Oscar Niemeyer, 1907 geboren, steht für die Überzeugung, dass moderne Architektur mehr ist als die direkte Übersetzung von Funktion in Form. In einer langen Reihe von herausra-genden Entwürfen, die seit siebzig Jahren realisiert werden, erinnert er seine Berufszunft und die Welt daran, dass es in der Architektur auch um die große menschliche Gabe der Vorstellungskraft, er Reaktion auf die Schönheit und um das Geheimnisvolle der Natur geht. Seine Bauten haben bis heute ihre Wirkung nicht eingebüßt. Im Gegenteil: So viel Schwung, Zukunftsglaube und Aufbruchsstimmung muss man in der aktuellen Architektur erst einmal finden. Niemeyer, der immer wieder mit dem Bau von Brasilia identifiziert wird, obwohl die Stadtplanung von Lúcio Costa stammte, war nie ein Urbanist, und ist, mit allem was er baute, den bildenden Künstlern näher als den Stadtplanern. Seine skulpturale Architektur prägte die Ikonographie des Weltraumzeitalters und spielt noch heute mit dem Pathos des vollkommen Neuen. Die Kathedrale von Brasilia – eine intergalaktische Krone; der Kunstpalast in Sao Paulo – ein Flugobjekt. Allenfalls im hispanischen Kolonialbarock kann man Vorbilder wahrnehmen. Was er in fast siebzig Jahren an öffentlichen Gebäuden in Brasilien errichtet hat, zeigen die außergewöhnlichen Aufnahmen des Fotografen Alan Weintraub in beeindruckender Opulenz. Die Bestandsaufnahme eines Werks, das immer noch wächst.
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