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PearsonLloyd

Die Design-Choreografen
PearsonLloyd

“Schließlich sind wir auf etwas ganz Einfaches gekommen“. Mehr über das Mantra des Designerduos PearsonLloyd im Portrait von Heike Bering.

Text: Heike Bering

Luke Pearson und Tom Lloyd. Keiner der beiden hat Interesse daran, die Leistung an der eigenen Person aufzuhängen, und so haben sie einfach ihre beiden Nachnamen aneinander gehängt: PearsonLloyd. Sie sind die beiden führenden Köpfe des 1997 in London gegründeten Designstudios, hinter ihnen steht ein Team mit 10 Mitarbeitern. Ihren internationalen Durchbruch erlebten sie vor 8 Jahren (2003) mit einem Interieurkonzept für die Fluggesellschaft Virgin Atlantic Airways – und 2009 wurden sie in der Branche für ein neuartiges Objektmöbelkonzept gefeiert, das sie für bene entwickelt hatten. Ihr gestalterischer Ansatz ist breit – neben führenden internationalen Herstellern im Objektbereich sind ihre Auftraggeber auch Städte und Kommunen, Luftfahrtgesellschaften und Museen. Es gelingt ihnen immer wieder, Wettbewerbe für sich zu entscheiden – auch wenn sie in dem gefragten Bereich noch nichts vorzuweisen haben.
Offen für verschiedene Disziplinen
PearsonLloyd sehen es als Stärke, nicht auf eine bestimmte Disziplin oder ein bestimmtes Gestaltungsthema festgelegt zu sein. “Wir haben auch keine Vorlieben, was Materialien betrifft“, sagt Tom Lloyd in diesem Zusammenhang, und Luke Pearson ergänzt: “Wie die Dinge einmal aussehen werden und welche Materialien zum Einsatz kommen, entscheidet sich erst relativ spät im Entwicklungsprozess.“ Wer mit PearsonLloyd arbeitet, sollte keine Schnellschüsse erwarten. Auch wenn die Designer beobachten, dass sich die Zeiträume für Konzeption und Entwicklung dramatisch verkürzt haben, tangiert sie das offenbar wenig; sie lassen sich nicht davon abbringen, dass eine gute Lösung nur in einem Prozess entwickelt werden kann. Und der braucht Zeit.
Auf einer Wellenlänge
Lloyd und Pearson haben beide am Londoner Royal College of Art studiert. Luke Pearson machte seinen Master im Bereich Furniture Design, Tom Lloyd im Industrial Design. “Hier in England wird den Möbeldesignern nachgesagt, dass sie einen stärkeren Hang zum Individualismus und zum Kunsthandwerk hätten“, erläutert Lloyd, den Industriedesignern hingegen, dass sie eher rational seien und eine größere Bandbreite abdecken könnten. Diese in Großbritannien verhältnismäßig strikte Trennung wollten die beiden überwinden, indem sie ein gemeinsames Studio gründeten: “Wir haben schon früh gemerkt, dass wir professionell auf einer Wellenlänge liegen“, erzählt Luke Pearson, jeder von uns wollte in beiden Bereichen aktiv sein und einen schlichten Holzstuhl ebenso entwerfen können wie einen multifunktionalen Arbeitsstuhl.“ Auch ihre Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen bringen Impulse ins Studio.
“Wir wollen keine Designmanager werden sagen PearsonLloyd!“
Sie haben beschlossen, es bei einer Größe von maximal 12 Designern zu belassen, um nicht Gefahr zu laufen, zu “Designmanagern“ zu werden. Zudem befürchten sie, würden sie unendlich weiter wachsen, einen “breakdown of intelligence“, wie sie sich ausdrücken, eine Abnahme der Intelligenz. “Wir setzen alles daran, die Qualität unserer Arbeit zu sichern!“ betonen beide. Für ein Designbüro auf Erfolgskurs dürfte das nicht einfach sein.
Doch Luke Pearson und Tom Lloyd gehen davon aus, dass es für sie der richtige Weg ist. Im Jahr 2009 zeigte sich in der Objektmöbelbranche die herausragende konzeptionelle Stärke des Londoner Studios: Es war das Jahr, als der österreichische Hersteller Bene das Programm ’PARCS’ in den Markt einführte: entworfen von PearsonLloyd. Bevor das Projekt konkrete Formen annahm, wurde monatelang intensiv recherchiert, fanden etwa alle sechs Wochen Treffen mit Bene statt. Das Briefing des Unternehmens war zu Beginn des Projektes im Jahr 2006 sehr offen, was den Designern entgegen kam: “Wir machen generell die besten Erfahrungen, wenn wir Vorgaben gemeinsam mit unserem Kunden erarbeiten. Bei ’PARCS’ hat es fast ein Jahr gedauert, bis wir zum Design kamen“, erzählt Tom Lloyd. Bevor sie begannen, in räumlichen Zusammenhängen zu denken, standen ganz einfache Fragen im Vordergrund: Wie nutzen Menschen Dinge in ihrer Umgebung? Wie verhalten Sie sich? Welche Wünsche und Bedürfnisse haben sie? Wie entstehen kollektive Zusammenschlüsse, und wie grenzen sich Menschen voneinander ab. Schließlich: Wie markieren soziale Einheiten oder Gruppen ihr Terrain?
Lloyd und Pearson finden eine unerschöpfliche Inspirationsquelle in der genauen Beobachtung von öffentlichen Lebensräumen. Tom Lloyd zeigt ein Bild von Menschen, die sich auf der Spanischen Treppe in Rom niedergelassen haben, allein, paarweise, zu mehreren. “Wir sehen, dass eine bestimmte Umgebungen dazu anregt, sich zwanglos in Gruppen zusammenzufinden, oder auch ungestört allein oder zu zweit zu sein. Es ist die Beschaffenheit von Räumen, die menschliche Interaktion befördert oder behindert“, ist er sich sicher.
Das Alte im Neuen: Der Toguna
Da sie diese menschliche Interaktion unterstützen möchten, holen sie sich auch Anregungen aus anderen Kulturen oder gehen in die Vergangenheit zurück. Diese transformieren sie dann in die Gegenwart. Luke Pearson erzählt von der Bedeutung des Toguna für die Kultur der Dogon in Mali, Westafrika, ein Ort, der für das Objektmöbelprogramm Pate stand. Die Dogon hatten in jeder Ansiedlung einen Toguna. Lloyd und Pearson faszinierte die Idee des Toguna als “great shelter“, als großer Zufluchtsort, der für die Stammesangehörigen zentrale Bedeutung hatte. Später sollte sich dieser Bezug in dem Entwurf der ’Toguna’ wieder- finden, dem frei im Raum platzierbaren runden, halb offenen und akustisch abgeschirmten Mini-Besprechungsraum als wesentlicher Bestandteil des ‘PARCS’-Programms. Auch das niedrige, Schutz und Intimität gewährende Dach des historischen Toguna ging in das Designkonzept ein.
Das Großraumbüro: rigide Strukturen wie vor 100 Jahren
Luke Pearson möchte in diesem Zusammenhang auch noch auf etwas anderes hinaus: “Wir lassen bei der Recherche zunächst auch jede technische Erwägung außer Acht. Im Vordergrund steht für uns die Frage, wie wir auf das natürliche menschliche Verhalten eingehen können. Und wie es uns gelingt, gesellschaftlichen Wandel zu unterstützen.“ Sie haben analysiert, dass sich in den Strukturen von Großraumbüros seit 100 Jahren nichts verändert hat. Im Unterschied zum Jahr 1911 haben wir heute eine moderne Fassade, aber im Inneren meist ein rigides Raster, das aus einem Mittelgang und links und rechts davon starr angeordneten Arbeitstischen besteht. Die Situation ist nicht dazu angetan, zwischen den Mitarbeitern Kommunikation zu fördern oder konzentriertes Arbeiten zu unterstützen. “Es findet im Büroalltag keine Choreografie statt“, sagt Pearson, “da fließt nichts, es entsteht kein Miteinander: Alles Faktoren, die notwendig sind, wenn die Leute kreativ und produktiv sein sollen.“ Und natürlich fehle es an den Möglichkeiten, sich zurückzuziehen und konzentriert tätig zu sein.
“Richtige“ Arbeitsplätze gestalten, nicht nur In Between-Bereiche
Was ist denn nun das eigentlich Bahnbrechende an ’PARCS’? Hat die Industrie sich nicht insgesamt angestrengt, mit neuartigen Produkten beispielsweise Pausen- und Loungebereiche aufzuwerten? Für die britischen Designer bewegen sich die meisten Konzepte jedoch rein an der Oberfläche und innerhalb der alten Strukturen. “Was wir favorisieren, ist ein anderer Grundriss. Außerdem ist es für uns von elementarer Bedeutung, dass man mit ’PARCS’ nicht nur Wartezonen oder eine Lounge einrichten, sondern vor allem vollwertige Arbeitsplätze gestalten kann, “real workplaces!“ Auch wollten sie vorwegnehmen, dass die Leute in künftigen Büros wahrscheinlich keinen eigenen Arbeitsplatz mehr haben, sondern das Mobiliar von denjenigen genutzt wird, die gerade präsent sind. Das Konzept von ’PARCS’ ist auch für die effiziente Nutzung von Bürofläche interessant. Tom Lloyd: “Die Mieten in den Ballungszentren sind extrem hoch. Es ist daher notwendig, auch unter rein pragmatischen Aspekten zu überlegen, wie der teure und wertvolle Raum anders strukturiert und besser genutzt werden kann!“
Der Ausgangspunkt: Menschen in einem Raum
Tom Lloyd betont, dass der räumliche Bezug bei allen Projekten essenziell sei. Ebenso wie die Analyse des menschlichen Verhaltens in einem bestimmten räumlichen Zusammenhang. “Das ist die Basis – ob wir nun ein Interieurkonzept oder ein Wegeleitsystem entwickeln“. Als sie den Auftrag bekamen, ein Sitzmöbelkonzept für eine Fluggesellschaft zu entwickeln, spielten sie konzeptionell mit dem Thema “Reisen“: Was erwarten Menschen, die angenehm und komfortabel reisen wollen, in welcher Beziehung stehen sie zueinander? Wie lassen sich auf engem Raum Rückzugsmöglichkeiten schaffen? Kann man noch etwas von dem Flair vermitteln, das das Reisen früher hatte?
Im Jahr 2003 kamen die ersten Business Class-Passagiere an Bord der Virgin Atlantic Airline. Sie nahmen Platz auf den neuen ’Upper Class Seats’ von PearsonLloyd und waren begeistert; bald darauf wurde das Londoner Studio international bekannt. Ein Blick in die Business Class zeigt überraschend leicht und ergonomisch wirkende, sanft geschwungene Sitzmöbel, die sich einfach in eine flache und bequeme Liege umwandeln lassen. Die Trennelemente mit integrierten Displays übernehmen vor allem zur Schlafenszeit die Funktion von Trennwänden und bilden intime Räume. Lloyd und Pearson ließen sich von der Idee leiten, den Reisenden in einem gemeinsamen Raum ein hohes Maß an Privatsphäre zu vermitteln: “A new sense of shared experience!“, was sich in etwa mit “eine neue Qualität gemeinsamer Erfahrung“ übersetzen lässt. Sie erhielten für das Konzept des ’Upper Class Seat’ allein 11 internationale Designauszeichnungen.
Das Unmögliche möglich machen…
2009 überraschten PearsonLloyd die Bürger des englischen Städtchens Bath, historisch konserviert und Unesco-Kulturerbe, mit einem Wegeleitsystem. “Unsere größte Herausforderung lag darin, das Thema Gestaltung mit dem sehr gut erhaltenen architektonischen Bestand in Einklang zu bringen. Die Bevölkerung von Bath ist angetan von der Idee, das historische Stadtbild zu konservieren…“, beschreibt Luke Pearson die Besonderheiten dieser Aufgabe. Das Wegeleitsystem sollte Signalwirkung auf diejenigen haben, die sich Orientierung verschaffen wollen – und gleichzeitig so harmonisch in das Stadtbild integriert werden, dass es den Einheimischen nicht weiter auffällt. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, aber eine Aufgabenstellung nach dem Geschmack der Designer.
Was sie im Bereich Public Design bis dato vorzuweisen hatten, waren Stadtmöblierungsprojekte für Westminster und Sheffield. Für Bath realisierten PearsonLloyd schlichte, archaisch wirkende Bronzestelen, die aufs Feinste mit der historischen Architektur harmonieren. Diese integrieren in kreisrunden Öffnungen, die dem Besucher schon aus der Entfernung die Form einer Lupe signalisieren, die Lagepläne. Das Projekt ist sicherlich der perfekte Einstieg für weitere Aktivitäten im öffentlichen Raum. PearsonLloyd sehen aber auch noch einen anderen Bereich, der ihre Designkompetenz künftig in Anspruch nehmen wird: Es sind Produkte für Pflegeeinrichtungen und Kliniken: Mobile und leicht zu reinigende Sitzmöbel zum Beispiel, auch Stühle mit integrierten Toiletten. In ihrem Studio stehen gleich im Eingangsbereich ein paar Modelle herum: “Die Design-qualität in diesem Bereich ist so niedrig! Da können wir helfen.“ Es ist zu hoffen, dass uns Tom Lloyd und Luke Pearson bald auch in dieser Hinsicht mit klugen Konzepten und “einfachen“ Dingen überraschen.
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