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Im Portrait: Petra Hesse, MAKK. Die Aura des originalen Objekts. md-mag.com

Museum für Angewandte Kunst, MAKK, Köln
Petra Hesse

In den letzten Jahren wurde ein Generationswechsel in den großen Ausstellungshäusern vollzogen. Wer sind die neuen Macher? Was sind ihre Ansätze, um die Institution Designmuseum ins digitale Zeitalter zu überführen? md-Autor Oliver Herwig blickt hinter die Kulissen. Eine Recherche beim MAKK in Köln und seiner Direktorin Petra Hesse.

“Jede Sonderausstellung ist ein Mittel, Besuchern auch die Schätze des eigenen Hauses näherzubringen”, erläutert Petra Hesse. Exemplarisch verdeutlicht diese Haltung die aktuelle Schau ‘Radio-Zeit’, die noch bis zum 5. Juni läuft. Gezeigt wird nichts weniger als die Entwicklung des Rundfunkapparats im Laufe von über 100 Jahren. Auf Leihgaben konnte Petra Hesse weitestgehend verzichten: 190 der 230 Exponate stammen aus eigenen Beständen – dank einer umfangreichen Schenkung von immerhin 228 Stücken. Das ist eine Stärke des Hauses und eine der Strategien seiner agilen Direktorin: die Sammlung stärker zu profilieren und regelmäßig in Szene zu setzen. Das kostet vergleichsweise wenig und zahlt vergleichsweise stark ein auf die Marke MAKK. Die Direktorin formuliert das etwas anders. “So zeigen wir, welche bedeutenden Sammlungen wir besitzen”, sagt die 1966 in Wiesbaden geborene Kunsthistorikerin, die in Mannheim das Zeughaus der Reiss-Engelhorn-Museen leitete, bevor sie 2010 nach Köln ging. Nicht alles läuft gleich gut. “Etwas schwer tun sich klassische Ausstellungen aus dem Bereich Kunsthandwerk, das ist den Menschen oft zu weit weg”, sagt die Direktorin, Design hingegen funktioniere “immer gut”. Wie eben die aus eigenen Beständen bestückte Ausstellung ‘Radio-Zeit’ mit ihrem abwechslungsreichen Rahmenprogramm. Das ist Strategie – Ausstellungen sind eingebunden in Vorträge, Workshops und Filmreihen.
Der Anspruch ist hoch: möglichst alle zu erreichen, auf unterschiedlichen Kanälen, mit unterschiedlichen Angeboten – und mit einem Themenspektrum, das den Begriff Gestaltung betont weit fasst. Allein für 2016 sind acht Ausstellungen geplant oder laufen noch, neben ‘Radio Zeit’ sind dies zum Beispiel eine Ausstellung zu Kinderportraits von August Sander, Dosen und Miniaturen zweier Kölner Sammlungen und eine große Schau des stilbildenden Gestalters Willy Fleckhaus. Natürlich verändert sich der Blick auf Kunsthandwerk, Design und Gestaltung allgemein. So sehr Digital Natives, Kinder und Jugendliche mit den neuen Medien verwachsen sind, so sehr gibt es in Köln “immer noch ein Stammpublikum, das bestimmte Formate erwartet”. Die Zahl der älteren Besucher wächst. Und das bringt ganz spezifische Herausforderungen. “Man muss aufpassen, dass die Beschriftung nicht größer wird als das Objekt”, sagt Petra Hesse und fügt hinzu: “Ich glaube, dass wir den Spagat gut hinkriegen.” Irgendwann würden die Besucher ohnehin mit einer App durchs Museum laufen, die Grundinformationen bietet, während die Angebote gleichzeitig individualisiert würden. Und dann sagt die Direktorin Sätze, die man in Stein meißeln könnte: “Wir sind das lebende kulturelle Wissen unserer Zivilisation. Gleich, welche Zielgruppe, für mich steht im Zentrum die Aura des originalen Objekts.” Das soll auch in Zukunft der Anreiz sein, das Haus zu besuchen, keine noch so ausgefeilte virtuelle Tour.
Die Besucher kommen, 2014 zählte das Haus rund 75 000 Eintritte, 2015 immerhin 60 000. “Ein guter Schnitt”, sagt die Direktorin und betont, dass nur wenige Museen in dieser Liga spielten. Dabei ist der Stab eher überschaubar: Zwölfeinhalb Mitarbeiter und eine Dreiviertelstelle für Museumspädagogik betreuen rund 150 000 Objekte. Dafür steht ein Betriebskostenzuschuss in Höhe von rund 3 Mio. Euro zur Verfügung. Alles andere bedarf einer klugen Planung und einiger Drittmittel. Und externer Kuratoren, sonst wären so viele Ausstellungen gar nicht zu stemmen. Anfangs hatte das Team gerade ein halbes Jahr Vorbereitungszeit, nun hätten sich die Abläufe eingespielt, meint Hesse und wirkt mit einem Mal ganz entspannt. Auch beim Thema Sammeln: “Ich sammle ja nicht für mich, sondern versuche Lücken zu schließen, in die Zukunft zu schauen und Perspektiven für meine Nachfolgerinnen und Nachfolger zu lassen.”
Die Schau der Zukunft
Ein Ausstellungshaus mit einer starken Sammlung. Das klingt nach einer guten Kombination – vor allem für Leihgaben anderer Institutionen, zu denen Petra Hesse ein gutes, kollegiales Verhältnis pflegt. So steht 2018 erstmals eine Zusammenarbeit mit dem “Geschwistermuseum” in Hamburg an: zu Peter Behrens, gerade weit genug entfernt, um sich nicht wechselseitig Besucher abzunehmen. Trotz aller Kooperation betont Petra Hesse daher lokale Schwerpunkte: “Wir sind ja keine Kaufhauskette, sondern stehen zu unserem ganz individuellen Museumsprofil mit einer großen inhaltlichen Vielfalt.” Impulse nimmt die Direktorin daher gerne aus der heimischen, der rheinischen Szene, auf.
Ende März 2010, nur wenige Wochen im Amt, schwärmte Petra Hesse in Interviews vom Potenzial des Hauses. “Gerade durch den Ausbau des Bereichs Design” könne es sich “zu einer eigenen Marke entwickeln”. Ihr Ziel: eines der “lebensnahesten Museen in Köln” unter die “Ersten seiner Art zu bringen”. Die Sammlung des Hauses hat die Endvierzigerin tatsächlich klug herausgestellt. Kunst und Design bilden eine Einheit und ergänzen, ja beleuchten sich wechselseitig. Und das Ausstellungshaus brummt. Mission erfüllt? Nicht ganz. Petra Hesse weiß sehr wohl, dass die Tage der rein analogen Ausstellung gezählt sind. Die junge Generation verlange Interaktivität. Das wäre dann der übernächste Schritt, erst geht es an die weitere Sanierung des Hauses. Wie also sieht eine Kölner Schau nun aus? Im hellen Lichthof kommen die Exponate von “Radio-Zeit” gut zur Geltung. Hier stehen Pavillons mit transluzenten Decken, gewissermaßen lauter Wohnzimmer: solide und gut proportioniert, passend zum Ausstellungsthema, das die Story eines Unterhaltungsgerätes von den ersten Lautsprechergehäusen der Zwanzigerjahre über avanciertere Soundsysteme bis zum Internetradio nachzeichnet. Die Schau forscht einer verlorenen Form nach, all den Kästen und Dosen, Kuben und Explosionen, den Volksempfängern, spacigen Kugellautsprechern, Transistorradios und Tonskulpturen. Zu sehen sind formale Sprünge zwischen Konzerttruhen und Minimalismus wie in einer Fieberkurve, bis das Radio als Gestaltungsaufgabe schließlich im Nirwana des Äthers verklingt. Und plötzlich wirkt die Ausstellung ebenso allumfassend wie abschließend. Man gewinnt den Eindruck, dass sich das Thema nun erledigt hat angesichts von Internetradio und Spotify. Neben den Objekten scheint immer wieder Werbung der Zeit auf, und das ist gewissermaßen die Spezialität des Hauses, seine spezifische Tradition: Dreidimensionales mit Zweidimensionalem zu verbinden und Design im Kontext der bildenden Kunst zu zeigen. Solche Korrespondenzen machen Spaß, wie die seit 2008 unveränderte Dauerausstellung: Konstruktive Möbel und konstruktivistische Werke der bildenden Kunst zeigen tatsächlich so etwas wie Zeitgeist.
Der Fokus liegt hier freilich auf der Erscheinung, der Hülle, die technische Funktion kommt zu kurz, wie überhaupt der epochale Wandel von der dreidimensionalen Gestaltung hin zur Gestaltung von Nutzeroberflächen und Nutzererlebnissen eher beiläufig erwähnt wird. Design als Prozess (nicht nur der Formfindung) und als Netzwerk ging die Studioausstellung ‘Alessi Made in Crusinallo. The Beauty and the Mastery’ nach, die dieser Tage schließt.
Die Objekte liegen in roten Käfigen, mehrfach, denn an jedem einzelnen werden die unterschiedlichen Herstellungsschritte vor Augen geführt, jeder Knick und jede Biegung. Zusätzlich zeigt ein Pad kurze Einspieler über die Entstehung. Das ist ebenso einfach wie gut. Eine willkommene Ergänzung zur klassischen Präsentation von ‘Radio-Zeit’. Und vielleicht ein erster Fingerzeig darauf, was in Zukunft eine analog-digitale Präsentation bedeutet.
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