Von Anfang an reizte ihn an der Innenarchitektur, dass man damit unorthodoxe Räume und so einen passenden Rahmen für jeden Bedarf schaffen kann. Zunächst studierte Müller-Schöll an der Kunstakademie Stuttgart, später an der Universität Florenz bei Adolfo Natalini. „Hier habe ich den Zugang zur Architektur gefunden, zwangsläufig, denn damals gab es in Italien noch gar keine Innenarchitekten, sondern eben „nur“ Architekten“.
1986 gründete er mit einem Kommilitonen in der Casa Paretaia ein Büro: ein leerstehendes Haus in den Florentiner Hügeln, das sie zusammen gegen Wohnrecht renovierten. 1989 kehrte Müller-Schöll nach Stuttgart zurück und machte sich dort mit seiner späteren Frau Susanne, die ebenfalls Innenarchitektin ist, mit dem Studio Paretaia selbstständig. Es folgten freie Arbeiten, die zu den ersten Aufträgen führten, darunter viele Ausstellungen.
„Ein Ort, wo man sich gegenseitig beflügelt“
Nach einer Assistenz bei Arno Votteler an der Stuttgarter Akademie und verschiedenen Gastprofessuren startete er seine Karriere an der Burg, die er als „atemberaubenden Energieerzeuger“ bezeichnet. Das hinge zum einen mit dem dort seit über 100 Jahren gepflegten Werkstättenprinzip zusammen: Über 40 Labore, Lernorte, klassische und virtuelle Werkstätten stehen dort den Studierenden aus Kunst und Design zur Verfügung. „Ein Ort, wo man neben- und miteinander arbeitet, sich gegenseitig beflügelt und befruchtet und aufgrund des parkartigen Geländes dauernd Gelegenheit zum Austausch hat“.
Die hängt wohl auch damit zusammen, dass Halle eben keine Metropole sei, sondern eher eine Klause, die im Windschatten von Berlin und Leipzig Konzentration und Kontemplation ermöglicht und mit vergleichsweise günstigen Wohnungsmieten und Lebenshaltungskosten den Studierenden eine wesentliche Sorge nimmt.
Axel Müller-Schöll lebt nicht nur in Stuttgart und in Halle, sondern, wie er augenzwinkernd anführt, auch im ICE – die mehrstündige Strecke zwischen Stuttgart und Halle zweimal die Woche in der Bahn bildet in der Summe einen kompletten Wochenarbeitstag, „eigentlich der perfekte Co-Working-Space“, den er je nach Fahrtrichtung für die intensive Vorbereitung seiner Lehrtätigkeit oder die Vorbereitung der Projekte im eigenen Büro nutzt.
Man muss sich das Studium an dieser Kunsthochschule so vorstellen: In Entwurfsklassen wird in jedem Semester jeweils einer komplexen Fragestellung nachgegangen. Als Studierender bewirbt man sich auf eines dieser Projekte, das vom jeweiligen Professor in einer gemeinsamen Veranstaltung mitmilfe einer detaillierten Beamerprojektion bereits Ende des vorangehenden Semesters vorgestellt wird.
Die Lehre bei Axel Müller-Schöll
Und so funktioniert es mit den semesterübergreifenden Arbeiten: Für jedes der vier Seminare wird eine Projektgruppe gebildet, die sich aus Studierenden vom 5. Semester bis zur Masterabschlussklasse zusammensetzt; „ein wenig das Prinzip der ‚Zwergenschule‘ – bei der ganz unterschiedliche Levels und Erfahrungsschätze zusammenkommen und vor allem das Lernen voneinander praktiziert wird.“
„Daher versuchen wir einerseits ähnlich große Gruppen zu bilden, damit man gut arbeiten kann und gleichzeitig weitestgehend die Wünsche der Studierenden berücksichtigen kann“, erklärt Axel Müller-Schöll. Entsprechend empfindet er sich auch weniger als Lehrer im traditionellen Sinne, sondern eher als Coach oder Spielleiter dieser Gruppe. Das Arbeiten im Team ist ihm wichtig, um dabei Matcherfahrung zu sammeln – auch vorbereitend darauf, wenn nach dem Studium Dinge zur Umsetzung anstehen, die von Kunden beauftragt werden.
Will ein Erasmusstudent oder ein Bewerber einer der vielen Partnerhochschulen in der Innenarchitektur ein Gastsemester verbringen, wird dieser entsprechend seinen Fähigkeiten in eine der Projektgruppen integriert. „Das Spannende an einer Kunsthochschule ist ja auch, dass sich immer wieder Studierende, auch aus anderen Studiengängen wie dem Industrie- oder Kommunikationsdesign, für die Teilnahme an einem der Entwurfsangebote bewerben und dann in diesen Projektgruppen mitarbeiten – so entsteht ganz selbstverständliche eine Inter- und Transdisziplinarität“, so der Hochschullehrer.
„Innenarchitektur ist tatsächlich überall und alles“
Und wo präsentiert die Burg die Ergebnisse der Projekte? Zum einen – und das ist tatsächlich ein USP – in wunderbaren physischen, also gedruckten Publikationen. „Dies haben wir in den letzten Jahren an der Burg entgegen dem Virtualisierungstrend kultiviert. Entsprechend wurde bei uns auch kein Rechenzentrum gebaut, sondern eine Bibliothek!“ Ebenso physisch: Die Präsentationen der Hochschule auf ihren legendären Jahresausstellungen im Juli, während des Salone in Mailand und der Möbelmesse in Köln. Und dann gibt’s noch den sogenannten „Homerun“, bei dem die Studierenden eingeladen sind, ihre Hochschule in ihren früheren Lehrbetrieben oder Schulen vorzustellen, um so vielleicht den einen oder anderen als künftigen Kommilitonen zu gewinnen.
Was ist an der Burg anders als an privaten Hochschulen? „Eine Kunsthochschule pflegt zwar ihre öffentliche Wahrnehmung ähnlich wie ein Unternehmen und ist an einer guten Positionierung ihrer Marke interessiert – aber sie wird nicht von oben gesteuert, sondern sie ist selbstverwaltet und zwar von allen gemeinsam, die hier am Werke sind. Das bedeutet: Es gibt nicht die Burg, sondern sie verändert sich ständig, eben weil sie aus stetig wechselnden, ganz unterschiedlichen Individuen besteht, die hier für eine gewisse Zeit mit Kreativität, Neugier und viel Eigensinn zu Gange sind; ein faszinierender Organismus – nicht homogen, aber auch nicht beliebig“.
Ein unabhängiger Geist
Exkursionen folgen bei Axel Müller-Schöll einem außergewöhlichen Konzept: Mit dem vor einem liegenden Projekt im Hinterkopf geht man an einen besonderen Ort, vertieft sich beim Zeichnen in Vorgefundenes und tauscht sich intensiv mit den anderen aus. Wenn es die Umstände erlauben, dann ist auch immer wieder ein „unabhängiger“ Geist auf diesen Reisen dabei, sei dies ein Autor, Journalist oder auch Künstler, der sich dann mit einem völlig unbefangenen Blick mit an die zu erschließenden Themen macht.
„Eine Methode, mit der ich mich selber auch für Ideen stimuliere. Bevor ich den Stift in die Hand nehme, sehe ich mir ganz unterschiedliche Dinge an, die damit zu tun haben könnten. Währenddessen tickt es intensiv im Kopf, schweifen die Gedanken und wächst die innere Unruhe – eine Inkubationsphase.“
Um dann das passende Fazit zu ziehen: „Innenarchitektur ist tatsächlich überall und alles.“ Sicherlich mitreißend für all diejenigen, die das Glück haben, Axel Müller-Schöll im Studium als Coach erleben zu dürfen.
1960 in Stuttgart geboren, studierte Axel Müller-Schöll Architektur, Innenarchitektur und Möbeldesign an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und an der Universität Florenz. 1990–1994 Lehrtätigkeiten an den Kunsthochschulen in Stuttgart, Lyon und Peking, seit 1994 Professor an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Mit seinem Studio Paretaia Stuttgart beschäftigt er sich mit Architektur, Innenausbauten, Ausstellungskonzepten und Möbeldesign.
Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
Das Format der Kunsthochschule mit seiner universitär angelegten Struktur ermöglicht den Studierenden ihre individuellen Stärken und Ziele zu erkennen und ihnen Ausdruck zu geben. Zentrales Anliegen ist die Ermutigung zu Visionen. Ziel ist es, die Absolventen zu befähigen, gestalterische Herausforderungen zu erkennen und sich diesen eigenständig, beweglich und unvoreingenommen zu stellen in Beherrschung des Instrumentariums der Disziplin, mit der sie sich im Studium schwerpunktmäßig auseinandergesetzt haben.
Bachelor-Studiengang Innenarchitektur
Studienbeginn: Wintersemester
Studienanfänger pro Jahr: 15–20
Regelstudienzeit: 8 Semester, B.A. – Abschlussarbeit im 8. Semester
Vier Professoren und fünf Assistenten
Master-Studiengänge
Masterstudiengang Interior Architecture/Furniture and Interior Design
In beiden Studiengängen werden die theoretischen und gestalterischen Aspekte der Disziplin vertieft und individuell in der Projektarbeit angewendet. Die Studierenden können in jedem Semester aus mehreren Projektangeboten wählen und konturieren so ihr persönliches Studienprofil.