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Sind Möbel nachhaltig, wenn sie aus regionalem Material sind?

Innovation und Nachhaltigkeit
Lokal punktet?

„Was von hier ist, ist gut“, ist eine Überzeugung, die nicht nur an Supermarktregalen, sondern auch bei Möbeln Kaufentscheidungen beeinflusst. Bei 41 Millionen Tonnen jährlichem Kohlenmonoxid-Ausstoß durch Güterverkehr ist das berechtigt. Oder?

Autorin: Johanna Neves Pimenta

Heimat drückt sich nicht nur in Gestaltung aus – sie kann auch im Material stecken. Das veranschaulichen Unternehmen ganz unterschiedlichen Formats. Beispielsweise verarbeiten sie mit Stolz regionales Holz, obwohl man es aus Übersee günstig importieren kann. Team7 oder e15 zählen zu den Großen, die nach wie vor auf europäisches Massivholz setzen. Aber handelt es sich automatisch um nachhaltige Möbel, wenn das Material von nebenan kommt? Und wer produziert überhaupt regional? Eine Bestandsaufnahme.

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Der Schweizer Schreiner Thomas Walser bezieht sein Holz nicht bei Großhändlern, sondern bei benachbarten Förstern und Bauern.

Der junge Schweizer Schreiner Thomas Walser kann sehr lokal agieren. Er arbeitet nicht mit Großhändlern, sondern mit benachbarten Bauern und Förstern zusammen und weist auf seiner Website nicht nur sein Werk, sondern auch „Waldbewirtschaftung“ aus.

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Res Anima versteht es, nicht nur regionale Hölzer zu verwenden, sondern auch archetypische Formen zu beleben – beispielsweise mit ‚Bankl‘.

Auch Res Anima setzt auf Holz, das nicht allzu weit gereist ist; beim Sitzmöbel ‚Bankl‘ beispielsweise Esche. Bemerkenswert ist, dass das bayrische Designerduo mit seinen Entwürfen nicht nur typische Materialien zelebriert, sondern auch traditionsreiche Formen ins Heute zu überführen versteht. Heimat wird zum Gestaltungsmerkmal.

Neue Materialquellen erschliessen

Ist ein Material in bestimmten Regionen im Übermaß vorhanden, prägt es die regionale Gestaltungskultur. Das zeigt etwa der Werkraum Bregenzerwald, der lokales Design und Handwerk vertritt und in dessen Sammlung zahlreiche Holzentwürfe vertreten sind.

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Almut von Wildheim fertigt Leuchten mit einem Schirm aus Tiroler Heu – entstanden in Zusammenarbeit mit Organoid.
Foto: Almuth von Wildheim

Dabei gibt es eine Vielzahl möglicher anderer regionaler Rohstoffe. Manche erschließen sich jedoch erst durch neue Fertigungsmethoden. Ein Beispiel sind die Leuchten von Almut von Wildheim: Ihre Schirme bestehen aus Tiroler Heu. Organoid entwickelte in jahrelanger Forschungsarbeit diese lebendige Oberfläche.

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Die ‚Plastic Whale‘-Möbelserie von Vepa besteht Plastikmüll, den engagierte Bürger aus Amsterdams Grachten fischen.

Doch wer als Inbegriff für nachhaltige Möbel nur an regionale Naturwerkstoffe denkt, greift zu kurz: In md 12/18 stellten wir die ‚Plastic Whale‘-Büromöbelkollektion von Vepa vor. Hier kommt recyceltes Plastik zu Einsatz, das engagierte Bürger aus Amsterdams Grachten fischen.

Der spanische Designer Andreu Carulla wurde wiederum vom Sterne-Restaurant ‘El Celler de Can Roca‘ beauftragt, eine Zweitnutzung für Styroporlieferkisten zu entwickeln. Da das Material komplex zu recyceln ist, entwarf Carulla einen eigenen Prozess – und das passende Möbel gleich dazu: Für den Hocker ‚RR201‘ färbt und formt Carulla Styroporkisten um. Pro Tag entstehen sechs Hocker, eben exakt so viele, wie das Restaurant Lieferkisten erhält.

Während Carulla über seinen Auftraggeber auf ein Material aufmerksam wurde, war es bei der Wiener Designerin Alexandra Pecher reiner Zufall. Bei einem Ausflug entdeckte sie eine Lodenmühle, in der auf Maschinen von 1888 regionale Wolle gewalkt wird.

Lokales Handwerk stärken

Pecher begeisterte sich für Loden, ohne sich den Blick von österreichischen Traditionen verstellen zu lassen. Der Lodenstoff findet in ihrer ‚Said the Fox‘-Accessoirekollektion Anwendung. Man sieht ihm seine kulturellen Wurzeln nicht an, und das ist auch nicht nötig.

Genauso wenig würde man bei den Kollektionen des italienischen, international erfolgreichen Möbelunternehmens Kristalia vermuten, wie viel Heimatbezug in ihnen steckt. Die Zulieferer sitzen in der Region, beispielsweise eine Gerberei, deren Leder sonst vorrangig von der Modeindustrie gekauft wird. Im Stuhl ‚1085 Edition‘ entfaltet es seine Strahl- und Tragkraft. Die Dehnungsstreifen, die die Farbe auf Sitzfläche und Lehne changieren lassen, sind dabei Qualitätsmerkmal statt Makel: Sie beweisen, dass die Kühe, von denen das Leder stammt, gegrast haben.

Nur noch vom Nachbarn kaufen?

Regionale Materialien zu verwenden, funktioniert also in kleinem wie in großem Maßstab. Doch halt: Das Kristalia-Leder stammt zwar von einer regionalen Gerberei, doch diese bezog die Kuhhäute aus Bayern; und wenn man nun in Kiel lebt, darf man dann trotzdem stolz auf den Regionalanspruch der Schweizer Walser-Möbel sein?

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Kiezbett bezieht auch den Lieferweg zum Kunden in seine Kalkulation ein. Werden für ein in Berlin verkauftes Bett vier Bäume nachgepflanzt, sind es für überregional versendete zehn.
Foto: Julia Kneuse

Kiezbett reagiert darauf: Das Berliner Unternehmen verarbeitet regionale Hölzer und bezieht Transportwege zum Kunden in die Kalkulation ein. Während es für jedes in Berlin verkaufte Bett vier Bäume nachpflanzen lässt, sind es für anderswohin gelieferte Betten zehn.

Doch die meist unvermeidliche Distanz zwischen Produzent, Zulieferer und Kunde bleibt ein wunder Punkt, wenn man Regionalität als Nachhaltigkeitsfaktor beleuchtet. Der globale Warenverkehr hat die Welt kleiner gemacht. Das ist auch gut so. Wer in ein hochwertiges Möbel investiert, zumal wenn dessen Material bewusst gewählt ist, die beteiligten Handwerker exzellent und die Lieferwege der Produktion kurz gehalten sind, handelt nachhaltiger, als wenn er eben nimmt, was bei ihm verfügbar ist. Das angereiste Möbel wird die Zeit würdevoll überdauern, weniger Müll verursachen und keine weiteren Ressourcen beanspruchen. Außer vielleicht der Liebe des Besitzers.


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