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Flexible Räume

Büroarchitektur muss für künftige Anforderungen ausgelegt sein
Flexible Räume

Unternehmen wachsen oder schrumpfen. Das erfordert Raumstrukturen, die die Veränderungen mitmachen. Bürogebäude müssen so beschaffen sein, dass sie sich einfach an die Bedürfnisse der Nutzer anpassen lassen.

Nadia Hamdan

Moderne Bürogebäude sind ohne einen hohen Grad an Flexibilität kaum mehr zukunftsfähig. Steigende Immobilienpreise, knapper Bauraum vor allem in den Städten und hohe Personalkosten machen eine immer stärkere Verdichtung der Flächen und kostengünstige Lösungen notwendig. Ein Gebäude, das sich einfach an seine jeweiligen Nutzer adaptieren lässt, ist zudem kostengünstiger und nachhaltiger.
Wenn die individuellen Bedürfnisse der Nutzer erfüllt werden und das Gebäude wechselnden Anforderungen gerecht wird, fühlen sich die Mitarbeiter darin wohl und bleiben – auch wenn sich ihre Bedürfnisse verändern. Die einfache Anpassbarkeit der Flächen bereits beim Neubau zu berücksichtigen, verlängert somit den Lebenszyklus des Gebäudes und beugt Leerständen vor. Lässt sich ein Bürobau nicht an moderne und vor allem individuelle Anforderungen adaptieren, sinkt seine Attraktivität. Neuvermietungen werden schwieriger.
Wie also lässt sich eine flexible Architektur realisieren, die sich sowohl an den Bedürfnissen des jeweiligen aktuellen Mieters als auch an späteren Nutzungen orientiert? Wie gelingt es, beispielsweise aus Zellenbüros großzügige Open-Space-Flächen mit Nutzungs-zonen zu machen, ohne in den Baukörper selbst eingreifen zu müssen und zugleich Faktoren wie Brandschutz–bestimmungen zu erfüllen?
Für Wolfgang Marcour, geschäftsführender Gesellschafter von Slapa Oberholz Pszczulny Architekten in Düsseldorf, sind vor allem die Gebäudetiefe und ein flexibles Gebäuderaster maßgeblich, um bei neuen Nutzungsformen einen einfachen Umbau zu gewährleisten. „Im Idealfall liegt das Achsraster bei etwa 1,35 Metern. Lassen sich die einzelnen Flächen außerdem in sogenannte 400-Quadratmeter-Einheiten einteilen, bleibt eine hohe Flexibilität unter Einhaltung aller erforderlichen Brandschutzmaßnahmen erhalten.“
Das Düsseldorfer Architekturbüro plant und realisiert aktuell den neuen Firmensitz des Hotelportals Trivago in Düsseldorf. Auf dem 30 000 Quadratmeter großen Areal entstehen neben offenen, flexibel aufteilbaren Büroflächen auch Konferenz- und Schulungsräume sowie Aufenthalts- und Gastronomiebereiche, eine Bibliothek und ein Kino. Hinzu kommen Fitnessräume und begrünte Außenflächen sowie eine Dachterrasse mit Joggingstrecke. „Das mag ein Sonderfall sein, tatsächlich aber werden Terrassen, Balkone und Austritte ein zunehmend selbstverständlicher Bestandteil zeitgemäßer Bürohausarchitektur“, betont Marcour. Somit seien sie auch für spätere Mieter attraktiv. Denn: „Arbeitgeber müssen im Wettbewerb um die besten Talente neue Anreizsysteme für Mitarbeiter schaffen.“ Daher gewännen eine hohe Aufenthaltsqualität im Büro und eine gelungene Architektur als Teil des Employer Brandings immer mehr an Bedeutung.
Wie aus Bestandsimmobilien zukunftsweisende Gebäude entstehen, die moderne Anforderungen an das Büro erfüllen, zeigt ein weiteres Beispiel aus dem Architekturbüro – Clara und Robert in Düsseldorf. In das Bürogebäude-Ensemble auf einer umgestalteten, ehemaligen Kasernenanlage wurde mit dem Saarhaus ein Teil des alten Bestands integriert. Dadurch lässt er sich langfristig weiter nutzen. Der Altbau wurde um zwei Etagen erweitert und es entstand Platz für eine Dachterrasse. Die nun siebengeschossigen Gebäude weisen einen flexiblen Grundriss mit einer modular aufgebauten Mittelzone und flexiblen Mitteltrennwänden auf, der individuell aufteilbare Büroflächen ab einer Größe von 150 Quadratmeter ermöglicht. „Die Flächen sind variabel bespielbar und lassen sich einfach verändern. So werden sie den unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Büroorganisationsformen über einen langen Zeitraum gerecht“, sagt Marcour. Damit könne man nicht nur flexibel auf die jeweilige Mitarbeitergröße reagieren, sondern auch auf die benötigte Größe der einzelnen Räume.
Mobile Wandsysteme
Wie einfach sich die Flächen anpassen lassen, hängt zum einen von der Materialauswahl für Wände und Decken ab. Leichtbauwände können unabhängig von der Statik flexibel montiert und verändert werden. Auch mobile, akustisch wirksame Wandsysteme lassen sich auf offenen Flächen variabel einsetzen. „Zum anderen sollte das haustechnische Konzept großzügige Installationseinheiten und Anschlüsse vorsehen, sodass man sich flexibel auf die Größe der einzelnen Nutzungseinheiten einstellen kann“, ergänzt Marcour.
Einen Trend zur Individualität sieht auch Chris Middleton, Geschäftsführer des Berliner Architekturbüros Kinzo. Offene Flächen, die der jeweilige Nutzer nach Wunsch ausstatten kann, seien derzeit besonders bei jungen Unternehmen und Start-ups beliebter als bereits fertige Standardräume. „Heute ist häufig die rohe Hülle gefragt, bei der der Mieter selber mitbestimmen kann, wie sie gestaltet wird – oder sie auch einfach so lässt.“ Veränderungen im Unternehmen, die eine Vergrößerung der Fläche nötig machen, lassen sich jedoch nur dann einfach vornehmen, wenn die baulichen Gegebenheiten das zulassen. Eine Tragstruktur, die stützenfreie Flächen erlaubt, – wie es etwa beim Skelettbau der Fall ist – sowie ein möglichst feines Ausbauraster erleichtern eine spätere Umnutzung des Gebäudes.
„Für den Nutzer sind auch möglichst attraktive Erschließungen notwendig, etwa schnelle interne Verbindungen, wenn das Unternehmen kurzfristig neue Flächen im Gebäude beziehen möchte“, sagt der Architekt. Dazu zählten vor allem zusätzliche Treppen in den Nutzungsräumen und die Möglichkeit, durch nicht tragende Wände Durchbrüche vorzunehmen. Wenn Ebenen ohne großen Aufwand zusammengeschaltet werden können, würden viele wachsende Unternehmen im Gebäude bleiben und nicht umziehen – wie es heute noch vielfach der Fall ist.
Vor allem junge Unternehmen und Start-ups lehnen Middleton zufolge klassische Büroräume von vorne herein ab. Sie bevorzugen Gebäude mit einem besonderen Charakter – die sich, auch wenn sie nicht von vorne herein flexibel sind, entsprechend umbauen und später auch ohne weitere aufwendige Umbauten vielseitig nutzen lassen. „Der Trend geht ganz klar zur Individualität und zu einer hohen Qualität im Bau“, fasst er zusammen und betont: „Wenn diese Prämissen vorhanden sind, ist ein Gebäude für die flexible Nutzung prädestiniert.“ Dann seien auch Sonderanfertigungen für einen Nutzer nachhaltiger als günstige Standardlösungen. Denn sie blieben auch bei einem Nutzerwechsel meistens bestehen.
thematisch fokussierte Räume
Wie individuelle Lösungen und eine hohe Qualität auch einen Altbau in ein flexibles Gebäude verwandeln, zeigt das Beispiel des Berliner Firmensitzes von Soundcloud. Das Start-up zog in die Räume einer ehemaligen Brauerei, in der Kinzo auch eine Reihe von Zimmern vorfand, die auf den ersten Blick gar nicht als Büroräume nutzbar waren. Sie waren zu lang, zu schmal, zu klein und zu dunkel, um als Büro- oder Meeting-raum dienen zu können.
Die Lösung: Kinzo richtete dort thematisch fokussierte Räume ein, etwa ein Kaminzimmer mit Konferenztisch und den sogenannten Naproom. Der schmale, lange Raum erhielt eine maßgeschneiderte Sofaliege und lässt sich somit als Rückzugsort und für Meetings nutzen. „Die Räume haben damit keine strikt festgelegte Funktion, sondern können für verschiedene Nutzungen dienen“, erklärt Middleton. „Auch das ist flexible Architektur – den Räumen eine extreme Richtung verpassen, die ideal für die kurze Nutzung und für verschiedene Arbeitsformen ist.“
Eine kurzfristige Nutzung, vor allem von innenliegenden Flächen, stand auch im Planungsfokus des neuen Hauptsitzes des Stromanbieters 50Hertz. Das von dem Grazer Büro Love Architecture geplante Gebäude in Berlin hat mit einer Tiefe von 22 Metern ein im deutschsprachigen Raum noch sehr ungewöhnliches Maß. „Durch diese Gebäudetiefe ließen sich neue Nutzungsmöglichkeiten realisieren, beispielsweise was die Gemeinschaftszonen anging. Klassisch werden fünf bis sechs Meter an der Außenfassade für die Arbeitsplätze reserviert und zusätzlicher Raum im Gebäudekern für die Mittelzonen“, erklärt Middleton.
Beim Stromanbieter 50Hertz habe man trotz einer größeren Gebäudetiefe durch eine Open-Plan-Architektur mehr Flächeneffizienz erzielt, unter anderem durch die Verlegung von Meetingzonen ins Gebäudeinnere. „Meetings und Telefonkonferenzen lassen sich auch in Räumen durchführen, die kein Tageslicht bieten – optimale Bürogestaltung vorausgesetzt. Denn sie finden ja nur temporär statt.“
Erfüllt ein Bürogebäude die Anforderungen seiner Nutzer und werden diese baulich so umgesetzt, dass sie sich jederzeit modifizieren lassen, bleibt es über eine lange Zeit attraktiv. Es ist damit auch nachhaltig, weil Ressourcen gespart werden. Auch aus anderen Gründen, erläutert Middleton: „Die sozialen Faktoren der Nachhaltigkeit bestehen darin, was das Gebäude bietet. Ob es so konzipiert ist, dass die Nutzer sich darin wohlfühlen und gesund bleiben, etwa, weil es aufgrund seiner Architektur zur Bewegung animiert.“
Eine einfach modifizierbare Architektur stellt damit die Voraussetzung für den Arbeitsplatz der Zukunft dar, in dem Veränderungen nicht zwangsläufig einen Standortwechsel und damit hohe Kosten verursachen müssen.
Wenn Arbeit immer flexibler wird, haben statische Bürogebäude fast zwangsweise ausgedient. An ihre Stelle treten dann multifunktionale Räume und eine den flexiblen Innenausbau ermöglichende Tragstruktur – und somit Flächen, die sich über viele Jahre und für verschiedenste Anforderungen optimal nutzen lassen.
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