Analog zur Wiederentdeckung des Innenraumes als Schutzmantel, Herberge und letzter Hort von Intimität und Vertrauen, geraten Hoffnungen, Emotionen und Leidenschaften in den bislang von Rationalität und Verallgemeinerung gekennzeichneten Entwurfsprozess. Planer-Events sind nach langjähriger Entwicklungsarbeit gerade en vogue.
So, als müsse Architektur verloren gegangenes Terrain zurückgewinnen, jetzt also der „Planer zum Anfassen“; „sind doch auch nur Menschen!“; und so werden zwischen Lachshäppchen und Saxophonklängen nach wie vor Werkberichte und intellektuelle Diskussionen vom Zaun gebrochen, die vorgeben, bedeutsame Gedanken zum Thema „Entwerfen und Planen“ zu entwickeln.
Ernüchterung folgt wie nach jedem Rausch. Zeit- und Kostenpläne werden nach wie vor nicht eingehalten. Quantitative Größen sind selten frei von Fehlern; Technikkompetenz hat sehr gelitten; „Building made in Germany?“; zunehmende Komplexität muss herhalten, um konstruktive Defizite zu erklären. Unsicherheit hinten und vorne.
Haben Sie schon einmal in einem Kunstwerk gelebt?
„Weglassen“ scheint nicht nur ein bewährtes Prinzip minimalistischer Gestaltungsauffassung zu sein, es erfordert vor allem keine Rücksichtnahme auf spätere Nutzer und Menschen, die mit diesen intellektuellen Konzepten über den Tag hinaus klarkommen müssen. Verantwortungsbewusstsein in der Gestaltung beinhaltet ganz sicher auch Feedback-Gedanken und aufmerksames Beobachten von Architektur-, Raum- und Produktnutzern in den Jahren nach Fertigstellung.
Eigentlich sollte über den „Wert“ guter Gestaltung erst nach einer gewissen Bewährungszeit diskutiert werden, sozusagen mit der jahrelang gemachten Erfahrung betroffener Menschen.
Wer Welten entwirft, sollte diese Frage nach „Kunst“ oder „Dienstleistung“ für sich ehrlich beantworten, bevor er Menschen zu ihrem Glück zwingt und sie alternativlos in diesen entworfenen Welten sich selber überlässt. Wer je in einem Kunstwerk leben musste, weiß, wie rasch Kompromisslosigkeit und Dogmen zu Depression und Selbstaufgabe führen können.
Innenarchitekten sollten sich in Demut üben
Verantwortung zu übernehmen, auch für die Zeit nach Fertigstellung oder Markteinführung, erfordert wesentlich mehr als das Abhaken quantitativer Kenngrößen. Will Gestaltung nicht nur richtig und schön werden, gleichsam und zudem als „gut“ umschrieben werden, sind andere Qualitätskriterien erforderlich, die mehr mit Akzeptanz, Identifikation und individuellem Bedeutungsgewinn zu tun haben. Dieser in letzter Zeit überstrapazierte Begriff „Nachhaltigkeit“ umfasst bislang allzu sehr nur berechenbare Kenngrößen und Allgemeingültigkeit. Einfache und gemeine Formeln erzeugen jedoch meist nur Monotonie und Stumpfsinn.
Zeit der Dämmerung scheint anzubrechen; Arroganz und Überheblichkeit helfen offenbar nicht mehr. Vor fast hundert Jahren war Frank Lloyd Wright wenigsten ehrlich und bekannte „Schon früh in meinem Leben musste ich mich zwischen ehrlicher Arroganz und scheinheiliger Demut entscheiden. Ich entschied mich für die Arroganz“. Heutzutage flüchten sich viele in Ironie (hier sei Wilhelm Kückers „Das Ego des Architekten“ aus dem Jahr 2010 zur Lektüre zu empfehlen) oder in Ignoranz, selten in Demut.
Nicht die Sorgen der Innenarchitekten
Es soll hier aber auch kein Ressentiment angeführt werden; im Gegenteil. Kein Grund zur Schadenfreude. Innenarchitekten haben sich selten bis nie in Hemisphären der „großen“ Architektur bewegt. Architektursorgen sind meist keine Innenarchitektursorgen. Innenarchitektur ist kleiner, bescheidener, intimer, persönlicher und scheut damit auch das Gezerre im Rampenlicht. Anders als die große Bühne „Architektur“, auf der es stets um Grundsätzliches und Fundamentales geht, wird im Kammertheater „Innenarchitektur“ mehr individuelles Schicksal, persönlicher Erkenntnisgewinn und Mehrwert im Kleinen gespielt.
In der Planung wieder „mehr Zuversicht wagen“; sich darauf konzentrieren, wonach eine gestalterische Idee immer Wirkung zeigt und Bedeutung gewinnt für Menschen – später; lange nachdem der Planer aus der Verantwortung scheint. Ermutigende Gestaltung ist nachhaltig, weil sie Konsequenzen kalkuliert und den Umgang damit simuliert. In unsicheren Zeiten ist Mut machendes Design lebenswichtig.
Dem Prinzip guter Gestaltung ist der Anspruch, den Menschen Angst zu nehmen und Zuversicht zu geben, in die Wiege gelegt. Alle verantwortungsbewussten Gestalter und Planer, die sich mit Menschen in Räumen beschäftigen, sind Mutmacher und Personal Trainer in Sachen Healing Environment. Innenarchitektur heute ist integrativ und interdisziplinär … und sie gibt Sicherheit.
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Rudolf Schricker
Kolumnist
ist Professor an der Hochschule Coburg, Dipl.-Ing. Innenarchitekt BDIA, Planungsatelier Stuttgart und Coburg, did institut innenarchitektur+ design, Buchautor, Publizist, Gutachter.
Spot on Interior
Providing security
Interior spaces are rediscovered as a protective sheath, shelter and last refuge of intimacy and trust, and something similar happens with hopes, emotions and passions that are blundering into a design process which has up to now been characterized by rationality and generalization. After long-term development work, planner events are currently en vogue. It’s as if architecture had to regain lost territory, and so slogans crop up like “the approachable planner” or “they are only human beings just like us“. Surrounded by salmon canapés and grooving saxophones, work reports and intellectual discussions are still being unleashed, pretending to develop meaningful thoughts on the subject of “designing and planning”.
Disillusionment will follow as soon as the state of euphoria has passed. Time and cost plans will still not be kept. Quantitative sizes will rarely be faultless; technological competence has suffered greatly; “Building made in Germany?”; an increasing complexity must serve to explain constructive deficits. Uncertainties all over the place.
Columnist Rudolf Schricker
is a professor at Coburg University, Dipl. Ing. Interior designer BDIA, planning studios in Stuttgart and Coburg, did institut innenarchitektur+ design, author of books, publicist, expert appraiser.