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Michael Held über die Digitalisierung der Arbeitswelt

Kein Widerspruch zwischen analoger und digitaler Arbeitswelt
Michael Held

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Michael Held sieht keinen Widerspruch zwischen analoger und digitaler Arbeitswelt. Im Gegenteil: Der Design Director von Steelcase findet, dass sich die beiden perfekt ergänzen. Man muss nur wissen worin.

Interview Katharina Feuer

Alle gehen online. Aktenschränke verschwinden. Herr Held, was bedeutet die Digitalisierung für einen Büromöbelhersteller wie Steelcase?

Michael Held: Es ist ein Wandel. Wir gehen mit dem digitalen Wandel. Es ist ja zum Glück nicht so, dass gar keine Möbel mehr gebraucht werden, sondern der Bedarf ändert sich. Jetzt sind es Schließfächer anstelle der Aktenschränke, die gefragt sind. Und Möbel müssen etwas können.

Was müssen Möbel können? Können Sie das bitte am Beispiel Ihrer Flex-Kollektion veranschaulichen?

Einfach nur Räder unter alle Möbel zu montieren ist nicht die Lösung. Sie müssen alltagstauglich, anpassungsfähig, mobil, flexibel und dabei stabil sein. Da darf nichts wackeln. Unsere Möbel sollen die Schnittstelle zwischen der analogen und der digitalen Arbeitswelt bilden. Unser Ziel ist es, für die wechselnden Anforderungen im Laufe des Tages das Inventar zu liefern. Tische und andere Objekte lassen sich gruppieren und anders positionieren. Situationen wie „Oh, jetzt fehlt mir noch ein Whiteboard!“ soll es nicht mehr geben.

Das hört sich nach Workout an!

Mobil ist relativ. Wir sprechen von einer Mikrobewegung im Raum. Kein Mitarbeiter muss zum Möbelpacker werden. Diese aktive Gestaltung der räumlichen Situation sehe ich zudem sehr positiv. Eine Art Perspektivwechsel. Es ist doch so: Wir haben verlernt, uns zu bewegen.

In der Zeit, in der es keine digitalen Tools gab, sondern alles analog war, haben wir uns sehr digital verhalten. Die Digitalisierung macht uns wieder freier in unserem Bewegungsradius, hilft uns, wieder analog zu werden.

Wie kann man diese Veränderungen in ein mittelständisches Unternehmen transportieren?

Nicht alle sind Google, Uber oder Amazon. Aber mittelständische Unternehmen oder sogenannte Hidden Champions sind prädestiniert für diesen Wandel. Der Kontakt zum Geschäftsführer ist noch relativ einfach herzustellen, die Notwendigkeit des Wandels leichter zu argumentieren.

Wie geht man also vor?

Es geht nicht alles auf einmal. Es geht um vorleben, Ziele setzen, abwägen, ausprobieren, mitgehen und verwerfen. Das erfordert Mut. Es muss das richtige Maß an Veränderung gefunden werden. Unternehmen sind gut darin beraten, ihre Mitarbeiter mit einzubeziehen. Wenn der Wandel funktionieren soll, darf nichts über deren Köpfe hinweg entschieden werden. Jedes Unternehmen muss für sich überlegen, was Sinn macht.

Sie haben jahrelang in Hongkong und Singapur gelebt. Können wir bei diesem Wandel von den asiatischen Ländern noch lernen?

Man kann immer voneinander lernen. Die Digitalisierung ist auch die Chance, eine europäische Haltung zu entwickeln. Oft erlebe ich in Europa eine Art Verweigerungshaltung. Die politische Seite hat die Digitalisierung in meinen Augen komplett verschlafen. Da besteht ein hoher Nachholbedarf.

Und doch sollten wir Haltung demonstrieren. Der Schutz der Arbeitnehmer ist gut. Anderseits scheint mir in Deutschland Arbeit oft als ein notwendiges Übel angesehen zu werden. Europa wirkt auf mich gesättigt, träge, unflexibel.

Fordert man hier einen Arbeitnehmer auf, seinen Arbeitsplatz aktiv mitzugestalten, kann es passieren, dass man zu hören bekommt: „Ich bin doch nicht fürs Möblieren zuständig!“

Ihr Credo: Einfach mal machen?

In gewisser Weise, ja: In Deutschland wird immer sehr lange diskutiert, statt einfach mal zu machen. Das ist in anderen Ländern wie den USA und den Niederlanden anders.

Wir zeigen in der md viele Open-Space-Szenarien. Kürzlich erhielten wir die Rückmeldung, dass in einem bestimmten Fall das nicht funktionieren würde.

Das wundert mich nicht. Häufig wird einfach übertrieben. Lösungsansätze taugen nicht für alle. Oft fehlt die Vielfalt an Räumlichkeiten für unterschiedliche Bedürfnisse.

Michael Held, Sie halten Vorträge über das User Centric Design. Welche Theorie steckt dahinter?

Beim User Centric Design steht der Mensch im Mittelpunkt des Entwurfs. Wir wandeln unsere Ideen gleich in Prototypen um, modellieren, um die Maßstäblichkeit des menschlichen Körpers im Verhältnis zum Objekt zu setzen und zu sehen. Dafür führen wir Tests durch und observieren die Nutzbarkeit. So passiert es, dass von 100 Ideen nur zwei am Ende funktionieren. Das ist okay.

Schwieriger ist es, Studenten und jungen Mitarbeitern klarzumachen, dass wir zwar digital arbeiten, aber zugleich in die Dreidimensionalität gehen. Da sind handwerkliches Verständnis und Talent gefragt.

Was spricht dagegen, virtuell zu entwerfen?

Renderings sind toll und sehen super aus. Aber ich muss testen, ob der Entwurf auch in der Realität, also in der Dreidimensionalität funktioniert.

Entwerfen Sie als Design Director noch selbst?

Ich leite Teams in München, USA und Hongkong. Meine Aufgabe ist es in erster Linie, Teams zu bilden und zu inspirieren, ihnen Rückmeldung zu geben und abzuwägen, wer was entwickeln soll. Man muss ja nicht an drei Standorten an denselben Themen arbeiten. Dazu gehört die Förderung von Talenten, das Bilden von spezifischen Units und auch das Grenzen austesten.

Inwiefern testen Sie Grenzen aus?

Man muss bei Entwürfen und Ideen immer ein wenig über das Ziel hinausschießen, um die Grenzen neu zu verschieben.

Weitere Interviews finden Sie hier


Nach seinem Abschluss in Industriedesign an der Fachhochschule Darmstadt erhielt Michael Held (Jg. 1974) seinen Executive Master in Designkultur an der Hochschule für Kunst und Design Zürich. Es folgten Stationen in Designbüros in der Schweiz und Deutschland. Michael Held war Director Design Management bei Philips Electronics in Hongkong und Singapur bevor er 2014 zu Steelcase wechselte. Heute verantwortet er als Design Director das globale Produktdesign.

www.steelcase.com

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