Was Mitte der 1980er-Jahre doch alles geschieht: Falco rockt Amadeus, die Schweiz führt eine Autobahngebühr ein und in New York wird im Beisein von Blondie und Andy Warhol der ‚Amiga 1000‘ vorgestellt, das Ultimative in Sachen Grafikleistung. Deutschland trinkt trotzdem weiter Jägermeister, „weil es bei Hempels auf dem Tisch aussieht wie bei Hempels unterm Sofa“.
Und auch wenn sich der Fortschritt nun offen für Zitate aus vielen Zeiten zeigt, stellt mancher erleichtert fest: das Jahr 1984 ist überstanden. War Orwells finstere Vision eines totalitären Staates, in dem ein unsichtbarer „Big Brother“ alle überwacht, doch nur Angstmachen in Romanform?
Design boomt in den 1980ern
Design, von vielen Fesseln befreit, jedenfalls boomt. Auch hierzulande wird zum Befreiungsschlag angesetzt: Einrichten ist nun ein Event, bei Formen, Materialien und Farben tut sich was. Nicht nur die Rebellen des Neuen Deutschen Designs treiben weiter ihre schrillen kritischen Späße und blasen lustvoll den Staub von den funktionalistischen Möbeln, auch seriöser gestimmte Naturen wagen den Aufbruch.
Deutlich wird das auf dem Cover der md 06/1985, auf das Dieter Engelmann die signalrote Armatur Domani gesetzt hat. Der handschmeichelnd von Dieter Sieger für die Aloys F. Dornbracht Armaturenfabrik in Iserlohn gestaltete Einhandmischer mit dem charakteristischen Loch im Bedienhebel tritt so selbstbewusst auf wie der im Namen anklingende Glaube an einen ausgeschlafenen Morgen.
Dornbracht Domani von Sieger rockt das Bad
Plötzlich wirken all seine glanzverchromten Geschwister müde und abgestanden. Als ob der nicht weniger rote Auslauf aus dem Hebel geschnitten wäre, bilden beide zusammen auf dem tiefschwarzen Grund des Covers ein kopfstehendes Ausrufezeichen. Seht her! Sieger rockt das Bad.
Im Münsterland hat der Weckruf aus Italien, sich endlich locker zu machen, offensichtlich gewirkt – und trotzdem werden sehr deutsche Schlüsse daraus gezogen: Gute Verarbeitung und überzeugende Funktionalität werden beibehalten, mit Form und Farbe hingegen darf gespielt werden. Es ist eine kleine Revolution.
Bad als eigenener Wohnbereich
Schnell wird aus Domani ein Designklassiker, und in der Folge wandelt sich das Bad von der Nasszelle zu einem eigenen Wohnbereich, werden Waschbecken, Ablagefläche, Spiegel und Beleuchtung aufeinander abgestimmt.
Fehlt noch das Allerneuste aus dem Jahr 1985 nachzutragen: Das Design stammt von frog, das von der Post zugelassene Gerät von AEG/Telefunken: das „schnurlose“ Telefon.
Autor Thomas Wagner
war Feuilletonredakteur der FAZ, hat für Stylepark ein Onlinemagazin aufgebaut, lehrt als Honorarprofessor und ist Autor zahlreicher Texte über Kunst, Design und Architektur.