Architekt und Designer Georg Bechter hat umgebaut: Aus dem Stall seines Vaters entstand in Hittisau ein moderner Werk- und Büroraum. Der Inhaber steht schon in der Tür, schlaksig und braungebrannt und lacht durch seinen Strubbelbart: „Ich bin der Georg.“
Unkompliziert, offen und freundlich, das ist der erste Eindruck des Vorarlbergers, der es im Laufe der letzten Jahre schaffte, eine Leuchtenfirma aufzubauen, die Poesie und Pragmatismus verbindet. Seine Leuchten lassen Licht mit Decke und Wand verschmelzen.
Sie sind mit einem Blick fürs Praktische entworfen, für jene Handwerker, die sie später einbauen – mit cleveren Details, die perfekte Oberflächen garantieren.
Aus Vorarlberg für die Welt
Georg führt in den ersten Stock und zeigt ein Foto eines Strohhauses von 2014, bei dessen Realisierung er große Heuballen als tragende Elemente nutzte. Das Haus steht im benachbarten Dornbirn. Ähnliches wäre in Deutschland wohl nicht möglich gewesen, meint Bechter und verschwindet im Besprechungszimmer. Ein einfacher Tisch, selbstgestaltet, zwei Bänke.
Faustgroße Kugelform: Sichtbetonkapsel
Über einem Sideboard ein Set aus Leuchten und Einbaumodulen, darunter die ‚Sichtbetonkapsel‘, die manche Kunden Sputnik nennen, weil sie an jenen russischen Satelliten erinnert, der als erster um die Erde kurvte.
Die faustgroße Kugelform mit ihren abgespreizten Füßen sorgt dafür, dass beim Einbau in die Decke Beton die Form umspült, ohne hässliche Nester oder Fehlstellen zu bilden.
Die Kapsel verschwindet in der Decke und nimmt alle Zuleitungen in sich auf – bis auf einen definierten Auslass, in dem Pendelleuchten per Bajonett-Verriegelung eingehängt werden können. Anfangs wurde er schon schräg angesehen. Wer braucht denn so etwas?
Idee des flächenbündigen Einbaus
Aber als die Handwerker sahen, wie einfach die Montage war, hatte er sie gewonnen. Die Idee des flächenbündigen Einbaus ließ Georg Bechter nicht mehr los.
Also setzte er noch etwas drauf: Die ‚Putzkapsel‘ kann mithilfe des Putzrings an die gewünschte Putz- oder Spachtelstärke angepasst werden. Sichtbar bleibt eine 28 mm große Öffnung, in die Leuchten flächenbündig eingebaut werden.
Poesie in passgenauer Perfektion
Gestaltung ist hier untrennbar verbunden mit Erfindung. „Spannend wird es, wenn durch technische Raffinessen sich ästhetische Gestaltungen realisieren lassen“, sagt Bechter.
„Das ist der Punkt, der uns sehr interessiert.“ Das ist auch das Alleinstellungsmerkmal seiner Leuchten: Poesie in passgenauer Perfektion – praktisch und manchmal auch einfach pragmatisch.
Georg Bechter: Gestalter mit Leib und Seele
„Ich bin Gestalter mit Leib und Seele“, sagt Bechter. „Wenn ich spüre, dass es eine bessere Lösung geben müsste, dann lässt mich das nicht mehr los. Das kann eine städtebauliche Entscheidung sein, oder aber auch eine Fugenanschlusslösung im Zehntelmillimeterbereich einer Leuchte.
Auch eine Firma gut zu strukturieren interessiert mich stark. „So ist es möglich, dass wir von unseren Ideen überleben können – das ist ein großes Privileg.“
Akribie im Kleinen wie Großen
Akribie im Kleinen wie Großen. „Licht kann so viel kaputt machen, aber auch so viel unterstützen und anfeuern“, sagt Georg Bechter. Er müsse „immer wieder an eine Hotelanlage denken: perfektes Design, schöne Räume, doch durch das schlechte Licht dort wird sich in diesen Räumen nie jemand richtig wohl- fühlen, sitzen bleiben für eine dritte Flasche Wein“.
Hier spricht der Ästhet, der Licht in neue Aggregatzustände bringen kann.
Belächelt und respektiert
Ein Tüftler. Jemand, der selbst aus dem Handwerk kommt und weiß, dass die beste Erfindung nichts taugt, wenn sie nicht handfeste Vorteile bietet. Schnell muss es gehen und einfach muss es sein. Auf der Baustelle würden selten Betriebsanleitungen gelesen, sagt Bechter.
Höchstens, wenn etwas überhaupt nicht funktioniere. Daher hat er seine Leuchten immer schon aus mindestens zwei Blickwinkeln entwickelt.
Gipsmodule, Stück für Stück gegossen
Georg Bechter ist immer auf der Suche nach Verbesserungen und Verfeinerungen. Wie bei seinen Gipsmodulen, die Stück für Stück gegossen, geschliffen und einsatzbereit versandt werden. Wichtig ist ihm, dass Wand und Leuchte verschmelzen. Die Decke verformt sich wie eine Wasseroberfläche, in die ein Tropfen fällt.
Perfektions- und Gestaltungsdrang
Ein Spiel mit Grenzen beginnt, wie man es sonst nur von – sagen wir – James Turrell kennt. Was dort freilich die Grenzen der Wahrnehmung austestet und manchmal auch desorientierend und erhaben wirkt, ist hier eher dem Perfektions- und Gestaltungsdrang Georg Bechters geschuldet. Seine Leuchten markieren Übergänge und zeigen, wie krude so manch andere Lichtsysteme in die Haut des Hauses geschnitten werden.
Das ist schließlich auch das Credo der Firma: Im Übergang liegt die Lösung. Es geht um „Verhältnismäßigkeiten, Proportionen, Schönheiten, Faszinationen“, sagt Bechter. „All das kann entstehen, wenn Dinge besser gelöst werden, als man sie kennt.“
Wie tickt der Designer?
Wer verstehen will, wie der Designer Georg Bechter tickt, sollte auf den Architekten schauen, der für sich selbst ein traditionelles Bregenzerwälder Langhaus umbaute und für seine Firma gerade den neuen Firmensitz errichtet hat. Ganzheitlich denken und fortentwickeln, akribisch im Kleinen und locker im Großen, das sind Wegmarken in seinem Denken.
„Jedes Projekt ist für uns eine neue Herausforderung“, prangt als Eingangsstatement über dem Architekturbüro. Was sonst oft aufgesetzt klingt, ist hier authentisch. „Jedes Projekt wird von Grund auf neu entwickelt.
Architekt, Bildhauer, Designer und Schreiner
Wir kennen keinen Standard und machen uns immer wieder neu auf die Suche nach der besten Lösung: Wir wollen Räume entwickeln, die dem Zweck entsprechen, Ressourcen schonen, und die Menschen in Herz und Seele erfreuen, begeistern und überraschen.“
In diesen Zeilen finden sich sowohl der Architekt, der Bildhauer, Designer und Schreiner, der in Stuttgart und Wien studierte, lange an der Uni lehrte und seiner Heimat treu blieb.
Regionaler Bezug
85 % der Wertschöpfung geschieht hier in Vorarlberg, im Umkreis von rund 15 Kilometern. „Ich schätze es, dass ich Leuten aus dem Dorf Arbeit geben kann“, sagt er. „Mittlerweile haben wir so viel Know-how, dass wir weit gehen müssten, um effektiver produzieren zu können.“
Daher kommen auch die meisten Zulieferer aus der Gegend. Bechter war selbst überrascht, als er loszog und feststellte, dass modernste CNC-Fräsen für die Metallbearbeitung quasi im Nachbardorf standen. Und der Preis?
Dinge perfekt machen
„Es herrscht ein gutes Arbeitsethos“, sagt Bechter. „Es kostet was, aber es wird nicht lange gefeilscht.“ Und das treibt ihn an: Dinge perfekt zu machen. Ausgefeilt. Schritt für Schritt hin zu neuen Lösungen. Ebenso wuchs die Firma im letzten Jahrzehnt organisch auf jetzt 15 Mitarbeiter. Und das ohne Investoren und Umsatzvorgaben.
Trotzdem verdoppelte sich alle zwei Jahre der Umsatz – auf 1,7 Millionen Euro in 2019. Keine Frage: Die Firma lebt von ihrem Gründer, auch wenn dieser großen Wert auf Teamarbeit legt. Er kann überzeugen, ja mitreißen. „Ich habe das alles mit Herzblut und Einsatz aufgebaut, ohne große Mittel“, betont Bechter und erinnert sich an seine ersten Ausstellungen.
So fing alles an
Mit dem alten Viehanhänger seines Vaters fuhr er nach Köln und parkte zwischen Riesensattelschleppern. „Da gab es große Augen. Vielleicht wurde ich belächelt, aber es gab immer respektvolle Begegnungen. Und ich finde es richtig cool, dass wir als kleines Unternehmen aus dem Bregenzerwald mittlerweile zu den Innovationstreibern in der Lichtbranche gehören.“
Was macht Georg Bechters eigentlich anders? „Ich wage mich an Themen dran, die mir logisch erscheinen, aus architektonischer Sicht, aber auch aus reinem Erfindungswillen.“
Und dann sagt er etwas, dass aufhorchen lässt: „Ich frage nicht nach dem Markt, sondern frage, was mich interessiert. Das ist ein intensiver Antrieb.“ So entstand die Firma fast zwangsläufig, das eine habe sich einfach zum anderen gefügt.
Begeisterung für fugenlose Übergänge
„Meine architektonischen Projekte verschmelzen mit Design – da war dann die erste Leuchte geboren, und dann wurde ein Produkt daraus und schlussendlich eine Firma.“ Plötzlich war die erste Kollektion da, und die zweite.
Obwohl er nichts in Marketing oder in Werbung investiert und Händlern keine großen Rabatte einräumte, stellte sich der Erfolg ein. Weil er kaum Rabatte gewährt, kamen nur Fans, die er von seinem Ansatz überzeugt hatte.
Darunter sind viele Architektenkollegen, die seine Begeisterung für fugenlose Übergänge und minimalistische Ansätze teilen, aber auch Handwerker, die von den einfachen Lösungen überzeugt sind. Keine schlechte Verbindung in Zeiten, die nicht leichter werden. Nur einmal, scheint es, stand das Unternehmen auf der Kippe.
Als Unternehmer jede Entscheidung tragen
Da habe er auf Berater gehört, und als es schiefging, habe er bemerkt, dass er als Unternehmer jede Entscheidung tragen oder ausbaden müsse. „So was passiert nur einmal, und ich habe es überlebt.“
Auf der anderen Seite sind die unbestreitbaren Erfolge, darunter der Österreichische Staatspreis für Design. „Es freut mich aber auch, dass wir zunehmend in der Lichtbranche Fuß fassen, die Planer und Handwerker unsere Lösungen schätzen und hier zu einem Kompetenzpartner werden können.“
Zweigleisig: Architekturbüro und Leuchtenfirma
Wie schafft Bechter eigentlich beides: das Architekturbüro und die Leuchtenfirma zu führen? Der Voralberger antwortet schelmisch: „Das Rennen ist entschieden: Ich werde beides machen. Momentan bin ich mehr mit dem Licht beschäftigt.
Es ist wie ein riesiger gewonnener Architektur-Wettbewerb, den wir nun versuchen, zum perfekten Ergebnis zu führen.“ Im Grunde spaltet sich der Perfektionist gerade auf, oder besser: Er vervielfältigt sich. Da ist der Erfinder, der Gestalter und der Unternehmer.
Das neue Firmengebäude
Und er geht den nächsten Schritt. Im neuen Firmengebäude. Die Fassade, eine Welle aus Holz, die sich um die ehemalige Scheune windet. Ein Skylight im Stile Turrells bohrt sich durch das Satteldach, im Süden dient ein Wintergarten als Wärmepuffer, Energie kommt von Wärmepumpen, der Boden ist gestampfter Lehm.
Gedämmt ist der „Arbeits-Stall“, mit Stroh von Feldern aus der Region. Der verwendete Lehm kommt aus der eigenen Baugrube und das Holz stammt aus heimischen Wäldern. Für die Verbesserung der Akustik wird Schafwolle in der Decke verbaut.
Viel mehr Green geht nicht mehr
Für Bechter, der in seinen Projekten häufig mit ökologischen Produkten arbeitet – Stichwort lasttragendes Strohhaus – bietet die Natur ideale Lösungen.
„Naturmaterialien können sehr viel leisten und bieten oft die beste Qualität. Auf einem Lehmboden zu gehen ist zum Beispiel ein einzigartiges Gefühl.“
Viel mehr Green geht nicht mehr. Er will, dass sich seine Leute wohlfühlen, dass hier ein neuer Spirit herrscht, ein noch besserer.
„Wir haben uns einen Platz geschaffen, an dem wir uns wohlfühlen und an dem wir nachhaltig arbeiten können. Das hätte ich mir vor vier Jahren noch nicht erträumt.“ Offenbar hat Licht noch viel Luft nach oben.
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