Inzwischen gibt es fast nichts mehr, was nicht schichtweise aufgebaut, gelasert oder gesintert werden könnte, von der Hochleistungsturbinenschaufel bis zum Ersatzteil, das schnell mal ausgedruckt wird, ohne dass gleich aufwendige Werkzeuge gefertigt werden müssen. Verändert sich damit auch die Rolle der Designer, wenn jeder alles fertigen kann, zumindest im Prinzip?
Lassen Sie mich etwas ausholen: Deutschland ist in Bewegung. Gemessen am Absatz von E-Bikes sollten Feinstaub und Stickoxyd-Belastung in den Städten bald kein Problem mehr darstellen. 2016 allein wurden rund 605 000 Pedelecs und stärkere Maschinen an die Frau und den Mann gebracht – über 13 Prozent mehr als im Vorjahr. Inzwischen zeigen sich die bei allen Massengütern bekannten Skaleneffekte. E-Bikes können jedes Jahr mehr und werden trotzdem kaum teurer. Ein Schwerpunkt liegt im Augenblick auf der Motorenentwicklung, viele Modelle dürften bald bis zu einem Viertel kleiner und zugleich leiser ausfallen.
Ab Losgröße Eins
Entwickler Lars Hartmann aus Reichshof ging da schon einen Schritt weiter und ersetzte das Kettenrad aus Metall durch eines aus Kunststoff. Der Effekt: deutlich weniger Laufgeräusche. Hartmann wandte sich an die igus GmbH. Sie ist eine jener agilen Produzenten, die ab Losgröße eins fertigen und Maschinenelemente aus Hochleistungskunststoffen herstellen. Entwickler und Gestalter laden CAD-Datensätze hoch und erhalten innerhalb von wenigen Tagen den 3D-Druckservice von igus.
Die Produktmodellierung erfolgt in STEP (Standard for the Exchange of Product Model Data), danach lassen sich verschiedene Materialien auswählen. Die Elemente werden dann an den Auftraggeber versandt.
Alternativ haben sich in größeren Städten Produktschmieden etabliert, deren Maschinenpark mit dem kleinerer bis mittlerer Unternehmen mithalten kann. Im MakerSpace der TUM in Garching etwa finden Tüftler, Maschinenbauer und Designer eine öffentlich zugängliche, 1500 m² große „Hightech-Werkstatt, die Mitgliedern Zugang zu Maschinen, Werkzeugen und Software sowie einer kreativen Community ermöglicht.“
Have fun – go make something
Der viel zu früh verstorbene Leiter Phill Handy berichtete einmal schmunzelnd, unter die Studierenden würden sich schon mal Mitarbeiter großer Unternehmen mischen, die dort in wenigen Stunden plotten und bauen würden, was sie in ihrer Firma teils in einer Woche und länger nicht hinbekämen.
Die neue Welt der Maker ist schnell, wendig und offen für neue Netzwerke und Konstellationen. München hat ein Motto: „Have fun and go make something“. Das heißt im Zweifel, ganz undeutsch: Hier muss niemand eine Gesellenprüfung abgelegt haben, bevor sie oder er an eine teure Maschine darf. Einfach Kurs besuchen (ab vier Stunden) und machen.
„Maker haben sich ja immer schon als Prosumenten (= Produzent + Konsument) verstanden“, erklärt Martin Laarmann, Geschäftsführer der Make Germany GmbH und Mitinitiator der Messe „Make Munich“ Anfang März. „Während Designer vorher ja immer nur Gestalter waren, gibt es hier die Möglichkeit, selbst Produzent zu werden.“
Revolution von 3D-Druck und Maker-Szene
Die neue Arbeitswelt betreibt eben auch Disruption mit den Begriffen. Wer das noch mit dem Begriff Nerd abtut, ist längst von gestern. Unis und Ausbildungsstätten übernähmen das Thema, sagt Laarmann, der die gesamte Maker-Bewegung in einer „Konsolidierungsphase“ sieht: „Gerade im Bereich 3D-Druck ist bereits eine ernstzunehmende Industriesparte entstanden.“
Das bestätigt auch Thomas Hellmann, der zusammen mit Alexandra Bongartz die Münchner Freeform4U GmbH leitet, die sich auf den Prototypenbau konzentriert. „3D-Druck ist in der Industrie und im Mittelstand inzwischen richtig etabliert, die Privatkunden ziehen nach. Die breite Masse hätte Bedarf an kleinen Ersatzteilen.“ Hier sieht Hellmann die Industrie in der Pflicht. Heute stelle sie Ersatzteile im Spritzguss her, die gelagert werden müssten, eine teure Angelegenheit.
„Der Clou wäre es, die CAD-Bibliotheken zu öffnen. Kunden würden dann zu einem zertifizierten Partner gehen und Ersatzteile ausdrucken“ Noch sei so etwas aber Zukunftsmusik, die Industrie möchte lieber neue Produkte verkaufen als alte am Leben erhalten. Doch das wäre womöglich die eigentliche Revolution von 3D-Druck und Maker-Szene: ein neues Wirtschaften, neudeutsch: Win-Win für Planet und Prosumenten, die Umsatz nicht mehr über künstliche Obsoleszenz und optisches Veralten von Geräten erzielen, sondern über Produkte, die mit wenig Aufwand an neue Bedürfnisse angepasst und weiterentwickelt werden können.
Fabbing & Mister Beam
Dazu gehört auch, dass sich die Szene inzwischen ihre eigenen Werkzeuge schafft. „Fabbing ist auf dem Vormarsch“, schrieb Benedikt Achatz 2006 in einer Seminararbeit der HfG Karlsruhe, und prognostizierte: „Wir steuern geradewegs auf den ‚Produkt-Drucker‘ zu.“ Den hat er im Team um Teja Philipp inzwischen entworfen: Mister Beam ist ein schönes Gerät für ambitionierte Endanwender, die tatsächlich an der „Umwandlung von Ideen und Daten in dreidimensionale Gegenstände“ arbeiten.
Und wenn die Unterscheidungen zwischen Entwickler und Designer, Produzent und Nutzer erstmal fallen, so finden sich alle in neuen Rollen wieder. Und in einer neuen Wirtschaft, in der die Herrschaft über die Produktionsmittel nicht mehr in den Händen weniger konzentriert ist. Das jedenfalls schwebt Adrian Bowyer vor, der mit dem Open-Source-Projekt ‘RepRap‘ bereits vor über einem halben Jahrzehnt mit der Demokratisierung von Produktion befasste.
Bottleneck Datenerstellung
Ob solche Instrumente tatsächlich den globalen Kapitalismus zu Fall bringen, wie nicht nur Neo-Marxisten hoffen, oder zumindest eine industrielle Revolution hervorbringen, hängt wohl weniger an der Qualität der Hardware, die inzwischen viel mehr ist als „digitale Heißklebepistolen“, wie Experten noch vor kurzem spotteten, sondern an der Qualität der Software.
Dinge einfach einscannen und die Datenwolken ohne Nachbearbeitung ausdrucken? Das ist mehr als Zukunftsmusik.
„Die Herausforderung beim 3D-Druck bleibt immer noch das Erstellen der 3D-Daten“, gibt auch Martin Laarmann zu. „Das ist der Bottleneck.“ Bis zur nächsten Killer-Applikation, die 3D-Drucken zum etwas anderen Fotografieren macht. Dann werden die Karten wirklich neu gemischt. Womöglich halten wir dann nur noch die Nutzungsrechte für Dinge, die wir auf Zeit leasen. „Technologisch tut gerade sich etwas bei den Materialien und Farben‘“, sagt Thomas Hellmann von Freeform4U. „Materialien lassen sich fotorealistisch darstellen.“
Möglich wäre sogar ein transluzenter Mini-Maßkrug.“ Spätestens zum Oktoberfest eine wunderbare Idee nüchtern zu bleiben, auch wenn wir uns sonst an neuen technologischen Möglichkeiten berauschen.
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