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Erfolgreich angeknüpft

Orientteppich im Objektbereich
Erfolgreich angeknüpft

Ihm gelingt der Bogenschlag zwischen gestern und morgen: Der Orientteppich, der moderne handgeknüpfte Teppich verbindet Tradition und Wertigkeit mit zukunftsweisendem Auftritt. Und macht damit seit einiger Zeit auch im Objektbereich kontinuierlich Boden gut.

Wer die wechselvolle Karriere des Orientteppichs in deutschen Interieurs verfolgt hat – und sei es nur in den vier Wänden der eigenen Familie – zieht womöglich die Augenbrauen hoch: Comeback eines alten Bekannten? Ganz so simpel ist es nicht. Denn um den Klassiker unter den abgepassten Teppichen wieder in den Fokus zu rücken, musste er erst einmal neu erfunden werden.
Wertanlage wird Must-have
Das Repräsentationsstück der Wirtschaftswunderjahre galt über Jahrzehnte als sichere Wertanlage, bei der das Angebot die Nachfrage kaum befriedigen konnte. Doch so hoch die edlen Handgeknüpften im Kurs standen, so tief war ihr Fall: in den 1990er-Jahren führten verschiedene Faktoren von der Überproduktion in den Knüpfgebieten über Handelsembargos und Währungsverluste in den Teppich-Ursprungsländern bis zur nachlassenden Wertschätzung von handgefertigten Produkten zu Überangebot und desaströsem Preisverfall. Der handgeknüpfte Teppich wurde zum Nischenprodukt. Eine Ecke, aus der ihn die nächste Generation seit einigen Jahren erfolgreich wieder hervorholt und zu neuem Glanz geführt hat – in traditioneller Fertigung, aber aufregend anderer Gestalt.
Auf der Suche nach Impulsgebern dieser Entwicklung kommt man an Jan Kath nicht vorbei. Aus einer Familie von Teppichgroßhändlern stammend, gelang ihm der Spagat zwischen jahrhundertealtem Handwerk und der Ästhetik des Computerzeitalters. Kath und andere wie Jürgen Dahlmanns reduzierten die traditionellen Muster, pixelten sie auf, überlagerten sie mit Computerdessins und stellten die Naturfasern ihrer Teppiche vor neue Herausforderungen, indem sie Wolle abflammten oder deren unterschiedliche Reaktion beim Oxidieren gestalterisch einsetzten. Der Used-Look fand den Weg aus der Bekleidungs- in die Wohnmode genauso wie handgeknüpfter Fotorealismus und andere radikal neue Ansätze.
Cool ja – kalt nein
Den Boden bereitet hat dem modernen, handgeknüpften Teppich der stetige Aufwärtstrend bei Hartböden. Doch während Beton, Parkett und Fliesen zunächst im puristischen Soloauftritt eingesetzt wurden, kam bereits wenig später der Wunsch nach Wohnwärme und gemilderter Akustik auf. Kaths gern zitierte Antwort darauf: “Man muss keine kalten Füße haben, um cool zu sein”. Der Beweis dafür wurde auch auf der Weltleitmesse für Bodenbeläge Domotex in Hannover 2015 in großer Bandbreite angetreten: die Avantgarde des neuen Orientteppichs hat augenfällig vorgelegt, andere folgen in kleineren aber nicht weniger attraktiven Schritten. So erhalten etwa bei Hossein Rezvani, Jaipur oder Naziri die traditionellen Muster persischer, afghanischer oder indischer Teppiche in sanften Naturfarben eine neue Ausstrahlung, werden überlieferte Musterelemente nur noch als Akzent zitiert oder modern neu interpretiert.
Trittfestes Renommierstück
Firmen wie Capooi oder The Knots in Berlin haben sich darauf spezialisiert, alte Originale eines Orientteppichs neu einzufärben. Dabei macht die nicht vollständig kalkulierbare Mischung aus alten und neuen Kolorits den Reiz aus und sorgt erneut für Unikatcharakter. Katrin den Eikelder von The Knots versteht sich damit als Teil einer “Rugolution”, wobei das textile Revoluzzertum gleichermaßen die Rückkehr wie die Weiterentwicklung klassischer Teppichkunst umfasst. Und tatsächlich entwickelt sich die vom Höhenflug es “New Carpet” beflügelte Rückkehr des handgeknüpften Klassikers zu einer immer interessanteren Komponente. Dieser hat sein angestaubtes Image bei verantwortungsbewussten Herstellern und Importeuren gemeinsam mit dem Makel der Kinderarbeit abgestreift und punktet nun erneut mit musterhafter Einmaligkeit neben modernem Möbelpurismus.
Textile Faszination, der man sich auch im Objektbereich schon längst nicht mehr entziehen kann. Ob Hotel, Flagship-Store, oder Botschaftsgebäude, der handgeknüpfte Orientteppich gewinnt stetig an Boden. So ließ Dietmar Müller-Elmau für die Renovierung seines Schlosshotels am Rande der Alpen Amaleh-Teppiche für Gästezimmer und Lobby nach seinen Entwürfen vom iranischen Familienunternehmen Zollanvari realisieren. Im Hamburger “Fairmont Vier Jahreszeiten” wandeln die Gäste auf Hossein Rezvanis Teppichen, die sich in Creme und Rubinrot in die Gesamtgestaltung einfügen, und auch Jan Kath ist im Traditionshotel an der Alster vertreten genau wie im “Four Seasons” in Kairo oder in weltweiten Showrooms von Hugo Boss bis Tiffany’s. Jürgen Dahlmanns “Rug Stars” finden sich unter anderem in internationalen Vertretungen der Schweiz sowie in exklusiven Concept-Stores und Hotels bis zu royalen Interieurs. Sahar Carpets, weiterer Globalplayer im New Carpet-Segment hat mit seiner Fresco- und Fruition-Kollektion aus handgeknüpfter Wolle und Seide die Fendi-Flagship-Stores in Mailand, Paris und London ausgestattet. Und dies ist nur ein kleiner Auszug aus einer ebenso langen wie illustren Referenzliste.
Fest steht: am handgeknüpften Orientteppich führt auch im Objekt aktuell kein Weg vorbei. Ob Klassiker oder Neuinterpretation, nach eigenen Entwürfen oder im Wunschkolorit gefertigt, bleibt sicher die Frage des Einsatzorts und -zwecks, doch mit großer Bandbreite deckt er fast alle Optionen ab und wird dazu beim Gebrauch noch veredelt: Betreten gleicht die Florhöhe an, der Teppich erhält einen edlen Lüster und wirkt mit der Zeit noch farbharmonischer.
Es lohnt sich also, den Blick schweifen zu lassen, wenn auf der kommenden Domotex Orient und Okzident aufeinandertreffen – im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne, immer aber inspirierend.
Autorin Claudia Warnholtz
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