Es kommt selten vor, dass das alltägliche Leben der Menschen in der ehemaligen DDR weder glorifiziert, noch verklärt, aber auch nicht schwärzer gemalt wird, als es war. Vielleicht liegt es daran, dass in ‚Graustufen. Leben in der DDR in Fotografien und Texten‘ mehr als 30 Autoren zu Wort kommen und dabei ihre ganz persönliche Sicht und Erinnerungen wiedergeben. Es wird nichts beschönigt, und die Bilder zeigen eine Welt, die bald 30 Jahre Vergangenheit ist. Jürgen Hohmuths Bilder zeigen den Alltag der Menschen Ende der 1980er-Jahre in der DDR.
„… Ich fühlte mich in Sicherheit in unserer Wohnung im fünften Stock, hier konnte ich alle beobachten und blieb selbst unsichtbar. Bis ich irgendwann aufhörte, Kinderstrumpfhosen zu tragen und die Schönheit der Altbauten im Zentrum entdeckte, die älter waren als ich und als unser Staat, und deren Fassaden so viel von früher erzählten“, beschreibt beispielsweise Jochen Schmidt seine Kindheit im Plattenbau.
Man sieht heruntergekommene Häuser, die noch Einschusslöcher aus dem zweiten Weltkrieg aufweisen, Löcher in den Straßen, ungepflegte Fassaden. Es scheint in Texten und Bildern aber auch ein Witz durch, der zeigt, dass die Menschen wussten, wie sie das Leben trotz Represalien und Mangelwirtschaft genießen konnten.
„Man fand an Türen häufig den Spruch ‚Treten Sie ein, legen Sie ihre Traurigkeit ab, hier dürfen Sie schweigen‘. Doch wenn man reinkam, saßen oft schon die üblichen Verdächtigen bei Rotwein und Bier da, quatschten durcheinander, duzten sich, und nur die wenigsten hatten ihre Traurigkeit dabei …“, erinnert sich Wilhelm Bartsch an die Wohnungstüren in Berlin und was dahinter passierte.
Das Buch ‚Graustufen. Leben in der DDR in Fotografien und Texten‘ ist für alle bereichernd – für all jene, die das Land nur vom Hören-Sagen kennen ebenso wie für all jene, die das Leben in diesem verschwundenen Land selbst erfahren haben. Das ein oder andere Déjà-vu ist gewiss.
Graustufen
Leben in der DDR in Fotografien und Texten
Herausgegeben und mit Fotografien von Jürgen Hohmuth
Verlag Edition Braus, Berlin 2017
Hardcover, 144 Seiten, etwa 70 Abbildungen
€ (D) 29,95
ISBN 978–3–86228–168–8