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Rudolf Schricker hat Innenarchitektur als selbstständiges Fach etabliert

Der Hochschullehrer und Innenarchitekt im Portrait
Rudolf Schricker

Rudolf Schricker
Foto: Atelier Schricker
Rudolf Schricker hat Innenarchitektur als selbstständiges Fach etabliert – gleichberechtigt zur Architektur. Und damit als Hochschullehrer und Verbandsvertreter Gestaltungsfreiräume eröffnet.

Autor Oliver Herwig

Es läuft prima, trotz Corona. Eigentlich hervorragend. Rudolf Schricker hat seine Lehre umgestellt: Er führt Zoom-Konferenzen mit Studierenden, setzt gemeinsames Brainstorming im Netz an, vergibt Online-Referate und leitet digitale Arbeitsgruppen.

Rudolf Schricker ist offen für Neues

Hier und da müsse er sich noch etwas reinfuchsen und Inhalte anpassen, gibt der Professor für Entwerfen, Innenarchitektur und Ausbaukonstruktionen an der Hochschule Coburg zu, aber im Grunde sei die Pandemie doch das Beste, was der Lehre passieren konnte.

Eine Art Frischzellenkur in Richtung digitales Arbeiten und Miteinander über lange Distanzen. Die ersten Ergebnisse könnten sich sehen lassen: konzentrierte Seminare, gute Arbeiten, spannende Gespräche – und das Ganze entspannt, an der Schnittstelle zwischen Improvisation, Ideen und Innovation. Eine erfrischende Perspektive für die Lehre insgesamt.

Der Mensch steht im Mittelpunkt

Rudolf Schricker, 1955 in Marktredwitz geboren, gehört zu den Urgesteinen der Hochschullandschaft. Er hat die Entwicklung der Profession wesentlich geprägt als Lehrender wie Funktionär. Wer heute auf den bdia blickt, den Bund Deutscher Innenarchitekten, sieht auch das, was der Oberfranke in beinahe zweieinhalb Jahrzehnten beharrlicher Arbeit mitaufgebaut hat, genauer: zwischen 1991–2015 als Vizepräsident und Präsident der Standesvertretung.

Deutscher Innenarchitektur-Preis

1983, unmittelbar nach dem Studium, trat Rudolf Schricker in den Verband ein, den er selbst als „berufliche Heimat“ bezeichnet, ja als „Familie“. Rudolf Schricker ist ebenso Stratege wie Vermittler, jemand, der Strömungen wahrnimmt und Gedanken kanalisiert.

Auf die Frage, wer ihn selbst geprägt habe, antwortete Rudolf Schricker am Rande des Deutschen Innenarchitektur-Preises 2014 diplomatisch: „Einen aus der Schar der zahlreichen Vorbilder, die mich in der Tat in den vergangenen Jahrzehnten inspiriert haben, zu benennen, wäre nicht richtig.“ Und dann gibt Rudolf Schricker Einblicke in sein Denken: „Menschlichkeit, Offenheit, Verlässlichkeit und Ehrlichkeit“ nötigen ihm Respekt ab.

Ethik der Gestaltung

Zudem bewundere er mit zunehmendem Alter „die Fähigkeit zu Gelassenheit und Unaufgeregtheit.“ Kein Wort von Gestaltungstugenden, von großen Projekten oder prestigeträchtigen Wettbewerben, dafür menschliche Grundsätze, eine Ethik der Gestaltung gewissermaßen, die der Hochschullehrer vertritt.

Rudolf Schricker
Foto: Atelier Schricker

Humanorientierte Gestaltungsphilosophie

Alles andere leitet sich daraus ab. Das Ziel von Innenarchitektur sei, dass der Mensch sich wohlfühle und dass sie ihm dabei helfe, sagte Rudolf Schricker 2017 gegenüber der „Stuttgarter Zeitung“ anlässlich einer Ehrung für sein Lebenswerk.

„Helfende Innenarchitektur“ oder „humanorientierte Gestaltungsphilosophie“ könnte man dazu sagen, etwas, das Rudolf Schricker im Laufe der letzten 35 Jahre an deutschen Universitäten entwickelte, zunächst als Dozent an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und an der Hochschule für Technik (1983–1994), dann als Professor für Entwerfen und Innenarchitektur an der Hochschule Wismar (1993–2002), seither an der Hochschule Coburg als Professor für Entwerfen, Innenarchitektur und Ausbaukonstruktionen.

Frei vom Klammergriff der Architektur

Im Gespräch wird Rudolf Schricker deutlicher: „Das Humane in Gestaltung und Technik zu erfahren, zu benennen und zuzulassen, ist Antrieb und Motivation“, sagt er. „Humanwissenschaften liefern uns Argumente für gesellschaftsrelevante und verantwortungsbewusste Gestaltung.“ Erst kommen die Menschen, dann die Technik. Nicht umgekehrt. „Design fungiert als Kitt einer humanen Gesellschaft, sofern es Lebensqualität und Gestaltungsfreiheit suggeriert.“ Dass der leidenschaftliche Koch mit gesundheitsfördernder Innenarchitektur ein Lebensthema fand, versteht man nun viel besser.

Schnittstelle der Generationen

So entstanden nicht nur öffentliche Gebäude wie die Stadthalle Mülheim an der Ruhr, sondern bewusst Häuser, die an der Schnittstelle der Generationen stehen wie das Altenpflegeheim „Wohnen und Leben am Stadtpark Kaiserslautern“. Ziel war hier eine „Atmosphäre des Verbindlichen, des Vertrauten und der steten, manchmal auch überraschenden, positiven Erfahrung.“

Rudolf Schricker selbst studierte von 1977 bis 1982 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart Innenarchitektur und Design. Mitgenommen hat er den Geist des Aufbruchs und des Experiments. In Stuttgart fand er sich in eine „völlig neue, gleichzeitig faszinierende Dialektik“ katapultiert. Der Diplomstudiengang inmitten von Künstlern und Kunsterziehern wird prägend für seine Berufsethik und sein Selbstverständnis.

Umfassender Ansatz

Daraus wächst ein umfassender Ansatz, als „Gestalter, Konstrukteur und Menschenfreund in einem“, wie Rudolf Schricker lachend zugibt, interdisziplinär und nachhaltig. Und das Ganze „frei vom Klammergriff der Mutter aller Künste“. In dieser Befreiung sieht Rudolf Schricker die Basis für eine eigenständige Auffassung von Innenarchitektur, die mit der Architektur zwar interagiert, aber nur auf Augenhöhe. „Innenarchitektur“ habe sich gehäutet und das Vorurteil des „Verhübschens von Räumen“ abgestreift, sich „emanzipiert mittels Ingenieurdenken und etabliert durch ethische Gesellschaftsrelevanz“.

Miteinander der Gestaltungsdisziplinen

Das Ziel ist ein gleichberechtigtes Miteinander der Gestaltungsdisziplinen, deren Spezialisten voneinander profitieren. Eine solche Einstellung beginnt im Seminar. Die Studierenden formen einen Kreis, gemeinsam geht es um Ideen und Austausch. Von den Nachwuchsgestaltern verlangt Rudolf Schricker eine ganze Menge: Bewusstsein, Neugierde und Mut – daneben Empathie und Verantwortungsbewusstsein. Das Wissen, den ständig neuen Herausforderungen im gesellschaftlichen Kontext zu begegnen, steuert er bei.

Such- und Findungsprozess

Seine eigene Entwicklung in der Lehre sieht er als freien, selbstverantwortlichen „Such- und Findungsprozess von Lehrinhalten.“ Ob Innenarchitekturlehre gelinge, sei zudem „stark abhängig vom Gesinnungsumfeld einer Hochschule, von der Kollegen- und Studentenschaft, vom individuellen Gestaltungsfreiraum und der zu erfahrenen Wertschätzung“.

Da ist es wieder, das Humane in der Innenarchitektur, weit weg von formalen oder prinzipiellen Zugängen. Hier hat sich in dreieinhalb Jahrzehnten Berufspraxis, Lehre und Verbandstätigkeit einiges verdichtet.

Der menschliche Raum

Der Mentor im Masterstudium Design für das Lehrgebiet „Der menschliche Raum“ vermittelt seine Einsichten und seine Überzeugungen über die Uni hinaus durch zahlreiche Artikel in Fachzeitschriften und Magazinen, Gutachter- und Jurorentätigkeiten. Seine besondere Liebe aber gilt der Lehre und ihrer Entwicklung, was sich auch in dem von ihm herausgegebenen ‚Studienführer Innenarchitektur‘ zeigt, unentbehrlich für alle, die sich einen Überblick verschaffen wollen zu Universitäten und Lehrangeboten.

Was treibt ihn an bei der weiteren Humanisierung des Faches und der Welt? Ein Blick auf die zahlreichen Projekte im Bereich Gesundheit in Kliniken und Heimen zeigt, dass Rudolf Schricker keine Sonntagsreden hält, sondern vor Ort nach neuen Lösungen sucht. Das ist keine statische Lehre, das ist ein Prozess, an dem alle mitarbeiten.


Rudolf Schricker

Rudolf Schricker studierte Innenarchitektur und Design an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart; Abschluss Diplom-Ingenieur. 1993–2002 Professor an der Hochschule Wismar, seit 2002 Professor an der Hochschule Coburg mit Schwerpunkt Entwerfen, Innenarchitektur und Ausbaukonstruktionen. 1991–2007 sowie 2011–2015 Vizepräsident des Bundes Deutscher Innenarchitekten bdia, 2007–2011 Präsident des bdia. Rudolf Schrickers Planungsbüro liegt in Stuttgart.

Webseite des Büros

Weitere Hochschullehrer im Portrait


Foto: HS Coburg

Hochschule Coburg – Fakultät Design

Bachelor-Studiengang Innenarchitektur

Studienbeginn: jeweils zum Wintersemester (1. Oktober)

Abschluss: Bachelor of Arts (B. A.)

Dauer: 7 Semester (inclusive ein Praxissemester)

Workload: 210 ECTS

Absolventen: ca. 45 pro Jahr

Master Design

Studienbeginn: jeweils zum Wintersemester

Abschluss: Master of Arts (M. A.)

Dauer: 3 Semester (inkl. ein Praxissemester)

Zulassung: Abschlussnote im grundständigen Studium mindestens 2,5; Eignungsprüfung

Absolventen: ca. 10 pro Jahr

www.hs-coburg.de

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