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Lars Contzen

Designer im exklusiven md-Interview
Lars Contzen

Visionen von Farbe und Struktur: Lars Contzen im md-Interview über Gegenwart und Zukunft raumgreifender Gestaltung.

Die Fragen stellte Thomas Edelmann

In der Gestaltung von Innenräumen wurden Farben und Muster lange sehr zurückhaltend eingesetzt. Ein Label, das Sie mit begründeten, heißt ‚colourcourage‘ und will zum Einsatz von Farbe ermutigen. Sind wir mutig genug, wenn es um die Gestaltung von Räumen geht?
Lars Contzen: Mittlerweile hat der Mut zugenommen. Er ist in den letzten fünf bis zehn Jahren zurückgekehrt. Man war in den 1970er Jahren zwar sehr mutig, in der Dosierung allerdings war damals vieles überzeichnet und die Farbästhetik zuweilen sehr schrill. Womöglich hat man es übertrieben und die damals junge Generation ein wenig verschreckt. Deshalb hatten wir den positiven Zugang zu den Möglichkeiten der Farbe für lange Zeit eingebüßt. Es folgten drei ziemlich unterkühlte Jahrzehnte. Mit einigen experimentellen Ansätzen bildeten die 1980er Jahre eine Übergangsphase, doch an der Wand dominierte zunehmend Weiß. Später haben manche Menschen versucht, mit Wischtechniken selber aktiv zu werden, um mediterrane Effekte zu erzielen, was nicht unbedingt glaubwürdig rüber kam. Aber es wurde deutlich: Es gibt einen Wunsch nach Individualisierung und Emotionalisierung von Wohnraum.
Wie erklären Sie sich das?
Lars Contzen: Eine neue Generation, die mit den verstärkten visuellen Einflüssen des Internet aufwuchs und sich kulturübergreifend inspirieren lässt, will einfach emotionaler wohnen und sie will stärker ihre Identität über den Wohnraum ausdrücken.
Bis Ende der 1990er Jahre waren Sie als bildender Künstler tätig, arbeiteten in großen Formaten. Wie entdeckten Sie für sich das Feld der Raumgestaltung?
Lars Contzen: Ich habe auch in der Malerei sehr farbintensiv gearbeitet und habe zudem Möbel gestaltet, die allerdings eher handwerklich konzipiert waren. Ich hatte immer schon den Hang, aus der Zweidimensionalität auszubrechen und räumlich zu arbeiten. Aus der Malerei entwickelte ich grafische Strukturen, die zur Grundlage meines Produktdesigns wurden. Über die Produkte, die wir für Resopal und ACS realisieren konnten, entstand die Möglichkeit, den Raum homogen zu bearbeiten. Nach und nach entwickelte sich ein Netzwerk, zu dem führende Markenhersteller gehören.
Warum ist das wichtig für Ihre Arbeit?
Lars Contzen: Vielfach gab es für Werkstoffe, die in der Raumgestaltung eingesetzt werden, keine stilistisch und gestalterisch stimmigen Lösungen. Wir erschließen mit unseren Produkten den gesamten Raum, da wir ein abgestimmtes Szenario anbieten. Das Ornament, mit dem wir arbeiten, ist dann kein flaches, isoliertes dekoratives Element mehr. Es greift über in andere Formen und Werkstoffe, als Teil eines Gesamtkonzeptes. Damit wird es auch für den Architekten interessant und glaubwürdig. Und auch für den Auftraggeber ist diese Art der Raumgestaltung einleuchtend.
Der Designer Peter Maly, der in den 1970er Jahren in der Redaktion der Zeitschrift ‚Schöner Wohnen‘ arbeitete, hat in der Rückschau einmal gesagt, der größte gestalterische Fehler jener Zeit sei die Dekoration mit großformatigen Mustern gewesen, die zu viel Unruhe in den Raum gebracht habe. Das müssen Sie natürlich anders sehen, oder?
Lars Contzen: Das sehe ich auch anders. Allerdings hat sich die Situation seit damals sehr geändert. Kunst, Musik, Licht- und Raumgestaltung sind heute so stark miteinander verbunden, dass die Grenzen zunehmend verschwimmen. Vermutlich hat Maly sogar Recht. Das damalige Dekor war Pop, aber es war oft auch aufgesetzt und flach. Wenn der Raum heute grafisch aufgeladen wird, dann nutzen wir ästhetische Möglichkeiten, die es damals nicht gab. Wir arbeiten beispielsweise bei Oberflächen mit Matt-Glanz-Kontrasten, verwenden changierende Effekte und irisierende Farben, nutzen digitale Drucktechnik. Wir können einerseits experimentell mit Themen umgehen, trotzdem können wir uns auf einzelne Projekte einlassen und einzigartige Lösungen schaffen. Aus den Angeboten der Industrie und den neuen technischen Möglichkeiten sind sehr viel bessere Produkte entstanden. Sie sind ästhetisch gehaltvoller als das, was damals möglich war und passen in die heutige Kultur.
Sie haben einmal gesagt, dass Sie Einflüsse der Sport- und Jugendkultur aufgreifen und in marktfähige Entwürfe verwandeln. Wie wird aus Subkultur Mainstream?
Lars Contzen: In vielen Brett-Sportarten, ich meine hier nicht Schach, sondern Snowboarding, Skaten und Surfen, gibt es eine authentische visuelle Kultur. Wesentlicher Bestandteil ist das Sportgerät, im Grunde ein Laminatverbundstoff. Aber auch Mode, Webauftritte und Flyer spielen da eine Rolle. Ich lasse mich auf die Kultur dieser Sportarten ein und versuche sie zu interpretieren. Wie muss eine Grafik aussehen, die im Originalkontext bestehen würde, die ich aber in die Gestaltung industrieller Produkte übertragen kann. Für den Industriepartner war das anfänglich nicht leicht zu verstehen, denn es gab keine Beispiele, die den Erfolg dieser Vorgehensweise belegt hätten. Oftmals dauert es auch zwei, drei Jahre, bis es zum Trend wird.
Welche Faktoren prägen die Raumgestaltung heute?
Lars Contzen: Der Stilpluralismus ist eine bestimmende Größe. Der Mensch versucht Räume, die er nutzt, seiner Individualität anzupassen. In den 1970er Jahren waren Raumgestaltungen sehr austauschbar. Denken Sie nur an die Musikszene dieser Zeit. Es gab nur wenige Musikrichtungen. War man Anhänger von Rock oder Schlager, schloss das andere Optionen aus. Heute gibt es eine stilistische Differenzierung in der Musik wie in der Raumgestaltung. Und die Bereitschaft zu mischen, scheinbar Widersprüchliches zu kombinieren, ironisch zu sein, wächst.
Aber die Innovation ist seltener, neue Strömungen gibt es kaum.
Lars Contzen: Die gibt es durchaus, aber weil unser Denken heute mehr auf evolutionäre Veränderung abzielt, bemerken wir die innovativen Schritte kaum. Doch diese Strömungen drücken sich im Lebensgefühl und im Wohnen aus. Die Industrie ist auf Kleinmengen und Nischenlösungen weit besser vorbereitet. Wollte man in vergangenen Jahrzehnten etwas Neues produzieren, musste man hohe Hürden nehmen. Bei Tapeten wurde das Ganze erst bei einem Volumen von einer Tonne interessant, man brauchte 15 000 Quadratmeter als Einstiegsgröße. Durch digitale Techniken kann ich beispielsweise auf einer Messe die Publikumsreaktion testen. Inzwischen versuchen wir vom Digitaldruck weg zu kommen und setzen bei Herstellern auf Mut zur Großserie. Dass unsere Ideen funktionieren, haben wir bewiesen. Das wirkt sich günstig auf den Preis aus, denn wir haben den Anspruch, Design erschwinglich zu machen.
Wie wird sich die Gestaltung von Innenräumen künftig entwickeln?
Lars Contzen: Zunächst einmal hat sich die in die Oberfläche eingebettete Grafik nicht als Eintagsfliege erwiesen. Das war ein Vorurteil, das ich zu Beginn meiner Tätigkeit bei manchen Herstellern zu hören bekam: Das ist ein kurzfristiger Trend, der hat keinen Bestand. Ich bin seit über zehn Jahren mit meinem Konzept am Markt und die Entwicklung ist keineswegs abgeschlossen. Wir steigern immer noch unsere Verkaufsmengen, unser Netzwerk umfasst neue Partner: Es wächst unaufhörlich. Vielfach kann man eine Dekade erst in der Rückschau charakterisieren. Ich bin überzeugt, wenn man eines Tages auf die Zeit zwischen 2000 und heute zurück blicken wird, kann man sie als eine Epoche bezeichnen, die stark von der Grafik geprägt ist. Aktuell legt man auf Uni-Farben stärker wert. Grafik ist eine Selbstverständlichkeit geworden, aber deshalb kann man auch verhaltener damit umgehen. Es sind Nuancierungen und unterschiedliche Glanzgrade, die da heute eine Rolle spielen. Die Ästhetisierung findet in Feinheiten statt, die Oberfläche wird zum Juwel. Zugleich gibt es eine Technisierung etwa durch den Einsatz von LEDs. Meine Prognose ist, dass sich die Dominanz grafischer Gestaltung weitere zehn Jahre anhalten wird. Und schon heute hat sich diese Entwicklung als langlebiger erwiesen, als noch in den 1970er Jahren. Damals war es tatsächlich nur ein Strohfeuer.
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