Ryuji Nakamuras bevorzugte Materialien hierfür sind Bänder, Fäden, leichte Textilien und Papier. Im September 2011 realisierte er in Tokio einen Showroom zum 25-jährigen Jubiläum des italienischen Modelabels Costume National. Eine exklusive Auswahl von zehn Kleidern sollte hierfür in Szene gesetzt werden.
Jedes Exponat besitzt eine eigene Geschichte
Die Vorgabe war, die Besonderheiten jedes Kleidungsstückes ganz individuell herauszuarbeiten. Jedes der Exponate wurde durch eine berühmte Persönlichkeit inspiriert und besitzt so eine ganz eigene Geschichte. Anders als in einem gewöhnlichen Showroom mit meterlangen Stangen voller Kleidung wird hier das Betrachten eines einzigen Kleidungsstückes wie ein persönliches Zusammentreffen zweier Personen inszeniert.
Eine Reihung aus 1353 weißen Polyester-Bändern von 18 Millimetern Breite bildet eine räumliche und visuelle Barriere zwischen Betrachter und Exponaten. Betritt man den Raum, erscheint die gesamte Reihung der Ausstellungsobjekte vor der gegenüberliegenden Wand.
Bänder verschmelzen zu einer undurchsichtigen Wand
Nähert man sich allerdings weiter an, um die Details zu betrachten, kann man durch die Bänder hindurch lediglich das direkt vor einem stehende Objekt sehen. Die Wahrnehmung ändert sich. Alle weiteren verschwinden durch den flachen Betrachtungswinkel, der die gehängten Bänder optisch zu einer undurchsichtigen Wand verschmelzen lässt.
Geometrische Ornamentik, räumliche Präsenz
So wird die Zielvorgabe der Modefirma erfüllt, dass jedes der Exponate sehr individuell und konzentriert betrachtet werden kann. Durch die Art der versetzten Hängung zwischen Decke und Wand entsteht zusätzlich eine Art Kettenlinie. Jenseits einer geometrischen Ornamentik hat dieses sehr einfache Gestaltungskonzept aus insgesamt über vier Kilometern laufendem Band eine starke räumliche Präsenz.
Wechselspiel von Raum und Wahrnehmung
Das Wechselspiel von Raum und Wahrnehmung ist ein Thema, das sich immer wieder durch die Arbeiten des Architekten zieht. Für das National Museum of Modern Art in Tokio realisierte er im Rahmen der Ausstellung ‚Where is Architecture? Seven Installations by Japanese Architects‘ eine Struktur aus nur einem Millimeter breiten vulkanisierten Papierstreifen, die auf der Geometrie von Dreiecken beruht.
Diese „räumliche Zeichnung“ mit dem Titel ‚Cornfield‘ verändert sich kontinuierlich mit der Bewegung und dem Blickpunkt des Betrachters. Das massive Objekt von insgesamt 100 Kubikmetern besetzt zwar den gesamten Raum, ist aber zugleich komplett durchscheinend und ermöglicht immer wieder neue Perspektiven.
Hauchdünne Fäden dienen als Projektionsfläche
Das jüngste seiner Werke ‚Spring‘ wurde auf der Möbelmesse 2012 in Mailand im Rahmen der Ausstellung ‚Neoreal – In the forest‘ von Canon realisiert. Klavierseiten wurden hier zu einem zwei Meter hohen Raumgitter gefügt, das sich über eine Grundfläche von 40 m² erstreckt.
Mystische Bildsequenzen, die das Leben im Wald zum Inhalt haben, werden auf dieses kubische Geflecht projiziert. Wie Morgennebel erscheinen die Bilder, die durch die hauchdünnen Fäden, die als Projektionsfläche dienen, in der Luft eingefangen werden. Auch hier ist das eigentliche Ausmaß der so gut wie unsichtbaren Struktur beeindruckend: die rund 87 000 Knotenpunkte des Fadenrasters aus 25 Kilometer 0,3 mm starken Pianosaiten ergeben ein Objekt von 80 Kubikmetern mit einer theoretischen Porösität von 99,998 Prozent und einem Gesamtgewicht von knapp 15 kg.
Ryuji Nakamuras verfügen über meditative Ruhe
Das Umschreiben von Raum, der durch fast zweidimensionale Materialien wie Fäden und Bänder in ganz ungewohnter Weise erfahrbar und interpretiert wird, setzt Ryuji Nakamura zugleich in technisch perfektionierter und sehr poetischer Weise um.
Seine Werke vereinen durch ihre physische Präsenz den Maßstab von Raum und Mensch. Architektur, Material und Wahrnehmung gehen eine ungewöhnliche Symbiose ein, die der aktuellen Nachfrage nach immer ausgefallener und aufwändiger gestalteten Interiors eine neue, fast meditative Ruhe und Einfachheit entgegensetzt.