Im Design haben sich computergesteuerte Druckverfahren des Rapid Prototyping zur Herstellung von Prototypen oder Kleinserien bereits etabliert. Im architektonischen Kontext war die Anwendung bisher auf den Modellmaßstab beschränkt. Jetzt sind auch dort erstmals komplexe Großstrukturen möglich.
Autorin Christiane Sauer
Ausgehend von einer computergenerierten Datei wird bei dieser Technologie schichtweise Material aufeinander abgelagert. Es gibt unterschiedliche Rapid Prototyping-Druckverfahren, die sich durch die Art der Schichtenerstellung und der verwendeten Materialien unterscheiden.
Bei der Stereolithografie wird flüssiger, lichtempfindlicher Kunststoff durch einen Laserstrahl ausgehärtet und das Objekt so von unten nach oben aufgebaut. Selective Laser Sintering basiert auf einem Spezialpulver, meist auf Kunststoffbasis, das schichtweise durch einen Laser lokal aufgeschmolzen (gesintert) wird. Das gehärtete Pulver stützt die nachfolgende Schicht ab, so dass auch sehr komplexe und hinterschnittene Formen ohne Hilfskonstruktionen möglich sind.
Ähnlich einem Tintenstrahldrucker funktioniert „dreidimensionaler Druck“. Hierbei wird ein Pulver mit einem Binder in Schichten aufgetragen, um dreidimensionale Objekte herzustellen. Das Druckverfahren ist relativ schnell und preisgünstig, die Oberfläche jedoch zunächst körnig und rau. Als Materialien kommen stärke-, gips- oder kunststoffbasierte Massen in Frage.
In Anlehnung an diese dreidimensionalen Druckverfahren übersetzte der italienische Ingenieur Enrico Dini nun einen CAD-Entwurf direkt in den architektonischen Maßstab. Inspiriert von Antonio Gaudis Formensprache, entstand seine Vision, Gebäudestrukturen aus sich selbst heraus „wachsen“ zu lassen – die ‚D-Shape‘-Technologie.
Dafür benötigt man einen Drucker entsprechender Größe und das richtige Bindemittel. Der Londoner Architekt Andrea Morgante (Shiro Studio) entwarf als Prototyp eine circa 3 x 3 Meter große Freiformstruktur mit Namen ‚Radiolaria‘, die mittels dieses überdimensionalen 3D-Druckers umgesetzt werden konnte. Der Titel bezieht sich auf Mikroorganismen gleichen Namens, sogenannte „Strahlentierchen“, die von kugelförmigen Skeletten gestützt werden.
Das eigentliche Kernstück des Verfahrens ist der raumgroße „3D-Drucker“. Der „Druckkopf“ besteht aus 300 einzelnen Düsen. Er wird auf einem raumgroßen Fachwerkträger hin und her gefahren und verteilt kontinuierlich ein Bindemittel auf den Sandschichten. So wird Schicht für Schicht der Werkstoff abgelagert, ohne dass Schalungen oder Negativformen notwendig sind.
Das verwendete Material ähnelt in seiner ausgehärteten Struktur Sandstein und ist ein stabiles Gemisch aus einem anorganischen Binder mit Sand oder mineralischem Pulver. Die Trocknung des Materials dauert rund 24 Stunden. Die gesamte Radiolaria-Struktur benötigte zwei Wochen maschinelles Drucken und eine Woche mechanisches Nachschleifen. Das künstliche Stein-Material wurde in Werkstofftests auf Zug, Druck und Biegung untersucht und weist aufgrund seiner starken mikrokristallinen Struktur sehr gute technische Eigenschaften auf.
Zur zusätzlichen Verstärkung können auch Glas-, Carbon- oder Nylonfasern zugemischt werden. Dieses Druckverfahren ist bislang erst ein prototypisches, es steht aber für eine Entwicklung, die in der Zukunft sicherlich noch bedeutend für das Bauwesen werden wird, nämlich einfache Materialkomponenten in situ zu komplexen Gebilden zu verarbeiten. Dies ist mit diesem Konzept im Prinzip sehr gut möglich, da die gesamte Anlage transportabel ist und von zwei Personen innerhalb weniger Stunden auf- oder abgebaut werden kann.
Die größte bisher getestete Struktur, die im Experimentierlabor von Enrico Dini generiert wurde, hat die Abmessung von immerhin schon 6 x 6 Metern.
Kontakt:
Fotos/ alle Bilder: D-Shape, Andrea Morgante/ Shiro Studio
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