Mehr als fünfzig Jahre ist es her, dass dieses Fahrzeug gefertigt wurde und doch ist es brandneu: Der Bulli, ein VW-Bus der Modellreihe T2A, lebt als Interior-Designstudie Ambienc3 wieder auf. Um die aktuellen Einsatzmöglichkeiten von Oberflächen vorzustellen, entschied sich der Hannoveraner Oberflächenspezialist Continental für das Exemplar aus dem Jahr 1971. Der Sympathieträger von einst dient als Basis für die Studie Ambienc3.
Bedienelemente nach Bedarf
Als Ambienc3 erhielt der T2 auf dem Weg des Upcyclings ein völlig neues Innenleben. Das präsentiert sich als schick, robust und leicht, eine Kombination, die durch Gewichtseinsparung bereits in Richtung Nachhaltigkeit weist. „Leichte Oberflächen helfen, Fahrzeuggewicht einzusparen. Das senkt den Energieverbrauch, damit auch CO2-Emissionen und erhöht die Reichweite von Elektrofahrzeugen“, betont Ralf Imbery, Leiter Innovation, Transformation und Design bei den Oberflächenexperten von Continental. Boden, Wände und Decken, Sitze, Liegen und Tische sind mit neuartigen Materialien des niedersächsischen Herstellers ausgestattet, abgestimmt und aus einem Guss gestaltet.
Dabei geht es weniger um konkrete Formen – die werden Hersteller künftig im Gewand ihrer jeweiligen Marke interpretieren – sondern um die Verbindung von Technik und Design, um Oberfläche und Innovation.
Zu den Herausforderungen der Autoindustrie zählt es, neue Typologien und Materialien zu finden, die zum Beispiel Leder als ästhetischen Status der Kfz-Oberklasse ablösen könnten. Als Alternative bieten sich die mit technischen Aufgaben verknüpften ‚Skai‘-Materialien von Continental an, die es in unterschiedlichen Narbungen und Einsatzoptionen gibt. Das veranlasst Imbery zu der Aussage: „Mit unserer Studie Ambienc3 verbinden wir eine global bekannte Auto-Ikone mit neuen, aufregenden Oberflächen und wegweisenden Technologien der Zukunft.“
Dabei vereint Ambienc3 verschiedene Innovationsfelder, die zeigen, welche Rolle Oberflächen im Innenraum des Kfz künftig spielen könnten. Das Demonstrationsobjekt veranschaulicht: Nichts ist mehr, was es zu sein scheint. So sind Kunststoffe in Holzoptik auch auf dem Armaturenbrett nutzbar. Sie integrieren Schalter oder Airbags und lassen sich hinterleuchten. So treiben etwa Seitenverkleidungen, weil sie aus bedruckten Kunststoffmaterialien bestehen, oder ein Himmel aus Marmoroptik das Fahrzeuggewicht nicht in die Höhe.
Selbst bei den Bedienelementen übernehmen Oberflächen künftig entscheidende Aufgaben. Im T2 versah VW erstmals 1971 die Kunststoffknöpfe mit aufgeprägten Symbolen, die die Funktion erklärten. Jetzt kommt im Ambienc3 die sogenannte ‚Shy Technology‘ zum Einsatz, die Bedienelemente unsichtbar macht, bis sie benötigt werden.
Elektrochromatische Fenster
Die „schüchterne Technik“ lässt Schalter unsichtbar unter der homogenen Oberfläche verborgen, bis sich ihnen eine Hand nähert. Beim Hersteller nennt man das ‚Morphing Controls‘. Dazu sind entsprechend ausgestattete Materialien nötig, die reversibel dehnbar sind und eine präzise Durchleuchtung ermöglichen, um Tastensymbole und Displayinhalte anzuzeigen. So sind im ‚Ambienc3‘-Bulli beispielsweise hinterleuchtete Tasten im Einsatz.
Funktionaler Druck, ein weiteres Betätigungsfeld der Hannoveraner, übernimmt im Ambienc3 besondere Aufgaben. Angesteuert durch eine Smartphone-App werden die elektrochromatischen Fenster wahlweise hell oder dunkel, sind klar oder schützen vor Blicken von außen. Diesen Effekt erzeugen spezielle, mit einer leit- und streichfähigen Polymermischung bedruckte Folien mit angelegter Spannung. Mit einer ähnlichen Technik erhalten Bezugsstoffe eine gedruckte Heizlösung, die sich binnen Sekunden erwärmen lässt.
Dass im Ambienc3 darüber hinaus Materialien eingebaut wurden, die kaum Schmutz annehmen, besonders abriebfest sind oder sich bei Beschädigung selbst heilen können, verwundert kaum. Um unterschiedliche Licht- und Klangkonzepte zu realisieren, kommt die Continental-Technik ‚Ac2ated Sound‘ zum Einsatz, in Kooperation mit Sennheiser perfektioniert: Aktuatoren erzeugen Schall, der sich im Auto nach dem Vorbild von Streichinstrumenten verbreitet.
Bestimmte Oberflächen geraten dabei in Schwingung, Teile des Fahrzeugs zum Resonanzkörper – und das ganz ohne Lautsprecher.
Viele der eingesetzten Kunststoffmaterialien reduzieren das Gewicht von Komponenten im Auto und entfalten so eine unmittelbar nachhaltige Wirkung. An der Zusammensetzung der Kunststoffe arbeitet Continental beständig weiter. Schon jetzt weisen sie hohe Recyclinganteile auf. Etliche sind bereits emissionsfrei, verzichten auf Phthalate oder Lösemittel. Bis 2040, so erwartet es der gegenwärtige Vorstandsvorsitzende Nikolai Setzer, „möchte das Unternehmen in der Produktion kein CO2 mehr ausstoßen, bis Ende 2050 soll schließlich die gesamte Wertschöpfungskette Carbon-neutral sein“.
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