Bedruckte Glaspaneele sind das Geheimnis der semitransparenten Fassade. Die Bibliothek der Folkwang Universität Essen inszeniert ihre edle Hülle wie eine barocke Wunderkammer.
Autorin Christiane Sauer
Die Folkwang Universität der Künste hat ihren Hauptsitz in Essen, in einer ehemaligen Benediktinerabtei aus dem 8. Jahrhundert, die im 18. Jahrhundert zu einer fürstlich barocken Residenz umgebaut und 100 Jahre später zu einer Strafanstalt umgewidmet wurde.
Neubau von Max Dudler
Das Lazarettgebäude des Ensembles auf der Südseite des Ehrenhofes wurde 1969 abgerissen und nun durch den Neubau von Max Dudler wieder ergänzt, ohne die vorherige Baufigur zu reproduzieren.
Das im September 2012 eröffnete Bibliotheksgebäude geht auf einen Realisierungswettbewerb aus dem Jahr 2006 zurück. Der neue Monolith passt sich mit seinem Volumen in die umgebende Bebauung ein, nimmt jedoch in seiner Oberfläche mit den bedruckten Glaspaneelen eine ganz neue Gestaltungsrichtung.
Bibliotheksgebäude als Monolith
Als homogene Haut zieht sich eine vorgehängte Fassade um das Gebäude. Von weitem wirkt sie steinern, aber in der Annäherung spielt sie mit der Wahrnehmung des Betrachters. Der vermeintliche Stein erscheint plötzlich gläsern, in der Dämmerung gar transparent. Das Geheimnis dieser Fassade sind bedruckte Glaspaneele.
Glaspaneele spielen mit der Wahrnehmung
Max Dudler und sein Team entwickelten die Gestaltung der Glaspaneele gemeinsam mit dem Berliner Fotografen Stefan Müller. Im niederbayrischen Steinbruch Marching wurde Drosselfelser Kalkstein abfotografiert und in Originalgröße hoch aufgelöst und detailreich auf die Glasoberfläche der Glaspaneele übertragen. So sind aus der Nähe sogar Sägespuren, Bruchkanten und Körnungen des Gesteins zu erkennen.
Über die gesamte Fassade sind insgesamt zwölf Motive abwechselnd so verteilt, dass ein homogenes Bild ohne Wiederholungseffekt entsteht. Diese Anzahl wurde auch in Referenz an die elementare Bedeutung der Zahl Zwölf in der Musik gewählt.
Konzentration auf den Innenraum
Mittels eines speziellen UV-Digitaldruckverfahrens wurden die Motive in Kooperation mit der Firma Tiffany Glaskunst TGK auf die Glaspaneele übertragen. Hierbei entsteht eine Spannung in der Wahrnehmung zwischen dem plastischen Motiv und der flachen Druckfläche.
Es wird die Illusion eines Materials erzeugt – ähnlich wie bei der Scagliola Technik, dem sogenannten “Stuckmarmor” der Renaissance, bei dem unterschiedlich gefärbte Gipsmassen Marmor imitieren, oder der Sgraffito Technik, die eine Tiefe der Putzoberfläche suggeriert.
Vollflächige Bedruckung der Glaspaneele
Durch die vollflächige Bedruckung der Glaspaneele konnte auf externen mechanischen Sonnenschutz verzichtet werden. Die Fassadenteilung ist eine Fortführung des strengen räumlichen Rasters, das den Innenraum mitsamt seinen Einbauten gliedert. Hierbei bildet die zarte, filigrane Maserung der Steinmotive einen Kontrapunkt zu den massiv wirkenden Regalen und Stützenverkleidungen aus Kirschholz.
Transluzente Fassade
Die transluzente Fassade, durch die kein direkter Blick nach draußen möglich ist, verstärkt den konzentrierten Charakter des Innenraumes. Gelbgolden schimmert das Licht durch die Wände und erzeugt eine fast meditative Stimmung.
Wie ein Schmuckkästchen schützt die edle Hülle der Glaspaneele so den eigentlichen Kern: den Lesesaal mit den Büchern, der das geistige und räumliche Zentrum des Hauses bildet. Die bedeutende Sammlung umfasst heute rund 190 000 Bild- und Tonträger, Bücher und sonstige Medien, die bislang in verschiedenen Archiven und Bibliotheken der Region verteilt waren und dank des Neubaus nun gesammelt Studierenden und Forschenden zugänglich sind.
Entwurf: Max Dudler
Projektleitung: Alexander Bonte; www.maxdudler.com
Fotografische Vorlagen: Stefan Müller Berlin; www.stefanjosefmueller.de
Technologie: UV-Digitaldruck
Verglasung: 1200 m2 Glasfläche aus Glaspaneelen
Warmfassade: Sonnen- und Wärmeschutzverglasung mit Isolierglasscheiben aus VSG/ESG mit innen liegendem Digitaldruck bzw. Kaltfassade mit vorgehängten Scheiben VSG mit einseitigem Digitaldruck, www.thermoglas.de
Scheibengröße: 600 x 600 mm bis 850 x 2500 mm
Druckverfahren: auf Hybriddrucker für starre und flexible Materialien
UV-Farbfixierung: 7 Farben in HD Qualität
Druckdauer: ca. 60 Arbeitstage für 700 Glaspaneele
Realisierung: Colora Druck GmbH, www.colora-druck.de
Weitere Projekte finden Sie hier
Glaskacheln für die Fassade