Modelle, Prototypen, hochpräzise Mikroteile, Turnschuhe nach Maß, komplexe Verbindungsbauteile und ganze Häuser. Die unglaublichen Möglichkeiten des 3D-Drucks lassen die Phantasien von Forschern und Unternehmen fliegen. Wenn wir in der Architektur über Industrialisierung sprechen, dann findet das unter der Annahme statt, dass Industrialisierung ein Potenzial hat, Architektur von höherer Qualität zu geringeren Kosten zu schaffen. Wir wissen aber auch aus der Erfahrung, dass dieser Zusammenhang nicht proportional ist.
Fokus liegt auf Kontrollierbarkeit und Ökonomie
Ein höherer Grad der Industrialisierung liefert nicht automatisch eine bessere Architektur. In vielerlei Hinsicht scheinen es sogar zwei gegenläufige Bewegungen zu sein. Der Fokus liegt auf präziser Ausführung, Kontrollierbarkeit der Prozesse und ökonomischem Materialeinsatz.
Es macht Sinn, gewisse Lösungen auf die Bedürfnisse der Kunden hin zu optimieren, um sie dann in Massen zu produzieren. Das Schaffen von Architektur dagegen baut auf der Annahme auf, dass jede einzelne Situation eine besondere Bearbeitung und Fürsorge braucht. Die Annahme ist, dass das Problemfeld des Kunden so komplex und dynamisch ist, dass der eigentliche Bedarf in einem Zusammenspiel zwischen Bedarfsformulierung und möglichen Lösungen abgedeckt wird – was dann zu einer individuellen Lösung innerhalb eines vorgegebenen Budgets führt.
Rapid Prototyping und 3D-Druck sind der aktuelle Stand
Die Industrialisierung durchdringt unser Bauen seit langem und wir erreichen immer wieder neue Stufen. Heute werden fünf Niveaus der Industrialisierung definiert: Die Präfabrikation – einzelne Elemente werden in der Werkstatt hergerichtet, um sie dann vor Ort einzubauen; die Mechanisierung – für die Produktion werden Werkzeugmaschinen verwendet; die Automatisierung – der Herstellungsprozess wird vollkommen von der Maschine übernommen; die Robotik bezeichnet flexible Maschinen, die verschiedene Arten von komplizierter Arbeit ausführen können, jedoch immer noch vor allem in Fabrikationsräumen. Die Reproduktion referiert zur Printtechnologie, bei der man mit einfachen Prozessen einfache Materialen zu komplexen Zusammenhängen multipliziert. Rapid Prototyping und 3D-Druck sind der aktuelle Stand.
Architekten stellen sich Fragen
Unabhängig vom Niveau der Industrialisierung stellen wir uns als Architekten jedoch immer die Fragen:
– Bedeutet Industrialisierung, dass man höhere architektonische Qualität für weniger Geld bekommt?
– Führt Industrialisierung zur Uniformierung der Architektur?
– Kann das Engagement von Architekten bei der Industrialisierung einen Einfluss auf das Ergebnis sichern?
Durch die Industrialisierung findet in jedem Fall eine Entfremdung statt, die auch zu Unwissen von Produktionstechniken und zu realitätsfremden Designs führen kann.
Das Wissen verlagert sich von Material- und Konstruktionskenntnissen zur Kenntnis der Bedienung digitaler Werkzeuge. Wie gut ist es doch, wenn man manchmal ein Modell selbst baut und dabei spürt, ob das funktioniert, was man sich so ausgedacht hat.
3D-Druck für den Modellbau ist in den Architekturbüros flächendeckend angekommen. Die Spulen mit den Plastikfäden liegen überall herum. Und langsam gibt es auch für das Bauen immer größere 3D-Drucker. Der für die Errichtung des Amsterdamer ‚Canal House‘ eingesetzte mobile 3D-Drucker soll beispielsweise die Vorzüge der Technologie im Baubereich unter Beweis stellen. Zur präzisen Ausführung und Kontrollierbarkeit der Prozesse kommt der ökonomische Materialeinsatz, denn theoretisch fällt bei der additiven Fabrikation kein Verlust an. Jedoch werden auch hier noch Plastikfäden verwendet.
3D-Baudrucker für komplette Häuser
Mehrere Firmen und Labors tüfteln bereits an einem Verfahren für den Druck mit hochfestem Beton. Interessanterweise experimentiert ein bekannter Schalungshersteller mit einem 3D-Baudrucker, der komplette Häuser innerhalb kurzer Zeit mit Beton aus der Düse und ohne Schalung Schicht für Schicht aufbaut. Welche chemischen Zusätze beigemischt werden müssen, um extrem kurze Abbindezeiten zu erzielen, wird nicht erwähnt.
Auch andere Materialien und die regenerative Kreislaufwirtschaft werden untersucht. Die Vision: Produkte aus 3D-Druckern wären entweder biologisch abbaubar oder würden wieder eingeschmolzen und rezykliert – eine endlos neu gedruckte Welt. Die Branche träumt von mobilen Werkstätten, die in kürzester Zeit zum Einsatz kommen und lokale Ressourcen wie das vorhandene Erdreich verwenden.
3D-Druck mit Lehm
So hat das italienische Unternehmen WASP eine Maschine für den 3D-Druck mit Lehm entwickelt, um billig Häuser für die Ärmsten zu errichten. Das ist ein guter Ausblick – nicht mehr im Plastikhaus aufzuwachen – im Plastikbett.
Weitere Spot on … finden Sie hier
https://www.md-mag.com/interior-architecture/fachbeitraege/opinion/3d-druck/
Kolumnist Amandus Samsøe Sattler
Gründungspartner des Architekturbüros Allmann Sattler Wappner, München. Präsidiumsmitglied beim DGNB, Mitglied des Gestaltungsbeirats der Städte Wiesbaden und Oldenburg; Leitung internationaler Workshops, eigenes künstlerisches Werk in Fotografie.