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„Wir müssen doch mit den Leuten reden!“, war der erste Gedanke von Ursula Karoline Göhring, als sie erfuhr, dass die Abteilung, für die eine neue Arbeitsumgebung bei der Versicherungsgesellschaft HUK Coburg entstehen sollte, noch gar nicht bestand.
„Wir fragen normalerweise immer: Wie arbeitet ihr? Dabei analysieren wir zu Beginn unserer Projekte immer die Bedürfnisse und Arbeitsweisen der zukünftigen Nutzer. So starten wir eigentlich alle unsere Projekte“, erklärt die Innenarchitektin ihre Vorgehensweise. Sie hat sich mit ihrem 2014 gegründeten Büro auf das Thema Office spezialisiert und bietet einen ganzheitlichen Ansatz für ihre Kunden an.
Unser Anspruch: die beste Lösung
Ihr Anspruch an das Ergebnis: „Wir entwickeln nicht nur gute Innenarchitektur, sondern wir schaffen gleich eine Marke und steigern damit zudem die Performance der Unternehmen. Dafür analysieren wir im Vorfeld, welche Bedarfe es gibt, was das Ziel ist und erarbeiten dann im Dialog mit dem Kunden ein individuelles Konzept. Wir drehen manchmal im Kopf gedanklich Extrarunden und geben uns eben nicht mit der ersten Lösung zufrieden. Wir haben den Anspruch, immer die beste Lösung für den Nutzer und für die Organisationen zu bieten. Das ist zumindest unser Arbeitsverständnis.“ Und das schätzen ihre Kunden.
Adaptierbares Konzept
So wurde die Oberfränkin zum Pitch für die neuen Arbeitswelt der HUK Coburg eingeladen. Und gewann. Die Idee war, Raummodule zu schaffen, welche die Mitarbeiter in den verschiedenen Arbeitsmodi unterstützen. Zu Beginn für eine Abteilung im Bereich Digitale Services und nach der Pilotphase sollte das flexible Konzept auf andere Arbeitsflächen adaptiert werden. Es sollte langfristig keine Zweiklassengesellschaft innerhalb des Unternehmens entstehen. So waren die Eckpfeiler gesetzt. Und die hießen: Mit den vorhandenen Begebenheiten arbeiten: Bauen im Bestand. Die Decke und Fassade durften beispielsweise nicht „angetastet“ werden.
Design Thinking
„Man kann unseren Entwurfsprozess mit Design Thinking vergleichen. Wir gingen dadurch kreativ und gezielt vor und tauschten uns dabei immer wieder mit den Entscheidern und Nutzern des Projektes aus.“ Die Fläche teilt sich auf in unterschiedliche Zonen. Der Boden soll auf subtile Weise diese öffentlichen und zurückgezogenen Bereiche trennen. Für die Wegeführung kamen dunklere Teppichfliesen zum Einsatz.
Ein Tunnel als Herzstück
Markant erhebt sich ein Tunnel im Raum und hilft, die Unruhe des Durchgangsverkehrs abzuschirmen und zugleich den im Raum Arbeitenden Schutz zu bieten. Seine Außenseite dient als Präsentationsfläche und Skribble- und Scrumboard. Es ist ein maßgeschreinerter Entwurf und das Herzstück. Sicherlich auch ein Alleinstellungsmerkmal, dass das Projekt von anderen unterscheidet. Im Tunnel blieben die Oberflächen schallhart, so dass „keiner auf die Idee kommt, hier ein Gespräch zu führen.“
Insgesamt bekamen Ursula Göhring und ihr Team die Akustik gut in den Griff. Die Decke war bereits akustisch wirksam. Zusätzlich hilft der textile Boden, den Schall zu schlucken. Die im Raum verteilten Module brechen die Schallwellen. „Der Schall läuft sich quasi tot.“
Vielseitige Arbeitsplätze
Das Angebot der Arbeitsbereiche ist vielseitig: Dazu gehören Desk Sharing, Räume für konzentriertes Arbeiten, Kommunikationsflächen für Zusammenarbeit, ein autarker Arbeitskubus für Web- und Videokonferenzen, einzelne Räume sowie Präsentationsbereiche. „Sicherlich wäre es schwieriger geworden, Mitarbeiter zum Desk Sharing zu animieren, die zuvor in einem Zwei-Personen-Büro gearbeitet haben. Der Vorteil bei dieser Abteilung war, dass viele der neuen Mitarbeiter agiles, flexibles Arbeiten bereits aus ihren alten Unternehmen kannten.“
Workshops helfen beim Wandel
Selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre: „Wir begleiten solche Change Prozesse und bieten Workshops an, in denen wir das Verhalten und die Arbeitsweise in solchen neuen Arbeitsflächen gemeinsam mit den Nutzern erarbeiten. Keine Vorgabe „Top down“, sondern „Button Up“, damit das Konzept funktioniert und gelebt wird. In einer Bibliothek senkt man schließlich automatisch die Stimme und würde nie auf die Idee kommen, quer durch den Raum zu rufen. Wenn ein neuer Raum entsteht, müssen genau solche Parameter vermittelt werden. Das ist auch Teil unserer Arbeit.“
Analoges und Digitales greifen ineinander
Mit jedem Projekt lernt die Innenarchitektin etwas dazu. Sie steht der Digitalisierung offen gegenüber und implementiert viele neue Entwicklungen auch in ihre Entwürfe. „Ich bin mittlerweile der Überzeugung, dass das Analoge nicht verschwinden wird, sondern dass es immer ein ineinandergreifen von analoger und digitaler Arbeit sein wird.“
Junge Kolleginnen fördern
In ihrem Team arbeiten 3 Innenarchitektinnen und eine Architektin. Es ist ein gutes Miteinander. Ursula Göhring gibt gern Verantwortung ab. Damit hat sie gute Erfahrungen gemacht. „Eine Kollegin hat während ihres Studium bei mir angefangen. Ich habe den Umfang der Verantwortung stetig gesteigert. Daraus wuchs ein solches Selbstvertrauen, dass sie nun Projekte auch schon komplett allein verantwortet. Das freut mich natürlich.“
Positive Emotionen
Ursula Göhring versteht sich als umfassende Gestalterin, die Räume mit Atmosphäre schafft und positive Emotionen hervorrufen will. Ihrer Meinung nach, wird der Wert eines gut gestalteten Raumes nach wie vor unterschätzt. „Wenn man sich mal die Krankheitstage anschaut, bei Mitarbeitern, die sich nicht wohlfühlen und sich dann überlegt, was ein Arbeitsplatz mit Wohlfühlatmosphäre bewirken kann, dann hat sich der Invest für den Innenarchitekten doch sofort amortisiert“, zeigt sie sich überzeugt.
Wir sind Gestalter
Private Projekte, wie der Entwurf eines Wohnhauses oder ein Kosmetikstudio, hat sie auch schon umgesetzt. „Solche Aufträge machen wir mit, weil wir Gestalter sind. Aber mein Schwerpunkt liegt bei den Arbeitswelten.“
Ursula Karoline Göhring
Ihr Studium absolvierte Ursula Karoline Göhring (Jg. 1975) in Coburg (1997–2002). Während des Studiums verbrachte sie als Trainee einige Monate bei Shigeru Uchida, Studio80 in Tokio sowie im Münchner Büro Schmidhuber+Partner. 2002 trat die Innenarchitektin dem bdia bei. Erfahrungen sammelte die Innenarchitektin bei Team4 in München (2002-2005). Nach Jahren als Innenarchitektin und Beraterin bei der RBS consulting group GmbH in München und im Anschluss als Director Design & Consulting bei Steelcase Werndl AG in Rosenheim (2011-2014) gründete Ursula Karoline Göhring Ende 2014 ihr Büro Göhring Innenarchitektur. Ihr Team setzt sich aus Architekten und Innenarchitektinnen zusammen. Seit 2015 unterstützt Göhring als selbstständige Beraterin und Innenarchitektin ihre Kunden im Prozess bei der Entwicklung von Arbeitsplatzkonzepten.
Fakten
Projekt: Arbeitswelten 4.0
Standort: Coburg
Bauherr: HUK Coburg AG
Bauaufgabe: Modulare Arbeitswelten, Bauen im Bestand
Konzeption, Innenarchitektur, Coaching: Ursula Karoline Göhring, Göhring Innenarchitektur, www.inn-go.de
Fertigstellung: Januar 2020
Tunnel: Schmitt Wiesentheid – Karl Schmitt GmbH
Alle anderen Einbaumöbel: Schreinerei Stahlmann GmbH
Produkte/Hersteller: Teppichböden von Interface, Desso; Vorhänge von Drapilux; Möblierung von Leuwico, Dauphin, Kinnarps, Hay, Bene; Besprechungscube von der Woodtec GmbH
Fotos: www.uli-graphics.de