Johanna Neves Pimenta, Chefredakteurin der md-Redaktion, moderierte die md-Fachveranstaltung ‚Büroräume planen‘ und kam nach den Begrüßungsworten gleich auf den Kern des Themas: „Die Mitarbeiter haben zurzeit vielfach wieder die Wahl, in die Büroräume zu kommen. Was müssen die Räume ihnen als Mehrwert gegenüber dem Homeoffice bieten?“
Sind es unter anderem die Materialien mit ihren optischen, haptischen Qualitäten? Eine Frage, die Hannes Bäuerle, Inhaber und Geschäftsführer der Raumprobe Stuttgart und ebenso passionierter Materialsammler, nicht erst seit gestern beschäftigt. „Haben Materialien einen direkten Einfluss auf das Wohlbefinden und die Produktivität der Mitarbeiter?“ Seine Antwort: „Ja“.
Einsatzgebiete von Materialien
Aber Bäuerle ist keiner, dessen Gedanken nur um Materialien mit ihren haptischen Eigenschaften und Details an sich kreisen. Er beschäftigt sich ebenso mit deren Einsatzmöglichkeiten. Da kommt man an Veränderungen in Bürowelten und damit am Thema Büroräume planen nicht vorbei. Seine Beobachtung: Büros entwickeln sich in Richtung Clubs. Das heißt, dass das Wohnliche – ein seit Jahren anhaltender Trend – immer wichtiger wird. Damit verbindet er Kriterien wie Wertigkeit, Materialqualitäten, Akustik, Beleuchtung und Klimatisierung. Das führt Bäuerle zu der Quintessenz, dass „die Beschäftigten dort eine Performance erleben müssen, die sie zu Hause nicht haben.“
Drei Thesen zum Wohlfühlbüro:
- Es wird weniger Arbeitsplätze geben, aber diese sind von höherer Qualität als bisher
- Büroräume haben Clubcharakter
- Mitarbeiter wollen eine Ausstattungsqualität erleben, die sich von der zu Hause unterscheidet
Das Konzept ‚Object Campus – City of Visions‘
Wie solche Büroräume aussehen können, beschrieb Martin Böhringer, Marketing Director von Object Carpet und damit Gastgeber. Das Unternehmen setzt in Denkendorf mit seinem ‚Object Campus – City of Visions‘ die Campus-Idee um. Das erste Gebäude von Hank + Hirth Architekten aus Eningen steht, zwei weitere sollen folgen.
Den 70 Object-Carpet-Beschäftigten – sie zogen im Januar dieses Jahres ein – gefällt es laut Böhringer so gut, dass sie gar nicht zu Hause arbeiten wollen. Warum? Neben den fest zugewiesenen Büroarbeitsplätzen im ersten Stock überzeugen verschiedene Meeting- und Interaktionszonen, die zu Besprechungen, After-Work-Events und informellem Austausch einladen.
Im restlichen Gebäude ähnelt die Atmosphäre einem Co-Working-Space. Hier finden sich die Object Carpet Akademie, die auch an Externe vermietet wird, Seminar- und Konferenzräume sowie das Restaurant ,La Visione‘. Insgesamt nehmen die eigentlichen Arbeitsflächen im Gebäude 60 Prozent ein, die weiteren Flächen, die nicht für klassische Arbeitssituationen gedacht sind, 40 Prozent.
Bei der Planung und Umsetzung spielte das Thema „Nachhaltigkeit“ eine große Rolle. Böhringer nennt Beispiele wie zentral gesteuerte, automatisierte Funktionen für Klimatisierung und Belüftung oder den Einsatz von Geothermie und Photovoltaik. Die Maßnahmen will sich Object Carpet zertifizieren lassen: „Wir streben DGNB-Platin für die Innenräume an“, sagt er.
Drei Thesen zur Attraktivität von Büroräumen:
- Sind die Büroräume attraktiv, kehren die Mitarbeitenden gerne ins Büro zurück
- Eine Mischnutzung von Bürogebäuden mit weiteren Angeboten, zum Beispiel Restaurant oder Sport, fördert die Attraktivität
- Unterschiedliche Raumfunktionen lassen sich durch den Bodenbelag optisch kennzeichnen
Büroräume planen: akustische Maßnahmen
Zu einer guten Büroplanung gehören akustische Maßnahmen verschiedenster Art – vom Teppich am Boden bis zu Absorbern an der Decke. Sie beeinflussen die Aufenthaltsqualitiät maßgeblich.
Mit akustischen Störfaktoren und deren Beseitigung beschäftigt sich Dr. Christian Nocke, Inhaber des Akustikbüros Oldenburg. In seinem Vortrag ‚Akustik-Design versus Design-Akustik‘ für den französischen Hersteller Barrisol ging er detailliert auf einschlägige Gesetze, Normen und Richtlinien ein. „Planer sollten diese kennen und sich damit auseinandersetzen“, richtete er seinen Appell an das vor Ort und online anwesende Publikum. Der Stress entstünde, wenn in Mehrpersonenbüros Gespräche und Telefonate mitzuhören sind. „Die stören am meisten.“
Ebenso beeinträchtigt die Nachhallzeit, zum Beispiel in Videokonferenzen, das Wohlbefinden. „Eine Sekunde Nachhallzeit ist der natürliche Schwellenwert, ab dem man sich nicht mehr wohlfühlt.“
Aus seinen Erkenntnissen aus der Beratung leitet er Konsequenzen etwa hinsichtlich des Einsatzes von mikroperforierten Absorbern ab. Deren funktionsbedingte Bauweise müsse nicht zulasten der optischen Wirkung gehen. Als Beispiel für das gelungene Zusammenspiel beider Faktoren führt er das Opernhaus in Oslo an, das sowohl den Designvorgaben als auch den akustischen Funktionalitäten gerecht wird.
Drei Thesen zur akustischen Planung:
- Für eine gute Büroplanung ist die akustische Planung essentiell
- Die zugrunde liegenden Normen und Richtlinien bestehen schon erstaunlich lange
- Digitale Simulationen vereinfachen die Planung
Worauf es bei der Beleuchtung in Büroräumen ankommt
Eine gelungene Verbindung aus Funktion und Design erwartet man beim Büroräume planen auch von der Beleuchtung in Büroräumen. Jonathan Brune, Direktor der Durable-Marke Luctra, vermittelte den Zuschauern und Zuschauerinnen der md-Fachveranstaltung ,Büroräume planen‘, worauf es dabei ankommt. Ein ganz simples wie oft auftretendes Phänomen: „Grelles Licht wird als Störfaktor wahrgenommen.“ Und schlechtes Licht, so Brune, verursache häufig eine schlechtere Gedächtnisleistung, Schlafstörungen und womöglich Depressionen.
Der Grund dafür: In vielen Büroräumen ist die Beleuchtung – anders als in der Natur – statisch. Biologisch wirksames Licht, das den Tagesverlauf natürlichen Lichts simuliert, kann dem entgegensteuern. Das reicht in Brunes Augen nicht aus: „Da Menschen einen unterschiedlichen Biorhythmus haben, muss sich das Kunstlicht im Büro dem individuell anpassen.“ Er verweist an dieser Stelle auf eine per Smartphone einsetzbare App, die das persönliche Lichtprofil steuert. Davon profitieren die Mitarbeitenden nicht nur im Büro. Brune: „Die App kann ich genauso gut zu Hause nutzen.“
Ebenso wie die anderen Referenten treiben den Lichtexperten die Entwicklungen in der Bürowelt um. Seiner Einschätzung nach wirkt die Coronapandemie als Beschleuniger ohnehin vorhandener Trends. „So erleben wir beispielsweise das Phänomen der Disruption noch schneller.“ Ebenso hätten Künstliche Intelligenz (KI), Virtual und Augmented Reality jüngst einen Schub erlebt. „KI beeinflusst ganz wesentlich, wie wir Gebäude nutzen und wie wir uns begegnen und austauschen.“ So könne man mit deren Unterstützung einen Arbeitsplatz in der Nähe der anderen Teammitglieder buchen oder auch weitere Kollegen digital dazuschalten.
Fünf Thesen, was die Entwicklung in der Arbeitswelt in Post-Covid-Zeiten beschleunigt:
- Es entstehen verstärkt Orte der Begegnung für gemeinsame kreative Aktivitäten in den Bürogebäuden
- Konzentriertes Arbeiten findet vorrangig zu Hause statt
- Das Büro muss einen Mehrwert bieten, etwa durch eine gute Betriebskantine und attraktive Besprechungsräume
- Hybrides Arbeiten aktiviert die produkt-, hersteller- und nutzerübergreifende Vernetzung zusätzlich
- Maschinen übernehmen Routineprozesse
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