Keine Konzerthalle, sondern ein Raum, geschaffen für Musik: Im ‚Blitz‘ in Münchens aktuell wohl angesagtestem Club sind es die Mittel der Gestaltung, die das akustische Konzept optimieren. Dafür setzte das Münchner Architekturstudio Knack in Zusammenarbeit mit Simon Vorhammer von Computational Design auf eine spezielle Raumgeometrie und regionale Materialien.
Dabei ist die Location nicht irgendeine, sondern sie befindet sich an einem für einen Club eher ungewöhnlichen Ort: dem ehrwürdigen Deutschen Museum. Dort hat man die 600 m² große Fläche des ehemaligen Forums der Technik umgewidmet und lässt am Wochenende nun die Nacht zum Tage werden. Hinter den eingebauten Schallpufferzonen ist das auch kein Problem.
Gute Akustik trotz begrenzter Zwischennutzung
Für die Architekten stellte das Bauen im Bestand eine Herausforderung dar, denn alles musste dem Denkmalschutz entsprechend demontierbar entwickelt und gestaltet werden. Die aktuelle Zwischennutzung mit Club und angeschlossenem Restaurant ist auf fünf Jahre angesetzt. Dann soll das gesamte Gebäude generalmodernisiert werden.
Während der mit nur vier Monaten extrem kurzen Planungs- und Bauphase kam der komplexen Abwicklung der Einsatz eines digitalen 3D-Modells zugute. Es war nicht nur ein anschauliches Kommunikationsmittel für die Bauherren, sondern erwies sich als ausgesprochen hilfreich für die Koordination auf der Baustelle. Die technischen Werkstattzeichnungen der zahlreichen an Planung und Ausführung beteiligten Spezialisten wurden ebenfalls über das 3D-Modell der Architekten eingebunden und auch die Daten für die CNC-Fabrikation der Schreinerarbeiten konnten daraus direkt abgeleitet werden.
Von Dancefloor zu Dancefloor
35 Meter lang und acht Meter breit ist der erste Dancefloor. Er wird von polygonalen Sitznischen, den sogenannten Strandkörben, dominiert. Diese sind nicht nur zum Ausruhen gedacht, sondern fungieren auch als raumhohe akustische Elemente: Durch Schrägstellung der Seiten- und Rückwände mit ihren gefrästen polygonalen Oberflächen wird der Schall gebrochen und in alle Richtungen gelenkt. Das Material ist Baubuche, ein industriell gefertigtes Halbzeug, dessen hohe Rohdichte sich positiv auf die Akustik auswirkt. Seine 3 mm starken, gesperrt verleimten Schälfurniere ergeben einen Plattenwerkstoff, der sich aufgrund der Dichte und der damit verbundenen akustischen Vorteile auch sehr gut bearbeiten lässt, ohne an schmalen Stellen „abzuplatzen“.
Das Baumaterial stammt aus der Region. Es besitzt eine Oberflächengüte, die es für den Einsatz im Sichtbereich empfiehlt. So kontrastiert das Holz an den Seitenteilen der Sitzelemente mit perforiertem Schwarzblech, das mit Mineralwolle hinterlegt ist. Die Sitzelemente absorbieren den Schall und umfassen zugleich die bestehende Struktur der Raumstützen.
Im unteren Podestbereich befinden sich sogenannte „Mitschwinger“: Ihre dünnen Stahlbleche funktionieren wie ein Trommelfell; sie nehmen die tiefen Frequenzen auf und federn diese aus. Das verkürzt die Nachhallzeit.
Was also auf den ersten Blick wie ein gemütliches Mobiliar aussieht, ist in Wirklichkeit ein ausgetüfteltes Akustik-System. Nichts ist dem Zufall überlassen. Bis hin zu den Lichtobjekten – es sind Disco-Originale der 1970er- und 1980er-Jahre – die sich perfekt in das in warmen Farbtönen gehaltene Gesamtkonzept einfügen.
Dynamische Schwarmmuster
Der kleinere, zweite Dancefloor ist vom ersten schalltechnisch entkoppelt. Seine Wände sind auf einer Länge von 25 m mit schwarz lackiertem MDF belegt. Ihre Wellenstruktur ist zur besseren Absorption ebenfalls perforiert. 6,5 km algorithmisch erzeugte Fräsbahnen ergeben hier eine Oberfläche, deren Unregelmäßigkeit für eine gleichmäßige Schalldiffusion sorgt. Dafür stand die Natur Pate: Die Planer ließen sich inspirieren von dynamischen Schwarmmustern. Trifft darauf das changierende Licht im Rhythmus der Musik, dann erwachen die Wände zum Leben und tauchen den Raum in ein Meer aus Klängen und Farbe, Licht und Schatten.
Zum akustischen Gesamtkonzept gehört zu guter Letzt auch die Abstimmung der Musikanlage der britischen Firma Void auf die Räume. Erst in diesem fein getunten Zusammenspiel entfaltet sich das spezielle Klangerlebnis, für das der ‚Blitz‘ bekannt ist.
Einfache Formensprache, schlichte Materialien wie warmes Holz und dunkler Stahl und sich wiederholende Oberflächenstrukturen verleihen den Räumlichkeiten Großzügigkeit und – zumindest optisch – eine angenehme Ruhe. So bleibt die Musik die Hauptattraktion. Fast. Denn ein guter Club funktioniert natürlich nur mit dem richtigen Publikum.
Projektleiter Andreas Müller von Studio Knack bringt es auf den Punkt: „Am Ende sind es immer die Gäste, die der Bar ihre Identität geben. Wir liefern nur die Basis und die Bühne.“
Factsheet
Projekt: Blitz Club, www.blitz.club
Standort: Museumsinsel, München
Innenausbau: Studio Knack, Andreas Müller, Marcella Breugl, Ralf Deicke, www.studio-knack.de
Parametrischer Entwurf und digitale Fabrikationsplanung: Simon Vorhammer, www.simonvorhammer.de
Bauaufgabe: Umnutzung zur Bar
Planungs- und Konstruktionszeit: 4 Monate
Fertigstellung: April 2018
Fläche: 600 m²
Bauherr und Projektmanagement: Blitz Club & Restaurant Verwaltungs GmbH
Fachplaner
Raumakustik: ABP Akustikbüro Becker und Partner, Webseite des Büros
Bauakustik: Akustikbüro Schwartzenberger und Burkhart, Webseite des Büros
Brandschutzplaner: Stefan Rüffer, www.rueffer-planung.de
Sound System Engineering: Void – Laurin Schafhausen, www.voidacoustics.com
Lichtplaner: 507nanometer, www.507nm.de
Ausführung
Schreinerarbeiten: Schreinerei Gruber, www.schreinereigruber.de
Schlosserarbeiten: Gruber Metall & Industrie Service GmbH, www.gmiserv.de; Oleg Neumann, www.metallbau-oleg-neumann.de
Möblierung
Tische: Pedrali; Konferenztische: Reside Haworth; Stühle: Volt; Konferenzbestuhlung: Reside Haworth; Einbaumöbel: Baubuche: Pollmeier; Schwarzstahl; Barmöbel: Yard, Emu, Design Stefan Diez
Materialien (Wand, Boden)
Wände: Großer Dancefloor: Baubuche: Pollmeier 5-Achs gefräst, Schwarzstahl; Kleiner Dancefloor: MDF Platten 3-Achs gefräst, schwarz lackiert; Boden: Siebdruckplatten
Autorin Christiane Sauer
Die Architektin und Materialspezialistin lehrt als Professorin für Textil- und Flächendesign an der Weissensee Kunsthochschule Berlin. www.formade.com www.luelingsauer.com
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