Bei der Auswahl neuer Bodenbeläge fordert der Kunde mittlerweile konsequente Nachhaltigkeit ein — so wie das in anderen Branchen auch zunimmt. Doch nicht nur die Erwartungshaltung der Kunden stellt die Hersteller vor Herausforderungen, auch Lieferengpässe und unberechenbare Rohstoffpreise setzen ihnen in den letzten Jahren zu.
Dabei gibt es bereits sinnvolle Ansätze: Große Unternehmen wie Tarkett oder Interface bieten bereits seit einigen Jahren eine Rückgabemöglichkeit für ihre alten Teppiche an und lösen sich somit vom System des „Take, Make and Waste“. Vielmehr stehen die Vorteile der Zirkularität im Fokus der Unternehmen. Produkte werden als Rohstofflager verstanden. Dieser Ansatz macht nicht nur unabhängig von schwankenden Rohstoffpreisen, sondern bringt auch den Kunden wieder zurück.
Oberflächen aus recyceltem Bauschutt
Andere Unternehmen wie Stonecycling nutzen bereits bestehende Entsorgungssysteme als Rohstoffquelle für die eigenen Produkte. In den vergangenen Jahren hat sich die Firma aus den Niederlanden mit Baumaterialien und mineralischen Oberflächen aus recyceltem Bauschutt einen Namen gemacht. Ihre Waste Based Bricks bestehen zu gut 60 % aus Bauschutt und sind der Produktgruppe Ziegelstein zuzuordnen. Das entspricht etwa 91 kg Bauschutt pro m². Die widerstandsfähigen Steine können als Fußböden im Innen- und Außenbereich zum Einsatz kommen.
In Kooperation mit dem amerikanischen Unternehmen Biomason sind in diesem Sommer die ersten biobasierten Fliesen auf den Markt gekommen, die eine nachhaltige, gleichwertige und chemiefreie Alternative zu herkömmlichen gesteinsähnlichen Plattenmaterialien für den Innenausbau bieten. Dank der Biomason-Technologie, die mittels kalzitbildender Bakterien zementfreie Bauwerkstoffe bindet, können Unternehmen Fliesen anbieten, die nicht nur durch geringere CO2-Emissionen überzeugen, sondern dreimal stärker und 20 % leichter als herkömmliche Betonplatten sind.
Zementfreie Bauwerkstoffe
Diese Fliesen sind für Wände und Böden im Außen- und Innenbereich erhältlich. Im Gegensatz zu klassischem Portlandzement kommt es bei der Technologie zu keiner Kohlendioxidfreisetzung. Ganz im Gegenteil: Die Produktion kombiniert Kohlenstoff und Kalzium, um ein biologisch gebildetes Kalksteinmaterial herzustellen. Die losen Gesteinspartikel werden nicht gebrannt, sondern allein durch Calciumcarbonat-Brücken miteinander verbunden, die die Bakterien während ihres Wachstums spannen.
Kompakte Steinplatten
Hinter dem Namen ‚Dekton‘ verbirgt sich ein mineralisches Flächenmaterial, das sowohl für Küchenarbeitsplatten und Fassaden als auch als Bodenbelag verwendet werden kann. Eine „gesinterte Partikeltechnologie“ lässt Glas-, Porzellan- und Quarzpartikel miteinander zu einer ultradichten Platte verschmelzen. Vorbild für die Technik war die Gesteinsentwicklung in der Natur, die dank hoher Temperaturen und Druck über Jahrhunderte festes Material ausbildet. Der spanische Arbeitsplattenhersteller Cosentino vertreibt ‚Dekton‘ am Markt. Als Alleinstellungsmerkmal der Platten gilt die beständige und fehlerfreie Oberfläche. Alle Oberflächen sind wie bei anderen mineralischen Platten auch UV-beständig, farbecht und überzeugen durch eine hohe Abrieb- sowie Stoßfestigkeit. Im Onlineshop wird eine zertifizierte Garantie von 25 Jahren auf die Böden angegeben. Zudem stehen unterschiedliche Formate, Farben und Materialstärken zur Auswahl.
Terrazzo aus Lebensmittelabfällen
Die schwedische Designerin Carolina Härdh zeigt mit ihren Arbeiten, dass man auch aus Lebensmittelabfällen ein widerstandsfähiges Gesteinsmaterial herstellen kann. Optisch erinnert das Material an Terrazzo. Es besteht jedoch kompromisslos aus Reststoffen aus der Küche, genauer gesagt aus der Küche des Göteborger Restaurants Vrå. Neben Austernschalen und Abschnitten von essbarem Seetang fanden sogar Fischgräten sowie das stärkehaltige Wasser Gebrauch, das das Restaurant zum Einweichen von Reis verwendet.
Die Muschelschalen und der Seetang nutzt die Designerin in zerkleinerter Form als ein Aggregat, das mittels Kleber zu einem festen Material verbunden wird. Als Bindemittel nutzt sie Fischleim, ein natürlicher Klebstoff, der bereits seit Jahrhunderten durch Einkochen von Fischabfällen wie zum Beispiel Fischgräten hergestellt wird sowie Stärke aus dem Reiswasser.
So kann vermeintlicher Abfall im wahrsten Sinne des Wortes einen Grundstein für etwas Neues legen: Kreislauffähige Werkstoffe für den Boden.
Diana Drewes
Die Autorin arbeitet als Biodesignerin bei der Zukunftsagentur Haute Innovation in Berlin. Sie entwickelt kreislauffähige Werkstoffe und ist Co-Autorin des Fachbuchs „Materials in Progress –
Innovationen für Architektur und Design“.