In Chile, das sich auf über 4300 km Länge zwischen Anden und Pazifik erstreckt, entstehen in letzter Zeit außergewöhnliche Architekturen mit außergewöhnlichen Innenräumen. Das Büro Pezo von Ellrichshausen setzte eine repetitive Struktur für ihr ‚Meri-Haus‘ ein.
Autorin Christiane Sauer
Eine junge Architekturszene etabliert sich in Chile, die geprägt ist von ausdrucksstarken Formen und der Auseinandersetzung mit der beeindruckenden Natur und Landschaft des Landes– von den Bergmassiven des Nordens bis zu den Fjorden des Südens. Concepción, eine wichtige Handelsstadt am Pazifik, ist Sitz des 2002 gegründeten Architekturbüros Pezo von Ellrichshausen Architects.
Mauricio Pezo und Sofia von Ellrichshausen realisieren formal ausdrucksstarke und zugleich radikal einfache Entwürfe – meist private Wohnbauten. Das Zusammenspiel von innen und außen prägt ihre Entwürfe. Blickachsen und inszenierte Ausschnitte verschränken und erweitern die Räume.
Pezo von Ellrichshausen Architects: archaische Formensprache
Viele ihrer bereits realisierten Wohnhäuser vermitteln eine archaische Formensprache, umgesetzt mit einfachen, roh erscheinenden Materialien und Oberflächen – oft Beton und Holz.
Eines der jüngsten Projekte des Büros Pezo von Ellrichshausen ist das 2014 fertiggestellte ‚Meri-Haus‘ in der Nähe des Ortes La Florida. Das prominent auf einer Hügelkuppe platzierte Gebäude war ursprünglich als permanenter Wohnsitz konzipiert, wurde aber im Verlauf der Planung zu einem temporär genutzten Haus geändert und um ein Drittel verkleinert.
Kiefernholz, Kiefernholz, Kiefernholz
Dennoch sollte die lichtdurchflutete Großzügigkeit des ursprünglichen Entwurfs beibehalten werden. Nun steht der Holzbau auf einem Podest – gleichsam dem “Fußabdruck” des ursprünglich in Beton geplanten Entwurfs. Holz ist nicht nur die tragende Konstruktion, auch Fassade und Raumoberflächen sind vollflächig mit Kiefernholz verschalt.
Im Inneren sind an Wänden und Decken glatt gehobelte, unbehandelte Kiefernholzbretter angebracht, der Boden ist mit Eukalyptusdielen belegt.
An der Fassade kommt eine senkrechte Leistenschalung mit sägerauen Brettern zum Einsatz. Die Oberfläche ist mit einem gelb getönten Schutzanstrich versehen, der einen Kontrast zu den Grün- und Rottönen der Landschaft bildet.
Meri-Haus: Raumfolgen ohne Flur
Das ungewöhnliche Raumkonzept korrespondiert mit der homogenen Materialität: Eine Addition von zehn identischen Räumen mit quadratischer Grundfläche – ohne Flure, nur mit direkten Verbindungstüren zwischen den Zimmern.
Die fünf Räume mit eher kommunikativen Funktionen wie Kochen und Arbeiten liegen zur Talseite, die fünf privateren Räume mit Schlafzimmern und Bädern richten sich zur geschützteren Hügelseite aus.
Auch die Möblierung ist soweit wie möglich in das Konzept integriert und als feste Einbauten ebenfalls aus Holz gefertigt. Alle Zimmer haben einen direkten Zugang zur Terrasse.
Repetitive Struktur als Befreiung
Unabhängig von der Ausrichtung zieht sich die repetitive Struktur der Fenster- und Türöffnungen um die gesamte Fassade. Die stringente Gestaltung wirkt keineswegs einengend, sondern wie eine Befreiung von vorgefertigten Nutzungsmustern und als Aufforderung zur Aneignung.
In diesem klar definierten Rahmen werden Licht und Landschaft zu zentralen Akteuren, die das Haus mit unterschiedlichen Stimmungen und Atmosphären bespielen.
Runde bzw. quadratische Öffnungen im Dach schaffen diagonale Blickachsen in den Himmel und betonen die Tiefe des Raums. Die Lichtpunkte wandern im Laufe des Tages durch die Wohnung und schaffen je nach Tageszeit und Wetter unterschiedliche Akzente. Das perforierte Dach zieht sich über den Baukörper hinaus und kreiert eine weitere zusätzliche Zwischenzone zum Außenraum.
Teil der permanenten Sammlung des MoMA New York
Dieses Haus mutet zugleich abstrakt und poetisch an. In der Entwicklung ihrer Arbeiten sind neben dem Modellbau auch Zeichnung und Malerei die Werkzeuge des Architektenduos, um sich dem Raum gestalterisch anzunähern.
Es geht hierbei nicht um eine naturalistisch-perspektivische Abbildung, sondern um ein Erfassen der gesamten Idee, die innen und außen, Wahrnehmung und gebaute Realität verbindet.
Für ihre unkonventionellen Entwürfe wurde das Architekturbüro Pezo von Ellrichshausen Architects bereits mehrfach ausgezeichnet, ihre Arbeiten sind seit 2014 auch Teil der permanenten Sammlung des MoMA New York.
Abbildungen: Pezo von Ellrichshausen
Fakten
Projekt: Meri House, 2014
Adresse: 3rd Bridge, Florida/Chile
Ausführung: 2013–2014
Grundstücksgröße: 180 000 m²
Überbaute Fläche: 170 m², eingeschossig
Kosten: 560 US $/m²
Architektur: Pezo von Ellrichshausen Nonguen 776, Cerro Lo Pequen, 4030000, Concepcion/Chile
info@pezo.cl; www.pezo.cl
Ausführende Architekten: Mauricio Pezo, Sofia von Ellrichshausen
Mitarbeiter: Diego Perez, Valentina Chandia, Simon Guery, Philipe Kempfer, Orlando Hartmann, Luisa Rocco
Bauherr: privat
Bauunternehmer: Ricardo Ballesta
Beratung Tragwerk: Luis Mendieta
Gebäudetechnik: Luis Valenzuela, Daniel Garrido
Materialien: Tragwerk: imprägniertes Kiefernholz; Fassade: raues Kiefernholz mit Schutzanstrich in senkrechter Leistenschalung; Innenräume: unbehandeltes Kiefernholz in horizontaler Schalung, Eukalyptusdielen
Weitere Projekte finden Sie hier