Seit beinahe einem Jahr prägt das Coronavirus weltweit Leben und Arbeiten, von einer Pandemie ist in Deutschland seit März 2020 die Rede. Wir wollten zum Thema Coronakrise und Innenarchitekten mehr wissen.
Wie hat sich Covid-19 seitdem auf die berufliche Situation von Innenarchitekten und Designern ausgewirkt? Lassen sich aus der Krise heraus vielleicht sogar neue Geschäftsfelder erschließen?
Unterschiedliche Erfahrungen
„Vor allem Aufträge aus den Branchen Hotellerie, Gastronomie, Messebau und Retail sind entweder stark zurückgegangen oder wurden storniert beziehungsweise bis auf Weiteres auf Eis gelegt“, berichtet Pia A. Döll, Präsidentin des bdia.
Aufwind bringen private Auftraggeber. Innenarchitekten und Designer machen derzeit – auch abhängig von der Struktur und Größe ihrer Büros – höchst unterschiedliche Erfahrungen.
Positive Signale
Peter Joehnk zum Thema Coronakrise und Innenarchitekten: Der Geschäftsführer von JOI-Design aus Hamburg musste fast ein Drittel der Kollegen entlassen und den Rest der Belegschaft in Kurzarbeit schicken.
Er begründet das so: „Da wir uns auf die Hotellerie konzentriert haben, merken wir die Auswirkungen von Covid-19 natürlich stark.“ Laufende, vor der Pandemie gestartete Projekte, wie die Planung der neuen Europazentrale von Olympus, gingen „nach einer kurzen Schockstarre“ weiter. „Sogar aus der Kreuzfahrtbranche kommen langsam wieder positive Signale“, berichtet Joehnk.
Antizyklisches Vorgehen
Unternehmen mit internationalen Standorten scheinen in der Krise einen Vorteil zu haben, wie das Beispiel Ippolito Fleitz zeigt.
Geschäftsführer Peter Ippolito zum Thema Coronakrise und Innenarchitekten: „In den deutschen Studios ist wenig weggebrochen und das Büro in Shanghai „boomt regelrecht“. Somit sehe er sich in seinem bisherigen Konzept, national wie international zu arbeiten, bestätigt. Des Weiteren konzentriert sich sein Unternehmen antizyklisch zurzeit verstärkt auf den Bereich Hospitality, um neue Kunden zu gewinnen.
Arbeiten auf Entfernung
Auch Atelier Brückner aus Stuttgart hat mit seinem Büro in Seoul einen Standort in Asien.
Shirin Brückner zum Thema Coronakrise und Innenarchitekten: „Durch internationale Projekte und ein weltweites Netzwerk sind wir gewohnt, in Teams auch über große Entfernung hinweg zu arbeiten“, betont die Geschäftsführerin des Atelier Brückner. In Zeiten der Krise sei das sicher von Vorteil. Die Hauptherausforderung liege momentan in der Koordination auf den Baustellen.
Spannende Spielfelder
Für den Designer Werner Aisslinger ergeben sich derzeit vermehrt Projekte in der Architektur und von Immobilieninvestoren für Co-Living und Micro-Living. Das gelte ebenfalls für „die Umnutzung von Kaufhäusern und Malls oder Kinokomplexen hin zu experience-, freizeit- und sportorientierten Formaten. Die geraten zu spannenden Spielfeldern.“
Darüber hinaus entwickelt der Designer einen Webshop für seine Produkte und Editionen. Denn im Produktdesign geht es für sein Studio so gut weiter wie vor der Pandemie. Und seit einigen Wochen gibt es wieder „viele neue Projektanfragen“. Aus beiden Gründen hat er die Kurzarbeit bereits reduziert.
Instabile und stabile Branchen
Monika Slomski zum Thema Coronakrise und Innenarchitekten: „Ich bin mir noch nicht klar darüber, wo die Reise wirtschaftlich bei meinen Auftraggebern hingeht. In den Bereichen Messe und Office sind Aufträge weggebrochen, nur bei der Planung von Arztpraxen stellt sie keine Veränderungen fest.
Dennoch ist die Innenarchitektin zuversichtlich, dass sich durch gute Kontakte sowie ihre langjährige Erfahrung und Berufspraxis die Auftragslage bald wieder bessert.
Beim Ausblick in die Zukunft zeigen sich alle Befragten optimistisch.
Begleiter von Veränderungsprozessen
Ippolito sieht sich generell als „Begleiter unserer Kunden in Veränderungsprozessen“. Schließlich finde Veränderung immer statt, momentan nur schneller.
Slomski betont, dass Innenarchitekten in den Sparten Office, Health und Privatsektor „mit ihrem Planungs-Know-how gezielt auf die Herausforderungen durch die Pandemie eingehen“ können.
Möglichkeiten für kluge Gestaltung
Pia A. Döll ergänzt, dass die Abstandsregeln am Arbeitsplatz, in Kinos oder Restaurants „neue Möglichkeiten für kluge Gestaltung“ eröffnen.
Zudem zitiert sie einen Vierpunkteplan der Bundesarchitektenkammer und der Bundesstiftung Baukultur, wonach die Planungs- und Bauwirtschaft eine „konjunkturelle Lokomotivfunktion“ übernehmen könne. Dadurch bleibe eine direkte und dauerhafte Wertschöpfung überwiegend in der Region und stärke damit vor allem kleine und mittlere Unternehmen.
Abstand planen
Wenn es um die derzeit geforderten Abstandsregeln geht, erkennt Ippolito noch genügend Gestaltungspotenzial. „Den Abstand kann man planen“, sagt er und spricht weiter davon, Raumteiler künftig bei der Planung gleich als „Virenschutzschilder“ mitzuentwickeln.
Auch sieht er „kontaktlose Toilettenspülungen und Öffnungsmechanismen bei Türen sowie berührungslose Eincheckmechanismen im Hotel verstärkt auf uns zukommen“.
Virtual Reality einbeziehen
Bei Ausstellungsgestaltungen sollten Coronamaßnahmen integriert und die digitale Verbreitung gleich mitgedacht werden, schlägt Shirin Brückner vor. Etwa in Form eines durch Virtual Reality erzeugten 360-Grad-Rundgangs.
Sie ist dafür, Ausstellungen für weniger Besucher zu konzipieren, „weg von der Massenveranstaltung“. Das ließe sich ergänzen durch neue Arten der Vermittlung wie kontaktlose Medienstationen, Augmented Reality und Audio Guides für private Abspielgeräte sowie eine gut durchdachte Belüftung der Räume.
Sie versteht darunter „weniger Touch“, stattdessen das verstärkte Ansprechen weiterer Sinne wie Hören, Riechen und Schmecken.
Neue Wohn-, Arbeits- und Lebensformen
Werner Aisslinger zeigt sich ebenso davon überzeugt, dass Profis aus dem Kreativbereich immer neue Formate und neue Lebens- oder Arbeitsformen mit entwickeln können, also im besten Fall zivilisatorische Verbesserungen.
„Dabei denke ich eher an neue Wohn-, Arbeits- und Lebensformen im Großen und weniger an das Design einer Plexiglastrennscheibe an der Supermarktkasse oder zwischen zwei Schreibtischen.“
Bund Deutscher Innenarchitekten (bdia)
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md-Designer Chat mit Christiane Maucher