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Energieautarkes Lehmhaus

Raum und Material
Energieautarkes Lehmhaus

Regionale Materialien im neuen Kontext – energieautarkes Lehmhaus in Deitingen/CH

Autorin Christiane Sauer

Ein innovatives Wohnhaus – Lehmhaus – herzustellen, das Energie autark, Umwelt und Ressourcen schonend und frei von Giftstoffen sein sollte, war die Aufgabe, die der ambitionierte Bauherr, ein Gärtnermeister aus Deitingen in der Schweiz, dem Team von spaceshop architekten aus Biel stellte. Diese entwickelten das Konzept aus den lokalen Ressourcen heraus und fanden eine gleichermaßen ortsverbundene wie zeitgemäße Lösung.

Auf dem Areal befanden sich bereits ein Bauernhaus, ein Blumenladen und ein Gewächshaus sowie eine großzügige Gartenfläche, die als Baugrund diente. Die Autarkie des Lehmhauses unter haustechnischen Gesichtspunkten wie Wasserentsorgung und Heizung, die abgekoppelt vom öffentlichen Netz und ohne fossile oder nukleare Energie funktionieren sollte, stand im Vordergrund des Entwurfs.

Schmaler Durchgang in massiver Lehmwand

Räumlich bildet der Neubau das Bindeglied zwischen dem Hofraum, dem Bestandsgebäude und dem Garten. Zwei L-förmige, massive Lehmwände bilden das gestalterische und konstruktive Rückgrat des Baus und spannen drei Innenräume auf, die jeweils nur durch einen schmalen Durchgang in der massiven Lehmwand verbunden sind. Im Zentrum des Lehmhauses steht ein Stückholz-Zentralheizherd, dessen Abwärme zur Raumbeheizung genutzt wird und der zugleich für Heißwasser sorgt.

Das Frischwasser kommt aus eigener Quelle, das Brauchwasser wird über eine Sandpflanzenfilteranlage gereinigt und kann in der Gärtnerei weiter verwendet werden. Es gibt keinen Anschluss an die Gemeindekanalisation. Strom wird über eine Photovoltaikanlage auf dem Dach generiert, der Bauherr verzichtete auf Internet-, Fernseh- und Telefonanschluss. Die Wahl der Materialien fiel auf Naturstein, Holz, Lehm und Stroh. Dabei wurde der Gesamtgehalt an Grauer Energie für Herstellung, Transport und Entsorgung berücksichtigt.

Aufwand an Grauer Energie für das Lehmhaus halbiert zum koventionellen EFH

Die Baustoffe stammen aus maximal 10 km Entfernung, so dass kaum Energie für den Transport aufgewendet werden musste. Sie blieben „unveredelt“, wurden also ohne energieaufwändige Verarbeitungsprozesse eingesetzt und lassen sich deshalb auch problemlos recyceln. Der Aufwand an Grauer Energie für das Lehmhaus konnte im Vergleich zu einem konventionellen Einfamilienhaus um die Hälfte reduziert werden.

Die Architekten entwickelten technisch und bauphysikalisch angemessene, aber einfache Detaillösungen, die sich gestalterisch eine gewisse Rohheit bewahren, was den speziellen Charme des Hauses ausmacht. Der Bauherr hatte beispielsweise bereits jahrelang Abbruch- und Grabsteine aus der Umgebung gesammelt, die nun mit einfachen Lagerfugen aus zementfreiem Trasskalkmörtel zum Gebäudesockel werden.

Als Dämmung dienen Strohballen

Konstruktiv ist das Haus als Hochparterre ausgebildet, da so trotz des hochstehenden Grundwasserspiegels auf zusätzliche Abdichtungen verzichtet werden konnte. Die konstruktiven Deckenbalken und Stützen in den Wänden sind aus lokalem Fichtenholz, das massiv und unverleimt verarbeitet wurde. Das Balkenraster orientiert sich am Maß der in Decke und Boden als Dämmung verwendeten Strohballen. Die Länge des Gebäudes ergibt sich somit als ein Vielfaches des „Strohballenmoduls“.

Wände entstehen in Lehmwellerbauart

Auch im Innenraum taucht die Fichte mit gehobelter und gewachster Oberfläche als Bodendiele bzw. in unbehandelter und sägerauer Ausführung als Deckenverkleidung wieder auf. Auffälligstes Bauelement sind sicherlich die Lehmwände. Sie wurden in sogenannter „Lehmwellerbauart“ hergestellt, die bis zum 19. Jahrhundert besonders in ländlichen Bauweisen üblich war und heute in Vergessenheit geraten ist. Hierfür wird ein Gemisch aus Lehm und Stroh mit einer Mistgabel aufgeschichtet. Eine aufwändige Schalung ist für die Herstellung nicht notwendig. Die Seitenflächen werden nach dem Aufschichten mit einem Spaten gerade „abgestochen“. So entsteht die fertige Wand.

Wandstärke von 80 Zentimetern war notwendig für die Stabilität

Eine Wandstärke von 80 Zentimetern war hierbei notwendig, um ausreichende Stabilität und Dämmung zu gewährleisten. Die Wände wirken auch im Sommer als Klimapuffer, sorgen für eine ausgeglichene Raumfeuchte und absorbieren unangenehme Gerüche wie Zigarettenrauch oder Kochdünste. Das Leben mit autarker Energieversorgung fordert vom Bauherren stetigen Einsatz mit Arbeiten wie Holzhacken oder Kompostierung, was dieser aber nicht als notwendiges Übel, sondern als ein neues persönliches Ritual und Teil seiner Lebensqualität sieht.

Ungewöhnliches Beispiel für zeitgemäßes und verantwortungsbewusstes Bauens

Das Gebäude folgt hierbei eher einer sehr individuelleren Vision als den allgemeinen Standards für Niedrigenergiehäuser, für die beispielsweise technisch aufwändige Lüftungsanlagen nötig gewesen wären. Dieses „Low-Tech“-Haus besticht durch seine intelligente Einfachheit und Effizienz.

Seine Stärke liegt darin, dass Planung, Materialisierung und Konstruktion von Anfang an als Einheit entwickelt wurden. So entstand dieses ungewöhnliche und in seiner Einfachheit überzeugende Beispiel zeitgemäßen und verantwortungsbewussten Bauens.

spaceshop architekten gmbh, Biel/CH, www.spaceshop.ch

Fotos: Stefan Weber Grafiken: ©spaceshop

Weitere Materialentwicklungen und -anwendungen finden Sie hier

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