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Zooey Braun: Der Blick für das passende Motiv

Der Fotograf über den Blick für das passende Motiv
Zooey Braun

In Kindertagen betrachtete der Architekturfotograf im Museum nur ein Kunstwerk – einen ganzen Nachmittag lang. Die heutige Bilderflut auf Instagram sieht Zooey Braun entsprechend kritisch. Über gutes Wetter und den Blick für das passende Motiv.

Interview Katharina Feuer

Wie beginnen Sie ein Projekt?

Zooey Braun: Ich starte meist damit, dass ich mir vom Architekten erste Ansichten des Projekts zukommen lasse, um zu wissen, um was es geht. Welche Besonderheiten gibt es? Welche Probleme vielleicht auch? Muss ich etwas beachten? Ich versuche, mich in das Projekt einzufühlen.

Welche Rahmenbedingungen müssen stimmen, damit ein Shooting vor Ort gelingt?

Zooey Braun: So banal das klingen mag: Der Schreiner muss fertig sein, die Scheiben sollten geputzt und der Baumüll entfernt sein. Auch eingepackte Möbel, die noch in der Ecke stehen, sind nicht förderlich für gute Aufnahmen. Darüber hinaus muss das Wetter stimmen — was auch immer das jeweils heißt — und Kaffee schadet auch nicht.

Gibt es denn schlechtes Wetter zum Fotografieren?

Zooey Braun: Das kann man nicht pauschal beantworten. Das hängt ganz vom Projekt ab. Tatsächlich sind manchmal Wolken oder ein grauer Himmel passender als ein strahlend blauer Himmel. Grundsätzlich lebt Fotografie von gutem Licht. Ich entscheide entweder gemeinsam mit dem Architekten oder intuitiv, welches Wetter zu einem Gebäude passt.

Erhalten Sie ein Briefing vom Architekten oder lässt man Ihnen freie Hand bei der Arbeit?

Zooey Braun: Es ist meine Arbeit, die Bilder, die das Wesen des Gebäudes zeigen, zu finden. Dabei kann eine Zusammenarbeit mit dem Architekten hilfreich sein. Es macht Sinn, abzufragen, welche Bereiche dem Architekten wichtig sind. Ein zu genauer Plan würde mir aber die Möglichkeit verbauen, neue Dinge zu entdecken.

Stellen heutige Handyfotos eine Konkurrenz zur Architekturfotografie dar?

Zooey Braun: Die Frage ist für mich eher: Was will ich mit den Aufnahmen erreichen? Natürlich kann ich mit dem Handy Fotos machen, die gut sind. Technisch gesehen bieten Handys mittlerweile eine Qualität, für die man vor 20 Jahren einen Kopfstand hätte machen müssen. Es bleibt die Frage des Motivs, nicht der technischen Umsetzung. Die Technik ist Nebensache.

Die Technik ist für Sie Mittel zum Zweck?

Zooey Braun: Die Ausrüstung macht nicht das Bild. Ein CAD-Programm baut auch kein Haus.

Welche „unsichtbare“ Arbeit steckt in Ihrem Werk?

Zooey Braun: Als Erstes muss ich das Gebäude kennenlernen, seine Besonderheiten und Qualitäten entdecken. Ich muss mir also ein Bild machen, um ein Bild machen zu können. Das ist der entscheidende Part.

Wenn ich ein Gefühl für den Ort entwickelt habe, beginnt die Umsetzung. Ich suche stimmige Ausschnitte, überlege, welche Lichtstimmung und Tageszeit passt und wie der Ablauf des Tages sein könnte. Manchmal räumen meine Assistentin und ich auch um, weil zum Beispiel ein Sofa zu weit vorne steht. Nach dem Fotografieren kommt die Datenbearbeitung. Auch hier versuche ich eine dem Gebäude entsprechende Stimmung einzufangen, was viel Zeit und Hingabe erfordert.

Gibt es Dos und Dont’s für eine gute Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Fotograf?

Zooey Braun: Es funktioniert immer dann gut, wenn das Verhältnis partnerschaftlich ist. Das setzt voraus, dass man die Arbeit des jeweils anderen schätzt.

Wie wichtig sind Detailaufnahmen?

Zooey Braun: Das kann ich nicht pauschal beantworten. Manchmal sind sie wichtig, manchmal nicht.

Sie fotografieren selten Räume mit Menschen. Warum?

Zooey Braun: Dazu gibt es praktische als auch theoretische Überlegungen. Was will man zeigen? Die „reine“ Architektur oder das Leben, das in den Räumen stattfindet? Möchte man Menschen im Raum oder Räume mit Menschen fotografieren? Beides ergibt Sinn.

Daneben gibt es praktische Gründe wie Nutzungsrechtsfragen, die Menschen selbst und der Zeitaufwand. Die Anfrage lautet oft: „Wir möchten unsere Bilder gerne mit Personen.“ Darauf erwidere ich immer: „Prima, bringt sie mit.“ Dann hat sich das leider oft erledigt.

Woran liegt das?

Zooey Braun: Ein schönes Beispiel ist ein Kindergarten. Für jedes einzelne Kind müssen die Nutzungsrechte geklärt werden. Damit ist das Thema meist vom Tisch. Ein weiterer Grund, woran es oft scheitert, ist die Zeit, denn Aufnahmen mit Personen dauern länger. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Kosten steigen.

Was verlangen Sie als Architekturfotograf?

Zooey Braun: Wenn jemand anfragt, mache ich ein Angebot, je nach Arbeitsaufwand und gewünschten Nutzungsrechten.

Was denken Sie als professioneller Fotograf über Instagram?

Zooey Braun: Es ist eine gute Möglichkeit zu recherchieren, sich zu vernetzen und die eigene Reichweite zu erhöhen. Aber: Es ist auch ein großer Zeitfresser und man kann sich leicht verlieren. Ich mag es nicht.

Warum sehen Sie das so kritisch?

Zooey Braun: Wenn man Instagram effektiv nutzen will, ist es mit viel Aufwand verbunden und sorgt zumindest bei mir für eine Reizüberflutung. Ich bin früher nach der Schule ins Museum gegangen und habe mir ein einziges Werk angeschaut, an einem Nachmittag. Und jetzt habe ich 580 Bilder in zwei Minuten. Was will ich damit? Das ist mir zu viel.

Befassen Sie sich mit dem Thema Video? Stellt es eine Konkurrenz für Architekturfotografie dar?

Zooey Braun: Ganz ursprünglich wollte ich Filme machen. Daraus wurde nichts, wie man weiß (lacht). Ich beschäftige mich nicht mit Bewegtbildern, da ich nicht wüsste, wie ich die Vorstellungen in meinem Kopf mit einem adäquaten Aufwand umsetzen könnte.

Warum sollte man überhaupt noch fotografieren, wenn Renderings hyperrealistisch sind?

Zooey Braun: Renderings werden von Unternehmen in Auftrag gegeben für Autos, Möbel und andere Lifestyleprodukte. Da ergeben sie auch Sinn. Es ist unter Umständen billiger, man hat keine Probleme mit der Location und es sieht gut aus. Es ist ein Werkzeug von vielen.

Ein Rendering bildet aber nie die Realität ab. Wenn man ein Haus fotografiert, dann entdeckt man unerwartete räumliche Qualitäten. Das Architekturfoto verfügt über eine dokumentarische Qualität, die das Rendering nicht bieten kann, weil es nur in Gedanken existiert.

Wie viele Motive benötigt man im Schnitt, um ein Projekt angemessen zu präsentieren?

Zooey Braun: Das kann man pauschal nicht beantworten, da Projekte unterschiedlich groß sind. Normalerweise sind es zwischen 15 und 50, doch es gibt auch Projekte, da sind es am Ende nur drei Bilder.

Sie sehen unglaublich viel Architektur. Welcher Bau hat Sie in Ihrer Karriere am meisten beeindruckt? Warum?

Zooey Braun: Schwierig. Das sind teilweise Bauten, die ich ohne Auftrag fotografiert habe, weil ich die Architektur so beeindruckend fand, wie die Kapelle von Zumthor. Spannend sind Projekte, bei denen man merkt, dass sich die Architekten viel mit dem Entwurf und Details beschäftigt haben. Wenn man herausfindet, dass die Klingel genau an der richtigen Stelle sitzt und eigentlich nirgendwo anders sitzen kann. Das begeistert mich. Und das kann einem bei ganz verschiedenen Gebäuden passieren.

Warum sind Sie Architekturfotograf geworden?

Zooey Braun: Ursprünglich wollte ich das gar nicht. Ich wollte Menschen fotografieren. In meiner Familie gibt es viele Architekten – davon wollte ich mich abheben. Aber das Thema hat mich eingeholt. Ich habe gemerkt, dass ich mich in Gebäude „verlieben“ kann. Es ist ein Glücksgefühl, wenn ich glaube zu verstehen, was in einem Gebäude steckt. Darüber hinaus gefällt es mir, unterwegs zu sein, neue Orte kennenzulernen. Auch die Arbeitsweise, die Mischung aus Präzision und Improvisation, entspricht mir sehr.

Wie oft erleben Sie, dass man Ihre Bilder ohne entsprechende Vereinbarung oder Bezahlung verwendet?

Zooey Braun: Jede unerlaubte Nutzung ist eine zu viel und beraubt uns Fotografen unserer wirtschaftlichen Grundlage. Das Thema ist heikel und gäbe Raum für ein weiteres Interview.


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Foto: Laura Korn

Zooey Braun

Der Weg zur Fotografie war kein gerader: Zooey Braun (Jg. 1966) liebäugelte mit Theater, Jura, Film, studierte Politologie und schließlich Visuelle Kommunikation in Dortmund. Seit über 20 Jahren porträtiert er Gebäude und geht dabei mit größter Präzision, Zurückhaltung und Ruhe ans Werk.

Webseite des Fotografen

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