Ist es ein Aprilscherz? Ein Vorgriff auf den Sommer? Ein Lob vollkommener Reinheit? Oder schlicht der Wunsch, das noch junge dritte Jahrtausend möge ein wenig Unschuld zurückgewinnen – nach seinem Fehlstart mit geplatzter Dotcom-Blase, Nine Eleven, Terrorangst und zweitem Irakkrieg? Nobody knows.
Weißes Softeis auf dem md-Cover
Jedenfalls prangt auf dem Cover der md 04/2003 kein sofort erkennbares Produkt, sondern – weißes Softeis. Gar un gelato al limon? Aber ach, die cremige Masse auf der fest von einer linken Hand umschlossenen Waffel hat zu schmelzen begonnen, an der knusprigen Eistüte ist ein gefährliches Rinnsal entstanden – und es droht, lecker-weiß aufs sauber-weiße Polster zu tropfen, auf das die Grafikerin der md Susanne Lagally Hand und Waffel und Eis gesetzt hat.
Nicht nur bei Marmeladenbroten, auch bei Möbeln – gern bei empfindlichen – gilt Murphys unbarmherziges Gesetz. Bleibt also nur, das drohende Desaster mit Gleichmut zu ertragen? Oder bei Kapielski – „Je dickens, destojewski!“ – Trost zu suchen?
Weit gefehlt, ist zum Titelbild doch zu lesen: „Die innovative Bezugstechnik erlaubt bei ,Blox’ von Jehs + Laub für Cassina einen schnellen und einfachen Wechsel der Leder- oder Stoffbezüge.“ Merke: So leicht wird Design zum Desaster-Management.
Gebrauchstaugliche Entwürfe von Jehs + Laub
Überhaupt macht das – damals noch recht junge – Designerduo Jehs + Laub gerade mit gebrauchstauglichen Entwürfen von sich reden, nicht vordergründig spektakulär, aber eben auch nicht zu streng deutsch.
„Blox“, ein am Boden ruhender Polsterkubus, rundum von einer Matratze umschlossen, ist ihr erstes Polstermöbel. Markus Jehs und Jürgen Laub aber sind auf dem Sprung, überzeugen mit raffinierter Schlichtheit immer mehr Hersteller von Büro- und Objektmöbeln aus aller Welt.
Doch nicht nur Bezüge geben sich in den ersten Jahren des noch frischen Jahrtausends praktisch, auch Möbel werden wieder sachlicher, treten zunehmend technischer und variabler auf. Digitale Produkte erobern nicht nur das Büro, das nun alle zum Meeting um einen Tisch versammelt, sie prägen auch modische Trends.
Möbel werden wieder sachlicher
Neben die üblichen Farben – iPod und iBook haben es vorgemacht – treten immer häufiger Weiß und Aluminium. Überhaupt – weiß! Bei Autos dominieren zwar noch metallisch schimmerndes Silber und Schwarz, Weiß aber holt schon bald auf. Schließlich verheißen nicht nur Softeis und Wechselbezüge Neuheit und Frische. Auch wenn mal etwas schiefgeht.
Autor Thomas Wagner
war Feuilletonredakteur der FAZ, hat für Stylepark ein Onlinemagazin aufgebaut, lehrt als Honorarprofessor und ist Autor zahlreicher Texte über Kunst, Design und Architektur.