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Coden, Sägen, Reden!

Coworking und Maker Space Hafven Hannover
Coden, Sägen, Reden!

Kennste einen, kennste alle? Nein! Auch wenn Coworking Spaces mittlerweile fester Bestandteil der Arbeitslandschaft sind: Gerade abseits internationaler Coworking-Ketten entstehen Räumlichkeiten, die mehr sind als gemeinschaftliche Arbeitsorte.

Autorin Adeline Seidel

Trutzig wie ein SUV sitzt der anthrazitfarbene Neubau an einer Kreuzung im Norden Hannovers. Leicht lässt sich die Architektur nicht einordnen. Lagerhalle oder Büros? Kaufhaus oder Kulturzentrum? Der Bau könnte all dies beherbergen. Und das passt zum „Hafven“, dessen Räume sich hinter dem Sichtbeton befinden. Der Hafven ist ein Coworking Space, der vieles anders macht und doch – oder gerade deswegen – tief verwurzelt ist in jenen Jahren, in denen diese Orte des Arbeitens als frische Triebe einer veränderten Arbeitskultur aus dem Boden traten.

Begrüßt wird der Besucher vom unprätentiösen Interieur das hauseigenen „Cafvé“. Es besteht aus einer Mischung aus Werkstatttischen, alten Stühlen, rohen Betonwänden und gibt sich bewusst lässig. Einige der Tische sind besetzt. Von jungen Menschen, die noch Schüler sein könnten, bis zum Mittfünfziger ist alles vertreten.

Coworking
Café und Restaurant sind das Herz vom Hafven. Hier kann man chillen, quatschen, arbeiten oder einfach etwas essen oder trinken.
Foto: Frank Schinski/© Wilkhahn

Sie alle eint das WLAN, mit dem ihre Laptops verbunden sind. Die DIY-angehauchte Atmosphäre unterscheidet sich von vielen Coworking Spaces, die derzeit in deutschen Städten Büroetagen besetzen. Sie heißen „WeWork“, „Rent24“ oder „Mindspace“. Den Nutzer erwartet dort eine mittlerweile „klassische“ Arbeitslandschaft: Großraumbüros, schalldichte Kabinen fürs konzentrierte Arbeiten und einen Bereich mit Kickertisch und Kaffeebar.

Ein Haus für Kopf und Hand

Bei einigen Ketten geht es so bunt zu wie in Googles Firmenzentralen, andere repräsentieren ihre Marke lieber durch Luxus, ausgestattet mit den Designklassikern skandinavischer Möbelhersteller oder Ikonen von Vitra.

Dass Coworking Spaces längst ein etablierter Baustein im Markt der Büroimmobilien sind, zeigen die Zahlen, die jüngst in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht wurden. So ist WeWork mit 240 000  m² Nutzfläche der zweitgrößte Büronutzer Londons – nach der britischen Regierung. Doch nicht die Arbeitsplätze machen einen attraktiven Coworking Space aus, es ist sein Netzwerk und seine Qualität als „Matchmaker“, der in zahlreichen Veranstaltungen Start-ups mit Business Angeln vernetzt und Freelancer mit Gründern zusammenbringt.

Der Hafven in Hannover ist tief in der Hannoveraner Gründerszene verwurzelt. 2016 schlossen sich „Die Werke“ und der Coworking Space „Edelstall“ zusammen. Der Neubau der Architekten Mensing Timofticiuc wurde ihre gemeinsames Haus, in dem neben Arbeitsplätzen ein umfangreicher „Maker Space“ den Mitgliedern geboten wird: Es gibt neben einem Fab Lab mit Lasercutter und 3D-Druckern eine perfekt ausgestattete Holzwerkstatt und eine große Metallwerkstatt. „Die Idee hinter dem Hafven ist, dass wir Menschen den Zugang ermöglichen möchten, damit diese ihre Projekte umsetzen können“, erklärt Jonas Lindemann, Geschäftsführer im Hafven.

Foto: Wilkhahn

Während im unteren Teil des Neubaus sich das Café – pardon: „Cafvé“ – und die Werkstätten um einen großzügigen Innenhof gruppieren, dessen heller Sichtbeton noch jungfräulich in der Sonne glänzt, befinden sich im oberen Geschoss die Büro- und Besprechungsräume. Eine bunte Bürolandschaft oder dekorativ platzierte Designklassiker sucht man vergebens. „Zu Beginn war alles ein Provisorium. Wir haben erst mal beobachtet, wie die Leute die Räume nutzen. Und danach haben wir die Möblierung entsprechend angepasst. Und: wir verändern und ergänzen noch immer“, erläutert Pauline Raczkowski, die sich im Hafven um die Kommunikation kümmert, das Designkonzept. Möbel werden nach Bedarf gebaut, am besten in der eigenen Werkstatt. Ansonsten heißt es in allen Räumen: Kein Arbeitsplatz kann dauerhaft belegt werden, jeden Tag sortiert sich das Personengefüge neu.

Zentrum für Start-ups

Das gilt auch für das Hafven-Team selbst, das bewusst auf ein eigenes Büro verzichtet hat. „So stehen wir im ständigen Austausch mit unserer Community“, sagt Jonas Lindemann.

Viele, die hier die Räume nutzen, haben kein Interesse an klassischen Karrierebiografien und können mit dem Scheitern ebenso umgehen wie mit Unsicherheiten. Sie wollen Geld verdienen und flexibel arbeiten. Sie wollen ihrer Neugierde folgen und einfach auch mal ausprobieren und machen. Wohl wissend, dass es Begegnungen und viele glücklich ineinandergreifende Umstände braucht, damit neue Projekte und Produkte entstehen.

Da ist beispielsweise Dörte Roloff, Coach beim „Smart City Hub“, eine Plattform für Start-ups im Hafven, die auch vom Land Niedersachsen gefördert wird. Dörte Roloff tourt aber auch mit dem von ihr entwickelten Veranstaltungsformat „Prototypenparty“ durch europäische Städte. Oder Jens Thiemann, der eigentlich Unternehmensberater ist: Er produziert im Hafven seine Leuchtenserie „meiLi“.

Über 30 Start-ups haben sich im Hafven angesiedelt. Ein sehr persönlicher On-Boarding-Prozess sorgt dafür, dass jeder Neuankömmling schnell Kontakte knüpft. Und eine eigens für den Hafven programmierte Onlineplattform hilft beim Austausch und Vernetzten der mittlerweile 1 000 Mitglieder. Viele Projekte entstehen und verändern sich im Miteinander und im Austausch auf den zahlreichen, regelmäßigen Events.

Coworking
Innenhof des Areals. Foto: Jana Struêve

Auch größere Unternehmen gehören zu den Nutzern. Neue Produkte, ganz gleich ob es sich dabei um digitale oder physische handelt, können durch die Community auf Herz und Nieren geprüft werden. „Die Arbeitsatmosphäre hier im Hafven bricht die Blackbox-Situation eines herkömmlichen Büros auf. Hier bleibt der Prozess nicht verborgen, hier wird man immer angesprochen – und das bringt mich und meine Arbeit weiter“, erzählt Jonas Lindemann. Wer das nicht möchte, muss sich einen anderen Space suchen oder einfach von zu aus Hause arbeiten. Ob man auch mit 55 Jahren noch in einer solcher Umgebung arbeiten möchte, die „permanent beta“ ist? Die Frage kann niemand beantworten. Jetzt will man so arbeiten. Punkt. W

as später ist, wird man sehen. Aber es gibt die Zuversicht, dass man auch dafür seinen Weg und ein Modell finden wird. Wer den Hafven mit all seiner DIY-Atmosphäre besucht, hat das Gefühl, hier den Ur-Spirit eines Coworking Spaces einzuatmen. Viel Offenheit, Neugierde und ein Gemeinschaftsgefühl strahlen durch die Räume. Etwas, was häufig bei dem kommerzialisierten Standard der großen Ketten fehlt.

Denn in Zeiten, in denen selbst Zufälle planbar sein müssten, jeder der Selbstoptimierung hinterherläuft und die Effizienz zum Credo des täglichen Arbeitslebens geworden ist, ist ein Ort wie der Hafven ein wohltuender Arbeitsraum, der das Experiment und die Neugierde ebenso umarmt wie das Scheitern und den Erfolg.

Was hat Deep Work mit Coworking zu tun? Lesen Sie hier mehr.

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