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Stefan Rappold von Behnisch Architekten über Schulgebäude

Wie das Bauen von Lerngebäuden gelingt
Stefan Rappold von Behnisch Architekten

Pädagogische Konzepte ändern sich und damit auch die Anforderungen an die Schulgebäude: Architekt Stefan Rappold legt Wert darauf, dass sie neben der Wissensvermittlung besonders dem sozialen Austausch dienen. Das beeinflusst die Gestaltung.

Autorin Katharina Feuer

Der Zeitpunkt hätte symbolträchtiger nicht sein können: Genau zwischen der ersten und zweiten Coronawelle, in der viele Kinder zum ersten Mal seit Wochen ihre Klassenkameraden wiedersehen, findet die offizielle Schlüsselübergabe der Gotthard-Müller-Schule, Grund- und Gemeinschaftsschule statt. Trotz des bedeutsamen Moments sei es lediglich ein kleiner, ausgewählter Kreis im Foyer gewesen. Wenig feierlich. Dabei seien alle stolz auf die tolle Zusammenarbeit und das Ergebnis gewesen, erinnert sich Stefan Rappold, Projektleiter und Partner bei Behnisch Architekten.

„Eine endgültige Rückmeldung, wie der Bau im Vollbetrieb funktioniert, haben wir bis heute nicht. Die Schule konnte wegen der Pandemie nur partiell genutzt werden. Es gibt Räume, in denen noch keine Minute Unterricht stattgefunden hat.“

Was ist Schule eigentlich?

Dennoch zeigt sich Rappold überzeugt, dass das Gebäude heute nicht anders aussehen würde, selbst wenn man die Erfahrungen aus der Pandemie in die Gestaltung mit einbeziehen würde. „Wir würden es wieder so machen.“ Es ginge bei Schulen um pädagogische Konzepte, die einen neuen Rahmen bräuchten. „Jede Schule ist ein eigenes Projekt, dessen länderspezifische und bildungsspezifische Besonderheiten man beim Entwurf beachten muss. Es gibt daher keinen Plan, den wir aus der Schublade ziehen können. Wir beziehen 95  % unserer Projekte durch Wettbewerbe. Der Wettbewerbsentwurf ist das Grundgerüst, mit dem wir in die Detailplanung gehen. Man lernt immer dazu!“

Räume müssen flexibel sein

Was ist Schule eigentlich? Wie vermittelt man Wissen? „Schule ist schon längst nicht nur ein Ort der Wissensvermittlung. Sie ist ein sozialer Ort. So ändern sich auch die Anforderungen an das Raumprogramm. Die Räume müssen mittlerweile flexibel sein und zusätzliche Funktionen erfüllen, so dass sie auch nach dem Unterricht und in den Abendstunden genutzt werden können.“

Auf die Frage, ob die Digitalisierung einen Einfluss auf die Gestaltung der Räume hat, zeigt sich der Partner bei Behnisch Architekten gar überrascht. „Alles wichtig. Alles richtig. Und natürlich brauchen Schulen schnelles Internet durch entsprechende Anschlüsse für eine flexible, vielseitige Anwendung. Aber ob ich nun auf ein Whiteboard schreibe oder auf eine Tafel, ob ich einen Text an die Wand beame oder mit großen Bildschirmen arbeite – diese Nuancen haben wenig mit der Gestaltungsqualität eines Raumes zu tun. Das Medium der Wissensvermittlung ist nicht maßgebend. Wichtiger sind die Fragen: Wo ist der Lehrer? Und wie will dieser mit den Schülern zusammenarbeiten?“

Das Klassenzimmer kann überall sein

Andere Punkte seien entscheidend für die Gestaltung: Licht- und Akustikplanung, Raumklima, Atmosphäre, Materialien und deren Haptik. Es sind die Grundpfeiler des Innenraums – Decke, Wand, Boden –, die eine unmittelbare Auswirkung auf das Erscheinungsbild und die Wirkung auf zukünftige Nutzer hätten.

Am Beispiel der Gotthard-Müller-Schule erklärt der 55-Jährige Unterschiede zu früheren Ansätzen. „Es gibt immer noch das Klassenzimmer, aber das ist nur ein Ort von vielen, an dem Schüler mit Lehrern zusammenkommen. Beispielsweise war früher der Flur ein Schlauch, von dem die Klassenräume abgegangen sind. Heute ist er ebenso ein pädagogischer Raum, das erweiterte Klassenzimmer.“

Worte wie Transparenz, Interaktion, Flexibilität und Lernhauscluster fallen. Diese Grundgedanken transportieren die Gestalter von Behnisch Architekten auch in den Außenraum. Die Balkone des Gebäudes sind so großzügig bemessen, dass sie zum Unterricht im Freien taugen. Mit anderen Worten: Es gibt immer noch den klassischen Frontalunterricht, aber er ist nur eine Möglichkeit von vielen.

Unterricht innen wie aussen

„Wir hatten den Anspruch, dass jeder Klassenraum als Lieblingsort taugt. Ich persönlich finde die Vorzonen der Klassenzimmer besonders gelungen. Sie bieten „Begegnungsräume“, taugen als Treffpunkte, aber gewähren auch Einblicke, Ausblicke und fördern die Orientierung.“ Orientierung gibt an der Gotthard-Müller-Schule die Farbgestaltung. Sie ist identitätsstiftend, beeinflusst die Stimmung und ist nicht zuletzt ein prägendes ästhetisches Element. „Der Farbgestaltung ging die Frage voraus, wieviel können und müssen wir vorgeben? Ich finde nicht, dass man nur nackte Wände haben muss, die dann von den Kindern beklebt werden.“

Zukünftig sieht Stefan Rappold die Themen Raumkonfiguration und Inklusion in den Fokus rücken. „Inklusion bedeutet nicht nur, Gebäude frei zugänglich zu errichten. Beim barrierefreien Bauen geht es auch um Raumakustik. Generell wollen wir Gebäude schaffen, die ein gutes Raumgefühl vermitteln. Ich will ein kleines Beispiel nennen: Holz eignet sich haptisch viel besser für einen Handlauf als Metall.“

Jede Schule ist anders

Dennoch könne er kein Gestaltungshandbuch auflegen, und eine Liste für die Dos und Dont‘s erstellen. „Jede Schule ist anders. Und da wir nicht in die Zukunft schauen können, muss man sich immer wieder neu mit den wechselnden Anforderungen auseinandersetzen. Das ist aber auch das spannende an der Bauaufgabe!“


Fakten

Projekt: Gotthard-Müller-Schule

Bauaufgabe: Neubau einer zweizügigen Grund- und Gemeinschaftsschule für etwa 500 Schülerinnen und Schüler, Erweiterung und Sanierung der Realschule Bernhausen sowie die Gestaltung der gesamten Campus-Außenanlagen

Standort: La Souterrainer Straße 9, 70794 Filderstadt-Bernhausen

Fertigstellung: 2020

Bauherr: Stadt Filderstadt

Architektur: Behnisch Architekten, Stuttgart

Projektleitung: Stefan Rappold (Partner), Kyra Willems, Florian Waller, Landschaftsplanung: Andreas Peyker

Wettbewerb: 2016, 1. Preis

BGF: 9498 m2

Fotos: David Matthiessen


Foto: David Matthiessen

Stefan Rappold (Jg. 1966) studierte nach seiner Schreinerlehre Architektur in Stuttgart und arbeitete in verschiedenen Architekturbüros, bevor er 1999 zu Behnisch & Partner wechselte. Seit 2011 ist er Partner bei Behnisch Architekten. Seine Projekte umfassen die Adidas Arena in Herzogenaurach, das Sportbad Friedrichshafen sowie die Edge Elbside in Hamburg.

www.behnisch.com

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