbringen? In welchen Räumen für Arbeit sind konzentrierte Höchstleistungen zu erwarten? Wie müssen Räume beschaffen sein, damit sie Gesundheit fördern? Wie drückt sich Menschenwürde im Altersheim räumlich aus? Empirische Forschung interdisziplinär und gemeinsam mit Innenarchitektur und Humanwissenschaft liefert gute Argumente, diesen Stresstest dauerhaft mit Erfolg zu bestehen; sie belegt, dass „lebendige“ Innenarchitektur dauerhaft nützt und dient.

Allein die zunehmende Emanzipation der Bauherren, sprich die Entwicklung vom ökonomischen zum ökologischen, sozialen und gesellschaftlichen Verantwortungsbewusstsein, erhöht sanft, jedoch spürbar den Druck auf Bauwirtschaft und Planung mit den richtigen Fragen: Welches Design und welche Raumgestaltung gibt Menschen „Nachhalt“ auch über den Tag des Erwerbs oder des Bezugs hinaus? Herbeiersehnte Leistungsphasen O (vorausschauende und interdisziplinäre Machbarkeitsstudien) und 10 (Nach- und Anwendungsbetreuung sowie Evaluierung) nach HOAI sind in der Innenarchitektur längst gelebte Wirklichkeit.

Nicht allein Mehrfachnutzung und Ressourcenschonung gelten als „nachhaltige“ Lösungen, vielmehr kommen die Faktoren „Zeit“ und „adaptierende Interpretation“ ins Spiel. Während die einen noch für Allgemeinheit und Ewigkeit bauen, konzipieren die anderen für Individuen, gleichsam auch für temporären und veränderbaren Aufenthalt.

Gebäude sind Manifeste gedachter Architektur; Räume Ausdruck darin lebender Menschen. Natürlich umfasst diese Differenzierung auch die Konzeption und die Planung und vor allem die Nachbetreuung realisierter „Räume“. Glaubwürdig wird dieser Anspruch jedoch erst, wenn die Kluft „innen – außen“ überwunden wird und sich von der rein baulichen und berechenbaren Kompetenzklammer löst und Menschen als lebendige Wesen begreift, die Schutz suchen, Ängste überwinden wollen, zum Ausdruck kommen möchten – im Raum. Das sind Herausforderungen genug für Raumgestalter.

Es geht um Räume, die Menschen mit Kopf und Seele tangieren, bedeutsam sind, spannend und entspannend wirken; Ausdruck und Spiegel menschlicher Lebensphasen.

Das Buch „Das deutsche Wohnzimmer“ von Manfred Sack und Herlinde Koelbl ist gewiss schon Antiquariat, dennoch als sozialästhetische Studie hochaktuell, zeigt es doch, wie mühsam Menschen im universellen Gestaltungsangebot von Bau und Design ihren persönlichen Ausdruck finden und entwickeln wollen, jedoch selten können.

Diejenigen, die „ihren Raum“ als Lebenspartner oder Therapieform gefunden haben – mit oder ohne professionelle Hilfe – scheinen damit genauso umzugehen wie mit Menschen und sich selbst. Stresstest offenbar bestanden.

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Rudolf Schricker

Der Kolumnist ist Professor an der Hochschule Coburg, Dipl.-Ing. Innenarchitekt BDIA, Planungsatelier Stuttgart und Coburg, did institut innenarchitektur+ design, Buchautor, Publizist, Gutachter.


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