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Privileg der Einfachheit

Sanierung und Umbau Haus Tschlin/Unterengadin von Voellmy Schmidlin
Privileg der Einfachheit

Für die Kunstsammlerin Grazyna Kulczyk zählen Werte wie Einfachheit, Minimalismus und Perfektion. Altes bewahren und Neues behutsam einfügen – das waren die Wünsche für ihr Ferienhaus mitten auf dem Dorfplatz von Tschlin. Ein Unterfangen, das die Architekten Voellmy Schmidlin mit Bravour meisterten.
Text: Kay von Losoncz

English translation below
Wenn sich die polnische Unternehmerin und Kunstsammlerin Grazyna Kulczyk etwas in den Kopf gesetzt hat, kann man davon ausgehen, dass daraus ein faszinierendes Projekt entsteht. So geschehen mit dem Stary Browar, einer Bierbrauerei in ihrer Heimatstadt Poznan, die sie vor einiger Zeit zu einem vielbeachteten Einkaufs- und Kulturzentrum umbauen ließ.
“Ein historisches Gebäude in einem gewachsenen Umfeld zu revitalisieren und damit zu retten, setzt eine große Verpflichtung voraus. Es geht dabei um weit mehr als um Selbstdarstellung”, meint sie. Vor zwei Jahren nahm die engagierte Bauherrin eine neue Herausforderung an – diesmal in der Schweiz.
Voellmy Schmidlin
Die Südansicht des Hauses. Foto: Francesca Giovanelli
Während des Besuchs eines befreundeten Galeristen entdeckte Grazyna Kulczyk die Bergregion des Engadins für sich. Es war ein Prozess: Zunächst war sie fasziniert von der Natur. Dann entdeckte sie die Klarheit und Funktionalität der Häuser. Und schließlich begeisterte sie die Virtuosität mancher Architekten, die diese faszinierende Bausubstanz mit minimalen Veränderungen an moderne Bedürfnisse anpassen können.
“Da trifft Schweizer Neomodernismus auf mittelalterliches Kunsthandwerk mit einem Hauch von italienischer DNA”, erläutert Grazyna. Zusammen mit ihrem Lebenspartner Maciek Chorazak entschloss sie sich deshalb, ein altes Engadinerhaus zu kaufen und vor dem Zerfall zu retten.
Die kleine Ortschaft Tschlin liegt zwar von Poznan aus betrachtet nicht gerade um die Ecke, aber die Bauherren fühlen sich als europäische Nomaden an vielen Orten zu Hause.
Die Bauherrin erinnert sich an den ersten Besuch: “Unsere Fahrt von St. Moritz aus dauerte eine Stunde und folgte dem natürlichen Flusslauf. Dann kamen wir zu einer Abbiegung und entdeckten das kleine Dorf Tschlin an den Flanken des Piz Mundin, wie ein kleines Nest hoch über dem Tal, auf etwa 1500 Metern Höhe.”
Trotz seines schlechten Zustands offenbarte das Bauernhaus hinter seiner verwahrlosten Fassade Qualitäten, die die Fantasien der zukünftigen Bauherren beflügelten. Welches Architekturbüro den Auftrag für die aufwendige Sanierung des Hauses erhalten sollte, stand bereits beim Kauf fest: Es waren zwei junge Architekten aus Zürich, die eine leer stehende, sich in desolatem Zustand befindliche Autowerkstatt in eine der vielbeachtetsten Galerien der Schweiz umgebaut haben – Voellmy Schmidlin Architekten.
Voellmy Schmidlin
Den acht Meter hohen Wohnraum begrenzt eine Bruchsteinmauer. Foto: Francesca Giovanelli
Lukas Voellmy und Chasper Schmidlin nahmen sich vor, die Geschichte des Hauses sichtbar zu machen: “Das Bauernhaus war über Jahrhunderte mehrfach umgebaut worden. Ein Teil des ehemaligen Stalls diente seit Mitte des 19. Jahrhunderts als Bäckerei. Uns beschäftigte die Frage, was erhalten wir, was geben wir dazu?” Für den anspruchsvollen Umbau wählten sie erfahrene, lokale Handwerker: Zunächst ließen sie die repräsentative Südfassade von einem später angebauten Balkon säubern und die Schaufenster der Bäckerei zumauern.
Da die Fassade von den früheren Besitzern mit einem Betonverputz versehen wurde, waren Malereien und Sgraffiti nicht mehr zu retten – man versah die Fassade daher mit einem frischen Kalkputz in gebrochenem Weiß. “Zu unserem Glück befanden sich die typischen alten Rundbogentore noch in der Scheune; wir konnten sie restaurieren lassen und wieder an die Süd- und Ostfassade anbringen”, erinnern sich Voellmy Schmidlin.
Einklang mit der Tradition
Der besonders erhaltenswerte Dachstuhl war intakt – wegen der zwingenden Isolation hat man ihn verstärkt, mit einem Unterdach versehen und das neue Dach mit Blech eingedeckt. Wo immer möglich, wurde die Gebäudehülle mit Dämmputz von innen isoliert, um den Charakter der bestehenden Mauern zu erhalten und die äußere Proportion des Gebäudes nicht zu verändern.
“Die mächtige Bruchsteinmauer an der Westseite der Scheune enthielt drei Nischen mit Rundbögen. Wir denken, dass diese früheren Öffnungen zugemauert wurden, als das Nachbarhaus entstand”, meint Lukas Voellmy. Insgesamt behielt das Haus sowohl äußerlich als auch im Inneren seinen typischen Charakter mit viel Lärchen- und Arvenholz sowie Naturstein.
Voellmy Schmidlin
Der Stahlkamin ist ein Entwurf der Architekten Voellmy Schmidlin. Foto: Francesca Giovanelli
“Altes bewahren und Neues minimalistisch einfügen – das waren unsere Wünsche, die die Architekten mit Bravour erfüllten”, unterstreicht Grazyna Kulczyk. Diese füllten die Räume mit neuen Funktionen: Wo sich früher Stall und Vorratskeller befanden, bauten die Architekten eine Gästewohnung mit drei Schlafzimmern ein. Dank des großen Rundbogentors öffnet sich der Wohnraum dieses separaten Hausteils nun direkt zum Hauptplatz im Süden.
Charme des Minimalismus
Der Eingang zum eigentlichen Wohnhaus befindet sich an der Ostseite. Früher war hier das sogenannte Sulèr, eine Art Tenne, in der auch die Kleintiere lebten und die Hausarbeiten erledigt wurden. Gleichzeitig diente das Sulèr als Durchfahrt zur Scheune. “In den alten Holzböden, die wir restaurieren ließen, sieht man noch deutlich die Abdrücke von Pferdehufen”, schwärmen die Architekten Voellmy Schmidlin.
Längs des Sulèr befanden sich die Stüva, eine getäferte Wohnstube, daneben die Küche und eine Vorratskammer. Beim Umbau entstanden aus diesen Räumen eine Gästetoilette und eine geräumige Küche mit Essplatz. “Den zentralen Küchenblock aus eingefärbtem Beton haben wir in Anlehnung an die alten Bauernküchen entworfen. Grazyna wünschte sich das kräftige Blau, das in den Häusern dieser Gegend oftmals vorkommt”, erklärt Chasper Schmidlin.
Voellmy Schmidlin
Der blau eingefärbte Beton des Küchenblocks bildet einen reizvollen Kontrast zur Holzstube. Foto: Francesca Giovanelli
Ein weiteres Tor öffnet sich zur 8 m hohen Wohnhalle – früher die Scheune – mit ihrer markanten Bruchsteinmauer und den alten Holzläden. “Diese Öffnungen waren natürlich nicht verglast, da ging der Wind durch die Heubühne”, so der Architekt. Der riesige Raum wird jetzt von einem großen Stahlkamin dominiert, an seiner Nordseite führt eine schlichte Treppe zum Obergeschoss. Dort fügten Voellmy Schmidlin einen Kubus mit Nasszelle und Garderobe in den Vorraum und ließen das Schlafzimmer mit neuem Arvenholz verkleiden.
Voellmy Schmidlin
Die sogenannte Lounge mit Panoramafenster garantiert einen unvergleichlichen Ausblick. Foto: Francesca Giovanelli
“Unser Lieblingsplatz ist die Lounge mit neuem Panoramafenster im Dachgeschoss”, schwärmen die Besitzer. “Von dort aus beobachten wir den Sonnenuntergang.”

Bei der Renovierung des Hauses in Tschlin machten sich die Architekten Voellmy Schmidlin die Erhaltung der ursprünglichen Bausubstanz zum Thema.
Büro: Voellmy Schmidlin Architektur GmbH
Standort: Zurlindenstrasse 118, 8003 Zürich/CH
Inhaber: Lukas Voellmy und Chasper Schmidlin
Gründungsjahr: 2007
Mitarbeiter: 4
Arbeitsgebiete: Wohnhäuser, Umbauten, Galerien und öffentliche Gebäude
Realisierte Projekte: Ferienhäuser in S-chanf und Tschlin, Messestand Sarah Oppenheimer, Art Basel, Umbau Galerie von Bartha Garage, Basel.
Ihre Gestaltungsphilosophie?
Voellmy Schmidlin: Unser Ziel bestand darin, vom Bestand das Wesentliche würdevoll zu erhalten und zusammen mit den kontrastreich neu eingebauten Elementen ein stimmiges Ganzes zu schaffen.
Wie finden Sie Inspiration?
Voellmy Schmidlin: In dem Prozess und der Herausforderung für die Ansprüche der Bauherrschaft Lösungen zu finden, die nicht nur zu Theorien führen, sondern vor allem zum Bauen.
Welches Projekt war für die Entwicklung des Büros das wichtigste – und warum?
Voellmy Schmidlin: Die Kunstgalerie von Bartha in Basel. Unser Erstlingswerk ermöglichte uns die Gründung des eigenen Büros und die regelmäßig stattfindenden Eröffnungen sind eine schöne Gelegenheit, Bauherrschaft, Freunde und Bekannte zu treffen.

Projekt: Casa Bügl Sura
Standort: Tschlin, Unterengadin, Schweiz
Bauherr: Grazyna Kulczyk
Bauaufgabe: Umbau eines Bauernhauses
Baubeginn: 2011
Fertigstellung: Februar 2012
Grundstücksgröße: 240 m²
Anzahl Geschosse: 4
Geschossflache: 400 m²
Materialien: Bruchsteinmauerwerk mit innen liegendem Dämmputz, Leichtbau-Holzriegelkonstruktion, Betondecken und Holzbalkendecke, Hartbetonböden, Massivholzdielen, Kalkputz und Gipswände gestrichen, teilweise Sichtmauerwerk.
Möblierung: Küche und alle Einbauten sowie Salontisch und Kamin von Voellmy Schmidlin Architektur, Badeinrichtung von Laufen, Armaturen von Dornbracht, antike Möbel aus dem Engadin und Polen.
Leuchten: Kreon

The privilege of simplicity

Restoration and conversion of the Tschlin House, Lower Engadine

For art collector Grazyna Kulczyk values like simplicity, minimalism and perfection are important. Conserve the old and gently add something new – those were her objectives when she commissioned her holiday home in the centre of Tschlin’s village square. It was a venture mastered excellently by architects Vollmy and Schmidlin.
When Polish entrepreneur and art collector Grazyna Kulczyk has set her mind on something, you may well expect that a fascinating project will come out of it. That’s what happened with Stary Browar, a brewery in her home town of Poznan, which she had converted into a highly noticed shopping and cultural centre some time ago.
“It is a great responsibility to revitalize and rescue a historical building in surroundings that have grown through history. It means much more than just self-projection”, she says. Two years ago the committed builder-owner took up a new challenge, this time in Switzerland. While visiting a friend of hers, a gallerist, Grazyna Kulczyk discovered for herself the mountain region of the Engadine. It was a process. She was at first fascinated by the nature. Then she discovered the clarity and functionality of the houses. And finally she was enthused by the virtuosity of some architects who are able to adapt these fascinating old buildings to modern requirements with minimal changes.
“Swiss neo-modernism meets medieval craftsmanship with a touch of Italian DNA thrown in”, explains Grazyna. She therefore decided, in unison with her life partner Maciek Chorazak, to buy an old Engadine house and protect it from decay. Seen from Poznan, the small village of Tschlin is not exactly around the corner, but as European nomads the builder-owners feel at home in many places. She remembers her first visit: “From St. Moritz we drove about one hour, following the natural course of the river. We then came to a turn and discovered the small Tschlin village on the flanks of Piz Mundin, sitting like a small nest high above the valley at a height of about 1,500 metres.”
Despite its bad condition, the farmhouse behind the run-down façade revealed qualities that provided wings to the imagination of the future builder-owners. When signing the contract it was decided which architects’ studio was to be commissioned with the elaborate restoration of the house: two young architects from Zurich who had converted a dilapidated car-repair shop into one of the most noticeable galleries in Switzerland.
Lukas Voellmy and Chasper Schmidlin planned to make the house’s history visible. “Over the centuries, the farmhouse had been converted repeatedly. Since the middle of the 19th century, a part of the former stables had been used as a bakery. We had to solve the question of what do we want to keep and what should be added?” To execute the demanding conversion, they selected experienced local craftsmen. First of all they had cleaned the representative south facade by removing a balcony that had been added on at a later stage, and the windows of the bakery were bricked up. Because former owners had applied concrete plasterwork on the façade, paintings and sgraffiti were past remedy. So the façade was covered with fresh off-white lime plaster.
“We were lucky in so far as the typical old arched doorways were still stacked in the barn. We were able to have them restored and attached them again on the south and east façades”, recall Voellmy Schmidlin.
In accordance with tradition
The roof truss, particularly worthy of conservation, was still intact. Because insulation was mandatory, it was reinforced, provided with a sub-roof and the new roof covered with metal tiles. Wherever possible, the building’s envelope was insulated with insulating plaster from within so that the character of the existing walls was maintained and the building’s outer proportions left unchanged.
“The mighty quarry-stone wall on the barn‘s west side received three niches with round arches. We suppose that in former times these openings had been walled up when the neighbouring house was built”, says Lukas Voellmy. In all, the house retained its typical character both inside and outside by using a lot of larch and stone-pine wood plus natural stone. “Preserve the old and add new elements minimalistically. Those were our wishes, and the architects have fulfilled them with bravura”, underlines Grazyna Kulczyk.
Voellmy and Schmidlin filled the rooms with new functions. The architects integrated a guest apartment with three bedrooms where formerly the stable and the storage cellars had been located. Thanks to the big arched doorway, the living space of this separate part of the house now opens out directly toward the main square in the south.
The charm of minimalism
The entrance to the main building is on the east side. In former times, this had been the so-called ”sulèr”, a kind of threshing floor, where also the small animals lived and some housework was done. At the same time the ”sulèr” was used as a passage to the barn.
The architects are enthusiastic: “You can still clearly see the imprints of the horses’ hooves on the old timber floorings that we have had restored.” Alongside the “sulèr“ there was the “stueva“, a paneled living room, and next to it the kitchen plus pantry. In the course of the conversion, these were transformed into a guests’ toilet and a spacious kitchen with dining place. “We designed the central kitchen block of coloured concrete in the style of the old farmers’ kitchens. Grazyna wanted the intense blue colour, which is often encountered in the houses of this area”, says Chasper Schmidlin.
Another door opens out toward the eight-metre high living hall, which had been the barn, with its distinct quarry-stone walls and the old wooden shutters. The architect says: “These apertures had of course not been glazed; the wind blew through the hayloft.” Now the huge space is dominated by a big steel fireside. On its north side, plain stairs lead up to the upper storey. On this level, the architects inserted a cube containing a wet cell and a cloakroom in the anteroom and had the bedroom clad with new stone-pine wood.
The owners go into raptures saying that, “our favourite place is the lounge on the top floor with its new panorama window. From there we watch the sun go down.”
Text: Kay von Losoncz

Office: Voellmy Schmidlin Architektur GmbH
Location: Zurlindenstrasse 118, CH-8003 Zürich/CH
Owners: Lukas Voellmy and Chasper Schmidlin
Founding year: 2007
Staff: 4
Work areas: residential buildings, conversions, galleries and public buildings
Completed projects: Holiday homes in S-chanf and Tschlin, fair stand Sarah Oppenheimer, Art Basel, conversion Galerie von Bartha Garage, Basle.
What is your design philosophy?
Voellmy Schmidlin: It was our aim to preserve essential elements of the existing structure in a dignified way and to create a harmonious whole in combination with the contrasting newly added parts.
How do you find your inspirations?
Voellmy Schmidlin: During the process and by the challenge to find solutions for clients’ demands, which not only lead to theoretical ideas but most of all to practical building.
What project was the most important one for the evolution of the office – and why?
Voellmy Schmidlin: The Bartha art gallery in Basle. This was our first work, and it provided the opportunity to establish our own studio. In addition, the regularly staged openings are welcome occasions to meet builder-owners, friends and acquaintances.
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