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Selbstheilende Oberflächen

Entwicklung von Kunststoffkompositen
Selbstheilende Oberflächen

Oberflächen aus einem Material, das sich wie die menschliche Haut bei Verletzungen selbst heilen kann? Diese futuristisch anmutende Vorstellung ist bereits Wirklichkeit.

Autorin Christiane Sauer

Schon feine Haarrisse in mechanisch beanspruchten Werkstoffen können sich im Laufe der Zeit ausweiten und Dimensionen annehmen, die zum Versagen ganzer Materialkomponenten führen können. Denkt man hierbei an den Einsatz von Kunststoffkompositen bei Flugzeugflügeln, Raumschiff-Oberflächen, Brückenkonstruktionen oder auch medizinischen Prothesen und Implantaten erkennt man die Relevanz der Entwicklung sogenannter selbstheilender Oberflächen.

Kunststoffe bilden ein ideales Ausgangsmaterial für diese Technologie, da sie individuell chemisch komponiert werden können. Vor rund acht Jahren entwickelten US-amerikanische Forscher an der Universität of Illinois in Urbana Champaign ein Verfahren, „heilende“ Mikrokügelchen von etwa 100 Mikrometer Durchmesser (dies entspricht 1/10 Millimeter Größe) in eine Polymermatrix einzubetten.

Bildet sich ein Riss im Kunststoffmaterial, werden auch die Mikrokugeln an dieser Stelle verletzt und setzen eine Flüssigkeit frei, die mit einem Katalysator reagiert, der ebenfalls in den Kunststoff eingebettet ist. Durch die Reaktion der beiden Komponenten wird ein Polymerisationsprozess an der verletzten Stelle gestartet und das Material regeneriert sich von selbst.

Der Nachteil bei dieser Technologie liegt darin, dass der Prozess nicht beliebig wiederholbar ist, da einmal aufgeplatzte Mikrokugeln für den Prozess verbraucht sind. Ein neues Verfahren zielt darauf ab, das biologische Vorbild der Haut genauer nachzuahmen. Die biologische Hülle besteht aus vielen Gewebeschichten, die mit einem Netzwerk von feinen Blutgefäßen durchsetzt sind. Diese arbeiten bei einer Verletzung zusammen und schließen die Wunde durch Blut und heilende Bestandteile, die in den Gefäßkapillaren zur verletzten Stelle transportiert werden. Dieses Prinzip lässt sich bei kleinen Verletzungen auch an derselben Stelle beliebig oft wiederholen.

Analog hierzu entwickelten die Forscher einen Ansatz, der auf der Zirkulation der reparierenden Flüssigkeiten im Material basiert. Hierzu wird als Teststück ein Kunststoffblock aus Epoxidharz hergestellt, in den ein Gerüst aus sich kreuzenden Mikrokanälen integriert ist, durch die die flüssige Heilsubstanz geleitet wird. Wird nun die Oberfläche durch Risse verletzt, gelangt durch die Kapillarwirkung die Flüssigkeit genau dorthin, wo sie benötigt wird und reagiert mit ebenfalls im Kunststoff eingebetteten Katalysatorpartikeln. Risse und Unebenheiten werden gefüllt, der Prozess lässt sich mehrfach wiederholen, da die Heilsubstanz über die Kapillarbahnen im gesamten System immer neu verteilt werden kann.

Nicht nur Kunststoff-Oberflächen, auch Metallbeschichtungen

Neueste Entwicklungen beschränken sich nicht nur auf Kunststoff-Oberflächen. Inzwischen ist es gelungen, Mikrokugeln auch in Metallbeschichtungen zu integrieren. Es wurden Tests durchgeführt, um die Funktionsfähigkeit zu überprüfen. Hierfür wurde mit einer Rasierklinge die 100 Mikrometer dicke Polymerschicht auf einer Stahlplatte eingeritzt und in eine Salzwasserlösung gelegt. Bei dem beschichteten Probestück zeigten sich auch nach 120 Stunden keine Anzeichen von Korrosion, während sich bei einem unbeschichteten Vergleichsmuster bereits nach zwei Stunden Rostformationen zeigten, die sich auch über den Kratzer hinaus ausbreiteten.

Forschern an den Universitäten Stuttgart und Duisburg/Essen ist es gelungen, in einem weiteren Schritt Nanokapseln herzustellen, die die nur noch im Elektronenmikroskop sichtbare Größe von 100 – 500 Nanometern aufweisen und in einem modifizierten galvanischen Prozess zusammen mit den Metallkomponenten eine funktionale Kompositbeschichtung bilden. Die Nanokapseln beinhalten eine ölhaltige Flüssigkeit, die bei mechanischen Beschädigungen der Oberfläche freigesetzt wird und die entsprechende Stelle gleichsam „einsalbt“ und so vor Korrosion schützt. Der Begriff der Salbe ist nicht weit hergeholt, da dieses sogenannte „magic bullet“ Konzept ursprünglich aus der Kosmetikindustrie stammt, wo schon seit einiger Zeit mit Wirkstoffen gefüllte Mikrokapseln eingesetzt werden, die zum passenden Zeitpunkt ihren Inhalt freisetzen.

Verbesserung der Langlebigkeit von Materialien und Oberflächen

Reale Umsetzungen im Maschinenbau, Produktdesign oder Bausektor sind sicher noch ein paar Jahre entfernt. An der Praxistauglichkeit der Werkstoffe wird mit Hochdruck gearbeitet. Sie werden dazu beitragen nicht nur die Sicherheit, sondern auch die Langlebigkeit von Oberflächen und Materialien zu verbessern und somit bei allem Hightech auch einen wichtigen Schritt in Richtung Ressourcenschonung gehen.

Kontakt:

University of Illinois at Urbana Champaign Beckman, Institute Dept. of Materials Science and Engineering, Prof. Paul Braun pbraun@illinois.edu

Universität Stuttgart Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF), Dr. – Ing. Claudia Beatriz dos Santos

Universität Duisburg/Essen Fachbereich Chemie

Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), Schichttechnik, Stuttgart

Weitere Materialentwicklungen und -anwendungen finden Sie hier

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